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Justiz: Falscher Polizist muss lange Zeit ins Gefängnis

Justiz

Falscher Polizist muss lange Zeit ins Gefängnis

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    Eine betrügerische Gruppe hat mehrere Senioren um viel Geld gebracht – unter anderem eine Seniorin aus Günzburg. Nun wurde einer der Täter am Landgericht verurteilt.
    Eine betrügerische Gruppe hat mehrere Senioren um viel Geld gebracht – unter anderem eine Seniorin aus Günzburg. Nun wurde einer der Täter am Landgericht verurteilt.

    Mit „perfiden“ Methoden hat ein 29-Jähriger in mehreren Fällen ältere Menschen teils um ihr gesamtes Vermögen gebracht. Wegen mehrfachen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs hat die Erste Strafkammer des Memminger Landgerichts den Mann zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. In Günzburg, Esslingen, Nürtingen (beides Baden-Württemberg) und Düsseldorf hatte der geständige Angeklagte Senioren um mehr als 230000 Euro abgezockt. In drei Fällen trat der aus Illerrieden im Alb-Donau-Kreis stammende Angeklagte als falscher Polizist – unter anderem als Kommissar „Sanchez“ – auf. Im vierten Fall hatte er als Transporteur 50000 Euro in die Türkei gebracht und sie dort den Hintermännern der kriminellen Bande übergeben.

    Die Täter meldeten sich bei den potenziellen Opfern telefonisch und gaben sich als Kriminalpolizei aus: „Da sind viele ältere Leute erst mal schwer beeindruckt“, weiß eine Neu-Ulmer Kripobeamtin, die, dank akribischer Ermittlungen, dem Angeklagten auf die Spur kam, der im Juni vergangenen Jahres festgenommen wurde. Mithilfe gefälschter Telefonnummern wird auf dem Display entweder die Notrufnummer 110 oder die einer örtlichen Polizeidienststelle angezeigt. Mit simplen Tricks können die Täter sogar mit echten Namen von Beamten operieren, in dem sie zuvor bei einem Revier anonym anfragen, wie Ermittler in der Verhandlung als Zeugen berichteten.

    Die Senioren werden vor allem wegen ihrer aus der Mode gekommenen Namen im Telefonbuch ausgewählt – so wie bei der 79-jährigen Günzburgerin. Dort meldete sich im März vergangenen Jahres ein vermeintlicher Kripomann namens „Bach“. Er behauptete, dass aus Bank-Schließfächern oft Geld verschwinde, dass in Falschgeld gewechselt werde.

    Die Seniorin glaubte diesem Schwindel und holte 30000 Euro, per Mobiltelefon ständig in Kontakt mit den Ganoven. Ein weiterer Beamter werde das Geld abholen und der Inspektion zur Überprüfung bringen, wo die 79-Jährige es wieder abholen könne. Wenige Stunden später tauchte der Angeklagte, der sich als Kripomann „Sanchez“ ausgab, beim Opfer auf. Er zählte das Geld sogar nach – es fehlten angeblich 700 Euro, was der Betrüger der Seniorin als Beweis auftischte, dass die Bankmitarbeiter mit den Gaunern unter einer Decke stecken. Der 29-Jährige ließ sich das Vermögen in mehreren Umschlägen aushändigen, telefonierte bei der Übergabe sogar noch mit dem Handy des Opfers – Gesprächspartner war ein Auftraggeber der Bande. Als sich die 79-Jährige am nächsten Tag nach ihrem Geld bei der echten Polizei erkundigte, kam das Betrugsmanöver ans Licht. Am Mobiltelefon konnte die

    Über eine Funkzellen-Auswertung zum Zeitpunkt der Tat in Günzburg fand die Kripo eine Nummer heraus, die dem Angeklagten aus Illerrieden zugeordnet werden konnte. Der am Wohnort Verhaftete sei bei den Vernehmungen sehr kooperativ gewesen. Er habe Hinweise auf die acht- bis zehnköpfige Bande in der Türkei gegeben.

    Die Ermittlungen gegen diese Hintermänner läuft über eine Sonderkommission beim bayerischen Landeskriminalamt, wie während der Verhandlung bekannt wurde. Die Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden sei schwierig, aber erfolgversprechend wie Kripobeamte am Rande des Prozesses gegenüber unserer Zeitung sagten. Sämtliche Akten müssten erst ins Türkische übersetzt werden, was erheblichen Zeitaufwand erfordere. Eine konkrete Festnahme weiterer Verdächtiger sei bisher zwar noch nicht erfolgt, aber zumindest die Identifizierung einiger Bandenmitglieder.

    Nach dem erfolgreichen ersten Betrugsfall stellte die Bande dem Angeklagten weitere lukrative Aufträge in Aussicht. Eigentlich, so der 29-Jährige, habe er aussteigen wollen, sei aber von den Bossen unter Druck gesetzt worden. Außerdem litt der Arbeitslose unter fortwährender Geldnot. Er wurde per Kurznachricht über den Messengerdienst Whatsapp am 1. April 2019 nach Düsseldorf beordert. Dort hätte die Beute bei einer 76-Jährigen noch wesentlich höher ausfallen können. Die Seniorin hatte ihr gesamtes Vermögen von 600000 Euro aus einem Bankschließfach nach Hause genommen, weil es sich zum Teil angeblich um Falschgeld handele; erkennbar an einem X an der Scheinnummer. Doch die Seniorin schöpfte Verdacht und wollte ihr Geld dem unbekannten Abholer nicht übergeben. Dabei stürzte sie die Treppe hinunter.

    Der Täter konnte lediglich 67 000 Euro erbeuten, die restliche Summe blieb zurück. In Düsseldorf fungierte der Angeklagte nicht als Abholer, sondern als Transporteur der Beute, die er sofort in die Türkei brachte, wo sie entweder in einem Penthouse nahe dem Istanbuler Flughafen oder in einer Tiefgarage übergeben wurde.

    Erst später, so der 29-Jährige, habe er von der Verletzung des Opfers erfahren. Nur wenige Tage später ergaunerte der Mann von weiteren Senioren in Esslingen und Nürtingen Bargeld, Schmuck und Münzen im Gesamtwert von fast 140000 Euro. Die Ermittler gehen außer diesen vier aufgedeckten von einer größeren Dunkelziffer nicht angezeigter Betrugsfälle aus. Grund sei wohl das Schamgefühl der Opfer.

    Der 29-Jährige bedauerte in seinem Schlusswort, dass er die Senioren geschädigt habe. Sein Verteidiger Dietmar Prenosil kündigte an, dass die Eltern des nicht vorbestraften Angeklagten 10000 Euro als Wiedergutmachung angeboten hätten. In einem auf Anregung von Pflichtverteidigerin Anja Mack und ihres Kollegen erfolgten Rechtsgespräch mit der Strafkammer wurde der Strafrahmen auf eine Höhe zwischen vier Jahre und neun Monate bis fünf Jahre und neun Monate festgelegt, wie Vorsitzender Richter Christian Liebhart informierte. Das Urteil für den banden- und gewerbsmäßigen Betrug mit fünf Jahren und drei Monaten fiel in der Höhe dazwischen aus.

    Das Urteil gegen den 29-Jährigen ist noch nicht rechtskräftig.

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