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Jettingen-Scheppach: Gericht zweifelt an Zuverlässigkeit des Apothekers

Jettingen-Scheppach

Gericht zweifelt an Zuverlässigkeit des Apothekers

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    Der Jettinger Apotheker darf die St.-Martin-Apotheke weiterhin nicht betreiben. Das hat das Augsburger Verwaltungsgericht unter Vorsitz von Nikolaus Müller (unten links) am Dienstag so entschieden. Rechts davon die Bevollmächtigten des erfolglosen Klägers (Vordergrund) und dahinter Vertreter des Landratsamtes Günzburg (Beklagtenseite).
    Der Jettinger Apotheker darf die St.-Martin-Apotheke weiterhin nicht betreiben. Das hat das Augsburger Verwaltungsgericht unter Vorsitz von Nikolaus Müller (unten links) am Dienstag so entschieden. Rechts davon die Bevollmächtigten des erfolglosen Klägers (Vordergrund) und dahinter Vertreter des Landratsamtes Günzburg (Beklagtenseite).

    Es war am Dienstag keine Verhandlung wie jede andere vor dem Verwaltungsgericht Augsburg: Die erste Kammer, unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Nikolaus Müller, nahm an Tischen im Saal und nicht am Richtertisch Platz – der hätte für die nötigen Abstände der drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen

    „Dreh- und Angelpunkt“, wie der Vorsitzende Richter während der mündlichen Verhandlung formulierte, sei die Zuverlässigkeit des Apothekers. Die hielt das Landratsamt Günzburg nach der Durchsuchung der Geschäfts- und Privaträume des Mannes am 18. Juli des vergangenen Jahres nicht mehr für gegeben. Neben Vertretern des

    Der Apotheker war nicht persönlich vor Gericht erschienen

    Das Augsburger Verwaltungsgericht bestätigte nun die Haltung der Aufsichtsbehörde im Hauptsacheverfahren und wies die Klage des Apothekers ab. Der war nicht persönlich erschienen (was er auch nicht muss, außer das Gericht ordnet es an), sondern ließ sich durch die Rechtsanwälte Christoph Mayer und Stephan Kiening (beide Augsburg) vertreten. Bereits im November 2019 war der Apotheker mit einem Eilantrag, der sich gegen den Widerruf der Betriebserlaubnis richtete, vor dem Verwaltungsgericht gescheitert.

    Seine Anwälte wollten nun erreichen, dass das Verwaltungsgerichtsverfahren so lange ausgesetzt wird, bis das Strafverfahren gegen den Apotheker zu einem Abschluss gekommen ist. Bislang ist in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, welches die Staatsanwaltschaft Memmingen betreibt, und inzwischen eineinhalb Jahre andauert, noch nicht entschieden, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Dem Geschäftsmann wird vorgehalten, Fertigarzneimittel, ohne eine entsprechende Zulassung/Genehmigung in den Verkehr gebracht zu haben, wie der Memminger Staatsanwalt Sebastian Murer auf Nachfrage erläuterte.

    Der Vorsitzende Richter des Augsburger Verwaltungsgerichts sah keine Veranlassung, so lange zu warten. Die anhängige Klage sei entscheidungsreif, befand er.

    Der Präsident des Verwaltungsgerichts Augsburg, Dr. Nikolaus Müller.
    Der Präsident des Verwaltungsgerichts Augsburg, Dr. Nikolaus Müller. Foto: Till Hofmann

    Die Betäubungsmittel waren "frei zugänglich"

    In der Augsburger Verhandlung am Dienstag ging es darum, ob der Apotheker, dem die Kunden ein großes Vertrauen entgegengebracht hätten, dieses auch gerechtfertigt habe. In den privaten Kellerräumen nahmen Vertreter der Fachbehörden im Juli 2019 bei einer Durchsuchung einen „äußerst unangenehmen süßlich beißenden Geruch wahr“, wie Verwaltungsrichter Miller gegenüber den Verfahrensbeteiligten ausführte. Die Räumlichkeiten seien mit einer klebrig braun-schwarzen Schicht überzogen gewesen. Ein Bauernschrank im Kellerflur verstellte den Zugang zu diesen Räumen – damit die Kinder des Apothekers keinen Zugang haben, wie Anwalt Mayer bemerkte. Über den Abgang in einer Garage konnte man aber ungehindert genau in diesen Teil des Kellers gelangen, reagierte Richter Miller auf den Einwand. Dort deponierte Betäubungsmittel seien „frei zugänglich“ gewesen.

    Die Anwälte des Klägers halten den Widerruf der Betriebserlaubnis für unverhältnismäßig. Schließlich habe es in der Apotheke selbst ordentlich ausgesehen. Es werde mit Unterstellungen gearbeitet, die nicht nachgewiesen seien – etwa dass im Keller des Privathauses Arzneimittel hergestellt worden sein sollen. Die Staubschicht auf den Geräten überall lasse diesen Schluss nicht zu. „Das erfordert Nachermittlungen“, sagte Christoph Mayer, der nicht gehört habe, dass durch die produzierten Präparate „Procain“ und „Roter Reisschalenextrakt“ irgendjemand zu Schaden gekommen sei.

    Eine gesundheitsgefährdende Empfehlung

    Das Landesamt für Lebensmittelsicherheit hatte die sichergestellten Produkte untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass in dem einen Fall (Roter Reisschalenextrakt) der enthaltene Wirkstoff Lovastatin als wirksamer Bestandteil gar nicht deklariert worden ist. Mit der Einnahme seien jedoch Gesundheitsrisiken verbunden. Und im anderen Fall (Procain) war die Wirkstoffmenge von Procain-HCI mehr als doppelt so hoch wie auf dem Etikett angegeben. Die Empfehlung, drei Kapseln pro Tag einzunehmen, sei daher gesundheitsgefährdend und bedenklich.

    Die Anwälte argumentierten, dass hier die Reputation und berufliche Existenz eines Mannes zerstört werde. Für Mayer hat das mit „Fair Play“ nichts mehr zu tun. Auf das Ehepaar – auch die Frau des Klägers ist als Apothekerin tätig – „wird in dem überschaubaren Dorf mit dem nackten Finger gezeigt“, ergänzte Kiening. Oliver Preußner entgegnete, dass sich das Günzburger Landratamt nach langer Abwägung dazu entschlossen habe, die Betriebserlaubnis des Apothekers zu widerrufen, weil die Zuverlässigkeit des Mannes, eine Apotheke zu führen, nicht gewährleistet sei. Das alleine zähle. Preußner, bis März Bürgermeister der Gemeinde Bibertal, ist am Landratsamt inzwischen Fachbereichsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung.

    Im Vordergrund sind die Bevollmächtigten des erfolglosen Klägers zu sehen, dahinter Vertreter des Landratsamtes Günzburg (Beklagtenseite).
    Im Vordergrund sind die Bevollmächtigten des erfolglosen Klägers zu sehen, dahinter Vertreter des Landratsamtes Günzburg (Beklagtenseite). Foto: Till Hofmann

    Was bedeutet das Urteil nun für den Apotheker aus Jettingen?

    Es gehe noch nicht einmal um eine „Gesamtabwägung“ der Umstände und darum, Positives und Negatives aufzurechnen, machte Verwaltungsgerichtspräsident Nikolaus Müller deutlich. „Das Apothekengesetz ist streng – und das aus gutem Grund.“ Da reiche ein „singuläres Ereignis“ aus, das die persönliche Zuverlässigkeit des Apothekers infrage stellen könne.

    Was bedeutet das Verwaltungsgerichtsurteil nun für die Approbation des Mannes aus Jettingen? Diese Frage beantwortet die Regierung von Oberbayern. Sie ist die Behörde im Freistaat, die für die Berufsaufsicht über Angehörige des Apothekenberufes zuständig ist. Bei der Prüfung eines Widerrufs oder eines Ruhens der Approbation wird die Bezirksregierung demnach von Amts wegen tätig, wenn sich Zweifel an der Würdigkeit oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufes ergeben.

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

    Es könne allerdings nicht automatisch daraus geschlossen werden, dass bei einem Widerruf der Betriebserlaubnis – wie nun gerichtlich bestätigt – auch die Approbation zwingend zu widerrufen ist, „auch wenn sich Überschneidungen bei der Beurteilung des Verhaltens des Apothekers ergeben“. „Wir werden über den Fortgang des strafrechtlichen Verfahrens auf dem Laufenden gehalten. Zudem werden wir mit Eingang des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg prüfen, ob sich daraus ausreichend Anhaltspunkte für die Einleitung eines Verfahrens auf Widerruf auch der Approbation ergeben“, teilte die Sprecherin der Regierung von Oberbayern am Dienstag auf Anfrage mit.

    Das Augsburger Verwaltungsgerichtsurteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger hat einen Monat nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Zeit (und das dauert noch ein bis zwei Wochen), die Zulassung auf Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beantragen. Ob das die Anwälte des Apothekers machen werden, wollten sie am Dienstag nicht sagen.

    Lesen Sie dazu den Kommentar von Till Hofmann:

    Die Last der Verantwortung

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