Über die Biberfallen am Hopfenweiher ärgert sich Luis Carmagnani schon lange. Wann immer der zehnjährige Jettinger auf seinem Schulweg eine bemerkte, ließ er sie zuschnappen, um die hier heimischen Tiere vor einer denkbar kurzen und höchst unerquicklichen Zukunft zu bewahren. „Weil ich finde, die Biber dürfen nicht getötet werden. Das sind doch auch Lebewesen, die ihren Platz haben wollen“, erzählt der Bub.
Lebendfallen: Die halbe und die ganze Wahrheit
Getötet? Ist der Biber nicht europaweit streng geschützt? Behaupten bayerische Behörden nicht gebetsmühlenartig, sie würden geräumige Lebendfallen zum Einsammeln der Tiere verwenden und damit jede Form von Tierquälerei vermeiden? Das stimmt zwar dem Wortlaut nach und gegen eine Umsiedlung der Nager hätte Luis auch gar nichts einzuwenden, es ist aber nur die Hinführung zur Wahrheit. Was zartbesaitete Naturen schockieren mag: Das Leben des Bibers bewahrt dieser Vorgang nur in seltenen Fällen. Lediglich ein paar wenige in
Etwa 600 Biber im Landkreis Günzburg
Josef Schmid von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt bestätigt den Sachverhalt. Das System der Lebendfalle werde schlicht deshalb verwendet, weil sie – im Unterschied zu einem Jäger – rund um die Uhr funktioniert. Angesichts eines derzeitigen Bestandes von etwa 600 Bibern im Landkreis Günzburg gebe es jedoch weder einen Bedarf zur ortsnahen Wiederansiedlung noch gelte das Argument, die Tierart stehe unmittelbar vor dem Aussterben. Allerdings unterstreicht Schmid auch, dass das Einfangen von Bibern immer die Ultima Ratio darstellt. „Eine solche Genehmigung sprechen wir nie leichtfertig aus. Wir tun das erst, wenn andere Maßnahmen nicht ans Ziel führten und eine vom Biber verursachte Gefahr für Leib und Leben von Menschen besteht.“
Biber unterhöhlen den Damm und die Straße
Am Hopfenweiher in Jettingen sind bereits seit einigen Jahren Biber zuhause. Daraus resultieren für die Anrainer zwei potenziell kreuzgefährliche Problemgebiete, berichtet der für dieses Gebiet zuständige Biberberater des Landkreises, Alois Brunhuber aus Remshart. Er nennt konkret den Damm, der den Weiher zur Siedlung hin abgrenzt und die Straße, die von
![Die "Biber-Krieger" von Hopfenweiher in Jettingen: Lotta, Linus, Sebastian und Luis protestieren gegen die seit geraumer Zeit aufgestellte Falle für Biber. Die Tiere sollten lebend gefangen und dann weggebracht werden. Am 1. Februar hatte der mit kleinen Plakaten und bei der Gemeinde laut formulierter Protest Erfolg: Die Falle wurde abgebaut. Die "Biber-Krieger" von Hopfenweiher in Jettingen: Lotta, Linus, Sebastian und Luis protestieren gegen die seit geraumer Zeit aufgestellte Falle für Biber. Die Tiere sollten lebend gefangen und dann weggebracht werden. Am 1. Februar hatte der mit kleinen Plakaten und bei der Gemeinde laut formulierter Protest Erfolg: Die Falle wurde abgebaut.](https://images.mgpd.de/img/100085114/crop/c1_1-w100/2087372120/1915382293/biber-krieger-hopfenweiher-jettingen.jpg)
Kurzum: Die Marktgemeinde Jettingen-Scheppach erhielt eine (unverändert gültige) Fanggenehmigung. Brunhuber, der die Örtlichkeit aus eigener Anschauung gut kennt, unterstützt diese Ausnahmeerlaubnis nachhaltig mit den Worten: „Es ist vollkommen berechtigt, dass der Biber an dieser Stelle gefangen wird.“
Bub wird beim Sabotieren erwischt: "Das war mir immer egal"
Luis Carmagnani, der direkt am Teich wohnt, sieht das anders. Und so liefert er sich in der jüngeren Vergangenheit den immer gleichen Abtausch mit der Kommune. Wann immer ein Mitarbeiter des Bauhofs die Falle scharf stellt, sorgt Luis eigenhändig dafür, dass dem Biber nichts zustoßen kann. „Da bin ich auch schon oft erwischt worden. Aber das war mir immer egal.“
Überhaupt macht der Zehnjährige einen ebenso aufgeweckten wie selbstbewussten Eindruck, wenn es darum geht, sich für das Tierwohl zu engagieren. Später will er Landwirt werden, betont er, und seine Mutter Linda Carmagnani ergänzt mit liebevollem Blick auf ihren Sprössling: „Das sagt er schon, seit er reden kann.“ Sie attestiert Luis ein gutes Händchen und einen echten Bezug zu Tieren. Kein Wunder bei der Umgebung, wohnt die Familie doch auf dem Gelände des renommierten Reitstalls seines Vaters Josef Weishaupt.
Kinder malen Plakate und informieren Passanten
Irgendwann schwante dem Buben freilich, dass das Spiel „Falle auf – Falle zu“ allein letztlich nicht zielführend sein wird. Einige Schulfreunde hatte er inzwischen für seine Sache gewonnen und so starteten die Kinder die zweite Stufe des Projekts „Rettet den Biber“. Sie malten ein paar Plakate, stellten sich in den letzten Januar-Tagen 2021 auf die den Hopfenweiher flankierende Straße nach Ried und informierten so einen größeren Kreis von Menschen über ihr Engagement.
![Plakate wie dieses haben die Kinder gemalt. Sie sind derzeit am Straßenrand aufgereiht. Plakate wie dieses haben die Kinder gemalt. Sie sind derzeit am Straßenrand aufgereiht.](https://images.mgpd.de/img/101311337/crop/c1_1-w100/59546121/694649074/biber-krieger-hopfenweiher-jettingen.jpg)
Das zeigte augenscheinlich Wirkung. Am 1. Februar bauten Mitarbeiter der Gemeinde die aktuelle Biberfalle ab. „Weil sie eingesehen haben, dass wir da nicht locker lassen“, frohlockt Luis Carmagnani. Ein Triumph der Kinder, den der Bürgermeister der Marktgemeinde Jettingen-Scheppach einräumen muss. „Es hat keinen Sinn, die Falle stehen zu lassen, wenn die Jungs sie immer wieder auslösen“, sagt Bürgermeister Christoph Böhm.
An eine schnelle Rückkehr der Falle glaubt Luis nicht. Und falls er sich täuscht? „Wenn sie die Falle noch einmal her tun, müssen sie sich auf was gefasst machen.“ Dann, so lässt der Nachwuchs-Naturschützer durchblicken, rekrutiert er eben mehr Protestierende und malt größere Schilder.
Landkreis vermutet am Hopfenweiher zwei bis sechs Tiere
Zum mutigen Eintreten des Schülers für die Sache des Bibers gibt es natürlich auch einen differierenden Blickwinkel. Es beginnt bereits bei der Zahl der Tiere. Während die Familie Carmagnani konsequent von einem Tier spricht, betont Schmid: „Am Hopfenweiher ist mindestens mit einem Paar zu rechnen.“ Nach Kenntnis von Brunhuber wohnt hier sogar eine Familie mit vier bis sechs Tieren. Im März/April findet dabei stets ein Teilaustausch der Generationen statt, erläutert der Fachmann: Vor der Geburt des aktuellen Jahrgangs verjagt der Bibervater den inzwischen zweijährigen Nachwuchs. Diese Tiere müssen sich eine neue Heimat suchen – was so leicht gar nicht ist, wie Brunhuber betont. „Es gibt kaum noch Lebensräume, die nicht schon besetzt sind.“
Ist das Einfangen überhaupt eine Lösung?
Dieser Sachverhalt führt den Biberberater (der 69-Jährige ist im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit ein Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde) in Sachen Hopfenweiher zu einer skeptischen Zukunftseinschätzung. „Man muss sich bewusst sein: Wenn man den Biber dort wegfängt, kommt ein paar Monate später der nächste.“ Bürgermeister Böhm greift diesen Gedanken ebenfalls auf und argwöhnt: „Ich weiß nicht, ob das Fangen grundsätzlich eine Lösung ist.“
Landratsamt sieht Gefahr für Leib und Leben
Am Hopfenweiher in Jettingen allerdings, daran lässt Böhm keinen Zweifel, ist jedes einzelne Tier buchstäblich fehl am Platz. „Der Dammbereich wurde saniert, Gitter wurden eingebaut. Viel Geld wurde in die Hand genommen, um die anliegenden Gebäude zu schützen. Aber wenn wegen des Bibers etwas passiert, stehen wir trotzdem schlecht da.“ Auch Schmid tritt der Argumentation der Familie Carmagnani, sie könne keinerlei Beschädigungen erkennen, entgegen und sagt: „Wenn am Damm auch nur ein Rohrdurchlass dichtmacht, steht vermutlich mehr als ein Haus in Jettingen unter Wasser. Und weil der Weiher sehr nah an der Straße steht, kann da jederzeit schlagartig was passieren. Da muss der Mensch eingreifen, denn da besteht Gefahr für Leib und Leben.“
Die schönste Lösung wird ein Wunsch bleiben
Das Engagement des zehnjährigen Schülers für den Tierschutz wertschätzt Schmid ausdrücklich. In der Sache jedoch muss er ihm widersprechen. „Der Biber ist ein tolles Tier, er schafft Lebensräume. Leider ist die Lage in Jettingen nicht so weit gesichert, dass man sagen kann, der Biber kann dort gut leben. Das wäre für alle das Schönste.“
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