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Jettingen-Scheppach: Vision-Privatschule ist im Visier von Erdogan-Anhängern

Jettingen-Scheppach

Vision-Privatschule ist im Visier von Erdogan-Anhängern

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    Die Vision-Privatschule in Jettingen-Scheppach.
    Die Vision-Privatschule in Jettingen-Scheppach. Foto: Bernhard Weizenegger

    Es war ein Donnerstag, als die Schmierereien an einer Garage der Vision-Privatschule in Jettingen-Scheppach entdeckt wurden. Ein Totenkopf. Und das Zeichen TC. Schulleiterin Monika Weltz hat sich sagen lassen, das stehe für „Türkischer Staat“. „Wir wussten sofort, was Sache ist“, sagt sie. Schließlich lag der gescheiterte Putschversuch in der Türkei nur wenige Tage zurück. Die Polizei wurde verständigt, Anzeige erstattet. Die Beamten gingen offenbar auch direkt von einem politischen Hintergrund aus, der Staatsschutz bei der Kripo in Neu-Ulm übernahm die Ermittlungen. Inzwischen konnte Weltz es etwas sacken lassen, doch der Vorfall beschäftigt sie nach wie vor. Auch die Spannungen zwischen türkischen Gruppen, die sich mittlerweile ebenfalls in Deutschland zeigen, besorgen sie. Für die Schulleiterin steht aber fest: „Wir haben keinem etwas getan, wir werden uns dagegen stemmen.“

    Andere sehen das offenbar anders. Inzwischen meldeten Eltern 40 Schülerinnen der Mädchenschulen ab. Eine Begründung war, dass der türkische Präsident Erdogan seinen Intimfeind Gülen für den Putschversuch verantwortlich macht und die Vision-Schulen ja mit ihm in Verbindung stünden. Eine andere Abmeldung sei noch damit begründet worden, die Focus Online berichtet, stehe die Schule auf einer Liste von Erdogan-Anhängern mit Personen und Unternehmen, die boykottiert werden sollen.

    Wie schon oft in der Vergangenheit betont Weltz auch jetzt: „Wir haben mit Gülen nichts zu tun.“ Sicherlich befürworteten die Trägervereine Gülens Idee, Schulen statt Moscheen zu bauen. Aber es gebe keine Verbindung zu ihm. Das Kultusministerium hat auch keine Hinweise darauf, wie es schon gegenüber unserer Zeitung erklärte. Und wenn: Die Träger mischten sich ohnehin nicht in die Arbeit ein und es werde nur nach dem bayerischen Lehrplan unterrichtet, sagt Weltz. Übrigens war eine dieser Organisationen bereits Ziel von Protesten: Unmittelbar nach dem gescheiterten Putschversuch versammelten sich nachts zweimal Gruppen von Erdogan-Anhängern auf dem Günzburger Markt. Dabei seien auch Eier auf die Geschäftsräume des Erziehungs- und Fördervereins Aktiv geworfen worden, wie der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein weiß. Demonstranten hätten auf Türkisch gerufen: „Brennt sie nieder!“

    Schmähungen in den sozialen Netzwerken

    Was die Lehrer der Vision-Schule betrifft, so sind sie nach den Worten von Monika Weltz bis auf drei Kollegen alle deutschstämmig. Die Schulleiterin war früher übrigens Chefin am Günzburger Maria-Ward-Gymnasium. Der größere Teil der Abmeldungen, zu dem auch normale Abgänge wegen nicht ausreichender Leistung gehören, gehe aber wohl darauf zurück, dass Eltern einfach Angst hätten. Dabei sei außer den Schmierereien – der Totenkopf sei schnell weggewischt worden, damit die Kinder nicht beunruhigt werden – nichts passiert. Es sei aber ihre Sekretärin am Telefon beschimpft worden und es habe etwa Schmähungen in den sozialen Netzwerken gegeben, hätten ihr Kollegen berichtet. Denen sei zwar auch nicht ganz wohl, Angst hätten sie aber keine, im Gegensatz gerade zu jüngeren Schülerinnen. „Wir haben sie beruhigt, dass sie bei uns sicher sind“, sagt Weltz. Die Polizei fahre ja auch verstärkt Streife in dem Bereich. Was die Stimmung innerhalb der Schule betrifft, hat der stellvertretende Schulleiter Stefan Baisch nichts von Anfeindungen der Schülerinnen untereinander bemerkt. Aber viele sorgen sich darum, wie es den Familienangehörigen in der Türkei geht. Baisch: „Wir haben insgesamt eine sehr offene Informationskultur.“

    Schulleiterin Monika Weltz freut sich angesichts dessen, was passiert ist, über jede Unterstützung. Die hätten die Abgeordneten und auch der Bürgermeister bei ihren Besuchen und Gesprächen signalisiert. Auch habe es viel Zuspruch von Deutschen gegeben, „die jetzt gemerkt haben, dass wir keine Terroristen erziehen oder den Islamismus ausbrüten. Sie sehen, dass unsere Kinder integrationswillig sind und die Eltern das bewusst unterstützen.“ Gerade in den Anfangsjahren hatten Einheimische die Schule kritisch beäugt und von einer Türkenschule gesprochen, dabei sei sie für jeden offen – auch wenn derzeit 80 Prozent der Kinder in der Tat türkischstämmig seien. Die anderen kommen aus Deutschland, Polen, Afrika und anderen Ländern, auch seien nicht alle muslimischen Glaubens. Ein besonderer Zuspruch besteht aber darin, dass es jetzt deutlich mehr Anmeldungen deutscher Kinder gebe. Das sei eigentlich immer das Ziel gewesen, mehr Deutsche in der Schule zu haben. Die Anmeldezahlen seien insgesamt jetzt auf einem guten Niveau, „auch wenn wir uns 20 bis 30 mehr schon gewünscht hätten“.

    Schulleiterin: Es ist ein Rückschlag

    Sie verhehlt nicht, dass das alles schon ein Rückschlag für die Schule sei. Auf deren Internetseite steht in roten Lettern seit kurzem folgende Botschaft: „Gemeinsam sind wir stark! In den letzten Tagen ist viel passiert, was uns betroffen macht. Leider erreichen uns viele schlimme Nachrichten. Unsere Schule ist aber ein sicherer Ort. Wir haben alles dafür getan, dass kein einziges Mädchen Angst haben muss. Im Vordergrund stehen bei uns immer die Bildung und das Wohl der Schülerinnen. Wir bitten alle Eltern darum, uns zu vertrauen und an diesem Ziel mit uns weiter zu arbeiten.“

    Bürgermeister Hans Reichhart sorgt sich ebenfalls wegen der Ereignisse, schließlich hat er eine sehr positive Meinung zur Schule. Regelmäßig isst er sogar in der Kantine zu Mittag. Die Zusammenarbeit sei immer hervorragend gewesen und er sei gut informiert worden, sagt er. Auch die Türkei habe er immer geliebt, aber was dort jetzt passiert, mache alle Errungenschaften zunichte. Reichhart will weiter das Gespräch mit der Schule suchen, die Zusammenarbeit ist ihm wichtig.

    Polizei sieht keine Bedrohung

    Die Polizei steht ebenfalls in Kontakt mit Vision-Vertretern. Es bestehe zwar angesichts des Vorfalls und der „Spannungen zwischen innertürkischen Bewegungen“ eine abstrakte Gefährdung, aber es gebe derzeit keine konkrete Bedrohungslage. Die Schule werde geschützt, Details nennt Sprecher Sebastian Adam aus taktischen Gründen nicht. Auf den Kreis insgesamt bezogen gebe es „keine Hinweise auf strafbare Handlungen zum Nachteil türkischer Einrichtungen“, seit Juli gebe es vier Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund des innertürkischen Konflikts. Dazu zählen zwei Sachbeschädigungen an Gebäuden – eine ist der Fall in Jettingen-Scheppach – und zwei Beleidigungen. „Von einer Eskalation des Konfliktes kann aufgrund der bisher niedrigschwelligen Delikte nicht gesprochen werden“, betont Adam. „Gleichwohl zeigen die Vorfälle, dass die Spannungen auch im Landkreis ausgetragen werden und auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Vertreter beider politischer Richtungen beeinträchtigt ist. Es werden daher relevante Objekte in die Schutzmaßnahmen einbezogen.“

    CSU-Mann Georg Nüßlein spricht angesichts des nach Deutschland getragenen innertürkischen Konflikts von einer Spaltung der Gesellschaft: „Das geht gar nicht.“ Er ärgert sich, wenn vor den Moscheen der vom türkischen Staat kontrollierten Ditib-Moscheen der Hinweis hängt: „Terroristen“ seien hier nicht erwünscht, was sich an die Gülen-Anhänger richtet. Die müssten dann eben auf arabisch-afrikanische Moscheen ausweichen. Als politische Konsequenz der Auseinandersetzungen stellt er etwa die doppelte Staatsbürgerschaft in Frage, denn wenn ein Türkischstämmiger beteure, er stehe hinter der Regierung, dann sei in der Regel die türkische gemeint. „Wir müssen auch über so etwas diskutieren können.“ Auch gefällt ihm nicht, wenn in Moscheen nur auf Türkisch statt auf Deutsch gepredigt werde.

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