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Jettingen-Scheppach: Apotheken-Schließung: Landratsamt räumt letzte Frist ein

Jettingen-Scheppach

Apotheken-Schließung: Landratsamt räumt letzte Frist ein

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    Keinen Erfolg vor Gericht erzielte der Apotheker der Jettinger St.-Martins-Apotheke..
    Keinen Erfolg vor Gericht erzielte der Apotheker der Jettinger St.-Martins-Apotheke.. Foto: Bernhard Weizenegger

    Der Apotheker der St.-Martins-Apotheke in Jettingen hat erfolglos versucht, juristisch dagegen vorzugehen, dass er seine Apotheke schließen muss. Das hatte das Landratsamt Günzburg als Aufsichtsbehörde angeordnet, weil sie den Pharmazeuten als unzuverlässig einstuft. Seinen Eilantrag gegen den Widerruf der Betriebserlaubnis für die

    "Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet"

    Erstmals sind die Vorwürfe, die das Landratsamt, das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), die Kriminalpolizei Neu-Ulm und die Staatsanwaltschaft Memmingen erhoben hatten, vom Gericht präzisiert worden. Danach sind im nicht zur Apotheke gehörenden Keller des Privathauses des Apothekers nach Überzeugung des Gerichts unter „hygienisch untragbaren Zuständen Arzneimittel hergestellt und in Verkehr gebracht“ worden. In der Pressemitteilung führte das Verwaltungsgericht explizit Staub, Schmutz und beißenden Geruch auf. Allein deshalb sind die Produkte nach den Worten von Gerichtssprecher Wolfgang Miller „nicht für den menschlichen Verzehr geeignet“ gewesen.

    Während der Dursuchung auch von Privaträumen waren am 18. Juli von Kripobeamten sowie Vertretern des LGL und des Günzburger Landratsamtes unter anderem eine Kapselfüllmaschine, ein Kompressor, eine Waage, ein Stößel, ein Sieb, Dunstabzüge, eine erhebliche Menge an Gelatine-Leerkapseln, Ausgangs- und Rohstoffe in großem Umfang gefunden worden. Außerdem lagen einzelne Kapseln auf dem Boden verstreut und auf einer Werkbank.

    "Gesamtumstände" passen nicht zur Darstellung des Apothekers

    Der Apotheker hatte stets bestritten, im Keller des Privathauses die Arzneimittel produziert zu haben. Er habe dort, zitiert ihn der Gerichtssprecher auf Nachfrage, Geräte aus einer früheren Apotheke und Präparate zwischengelagert, die entsorgt werden sollten. Allerdings waren beispielsweise bereits etikettierte Arzneimittel mit einem Herstellungsdatum versehen, das zwei Tage vor der Razzia Mitte Juli lag. Aufgrund der „Gesamtumstände“ hat das Verwaltungsgericht der Darstellung des Apothekers keinen Glauben geschenkt.

    Nicht nur wegen der Herstellungsbedingungen, sondern auch aufgrund des Inhalts und der Zusammensetzung der beiden Präparate „Procain“ und „Roter Reisschalenextrakt“ hat der Jettinger Apotheker nach Auffassung des Gerichts „bedenkliche Arzneimittel“ in Umlauf gebracht. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat die beiden sichergestellten Produkte untersucht und ist zum Ergebnis gekommen, dass der „Rote Reisschalenextrakt“ den Wirkstoff Lovastatin enthält. Dieser sei nicht als wirksamer Bestandteil deklariert worden. Mit dessen Einnahme seien jedoch Gesundheitsrisiken verbunden.

    Es geht auch um die Wirkstoffmenge

    Beim ebenfalls in der St.-Martins-Apotheke sichergestellten Produkt „Procain“ geht es um die Wirkstoffmenge. Nach dem Untersuchungsbefund des LGL hat jede Kapsel im Durchschnitt einen Gehalt von 451,7 Milligramm Procain-HCI enthalten. Auf dem Etikett sei jedoch weniger als die Hälfte (200 Milligramm Procain-HCI) ausgewiesen worden. Die empfohlene Tagesdosis (drei Kapseln) sei gesundheitsgefährdend und bedenklich.

    Dazu kommt, dass den Anwendern die hohe Dosis gar nicht bewusst gewesen sei. Die Landesbehörde gab außerdem an, dass die mit der oralen Einnahme von Procain verbundenen Risiken und Nebenwirkungen kaum abzuschätzen sind, weil klinische Studien dazu fehlen. Es fänden sich „Nebenwirkungen wie Blasenbildung der Schleimhäute, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen bis hin zu einem schweren allergischen Schock“.

    Eine Beschwerde gegen den Beschluss ist möglich

    Eigentlich müsste der Apotheker nach dem Bescheid des Landratsamtes (zugestellt am 25. September) seine Apotheke sofort schließen. Denn damals hatte die Behörde dem Geschäftsmann sechs Wochen Zeit dafür eingeräumt. Eine Klage gegen diesen Widerruf der Betriebserlaubnis ist im Hauptsacheverfahren nach wie vor anhängig.

    Mit dem Eilantrag wollte der Apotheker den Sofortvollzug jedoch durch das Gericht außer Kraft setzen lassen. Das ist misslungen. Jetzt hat er noch die Möglichkeit, gegen den Beschluss des Gerichts binnen zwei Wochen Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzulegen.

    Verwaltungsgerichtshof weiß von nichts

    Ob davon Gebrauch gemacht wird, war dem Verwaltungsgerichtshof am Donnerstag nicht bekannt. Und der Anwalt des Apothekers nahm trotz telefonischer Anfrage unserer Zeitung keine Stellung dazu. Das Günzburger Landratsamt will eine Kulanzzeit von 14 Tagen einräumen – auch um abzuwarten, ob vom Rechtsmittel der Beschwerde Gebrauch gemacht wird. Wie sich ein mögliches Beschwerdeverfahren auf die Schließung der Apotheke auswirkt, entscheidet dann entweder der 20. oder der 22. Senat der obersten Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern. (mit zg)

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