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Flüchtlinge: Iraker lebten sechs Monate im Kirchenasyl in Burgau

Flüchtlinge

Iraker lebten sechs Monate im Kirchenasyl in Burgau

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    Hier im Garten der Evangelischen Kirche in Burgau verbrachte die Familie aus dem Irak viel Zeit. Pfarrer Peter Gürth, Christl Baumgärtner und Mitglieder der Gemeinde halfen den sechs. Inzwischen leben sie an der Mühlstraße.
    Hier im Garten der Evangelischen Kirche in Burgau verbrachte die Familie aus dem Irak viel Zeit. Pfarrer Peter Gürth, Christl Baumgärtner und Mitglieder der Gemeinde halfen den sechs. Inzwischen leben sie an der Mühlstraße. Foto: Christian Kirstges

    Die Kinder gingen auf eine Privatschule, die Eltern hatten gute Berufe im Irak. Der Vater arbeitete als Journalist, unter anderem für einen kurdischen Sender, und nebenher als Lehrer. Die Mutter unterrichtete ebenfalls. Doch am 17. Juli vergangenen Jahres sahen die beiden keine andere Möglichkeit mehr, als zusammen mit ihren beiden Töchtern und den Zwillingssöhnen ihre Heimat zu verlassen. Bakhtyar Mahmood Hama hatte zu oft kritisch über Probleme im Land berichtet, etwa dass sich bestimmte Leute die Einnahmen aus Ölgeschäften in die eigene Tasche gesteckt hätten, statt die Bevölkerung daran teilhaben zu lassen.

    Zwei Mal sei er im Gefängnis gewesen, wo er gefoltert worden sei, beim dritten „Aufenthalt“ hätte ihn wohl dasselbe Schicksal ereilt wie drei Kollegen. Sie waren verschwunden und wurden später tot gefunden, erzählt er. Freunde bei der Polizei warnten den Journalisten, dass auch ihm das bevorstehe. Die Familie habe Drohbriefe bekommen, ihr Auto sei in Flammen aufgegangen und sie sei Repressalien ausgesetzt gewesen. Also machte sie sich auf einen Weg, der in Burgau vorerst endete.

    In Rumänien wurden sie als Flüchtlinge registriert

    Zunächst gingen die sechs in die Türkei, wo Bakhtyar Mahmood Hama über die dortigen Verhältnisse berichten wollte. Sie hatten den Plan, dort so lange zu bleiben, bis im Irak keine unmittelbare Gefahr mehr bestanden hätte. Parallel baten sie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International um Hilfe, was jedoch vergeblich gewesen sei. Die Heimat endgültig zu verlassen, sei nach zwei Monaten deshalb die einzige Möglichkeit gewesen, die ihnen blieb.

    Mit einem Schiff ging es, so erzählt er, über das Schwarze Meer, zunächst war in Rumänien Endstation. Nach der Registrierung als Flüchtlinge seien sie für zwei Monate in ein geschlossenes Lager gekommen, wo es keinen Dolmetscher gegeben habe. Sie hätten Dokumente unterschreiben müssen, ohne sie zu verstehen. In einer 20 Quadratmeter großen Zelle seien die Familienmitglieder untergebracht worden. Als andere Flüchtlinge im Lager erzählten, dass man in Deutschland sicher und frei sei, reifte in ihnen der Wunsch, auch selbst in die Bundesrepublik zu kommen.

    Sie durften nicht in Deutschland bleiben

    Weil das Lager saniert wurde, seien sie in ein offenes Gebäude verlegt worden und hätten einen Schleuser gefunden, der sie in einem Lastwagen in das gelobte Land brachte. Ohne Wasser und Essen hätten sie 30 Stunden dort zubringen müssen – die Zwillinge hatten Fieber –, bevor sie gewissermaßen aus dem Lkw geworfen wurden. Der Fahrer habe Angst gehabt, dass die Polizei kommt. Auf der Straße in dieser Winternacht hielten sie ein Auto an, dessen Fahrer rief die Polizei, die mit einem Notarzt in kurzer Zeit gekommen sei. Ohne es damals zu wissen, seien sie in der Aufnahmeeinrichtung Zirndorf bei Nürnberg gelandet.

    Nach zwei Monaten sei die Familie in den Landkreis Günzburg verlegt worden, knapp einen Monat blieben sie in Burtenbach. Ihnen wurde eröffnet, dass sie wegen ihrer Registrierung in Rumänien nicht in Deutschland bleiben dürfen, schließlich sieht das Dublin-III-Abkommen vor, dass Flüchtlinge in das Land zurückgeschickt werden, wo sie zum ersten Mal das Territorium der Europäischen Union betreten haben. „Wir hatten viel Angst vor der Abschiebung“, erzählt der Familienvater. Denn Menschen, mit denen sie in Zirndorf waren, hätten nach Rumänien zurückgehen müssen.

    Die Kinder gingen zur Schule, die Eltern blieben auf dem Gelände

    Weil Christl Baumgärtner sich in Burtenbach um Kinder in Flüchtlingsfamilien kümmert, wurde sie auf den Fall der Iraker aufmerksam und stellte den Kontakt zu Burgaus evangelischem Pfarrer Peter Gürth her. „Wir hatten andere Fälle, die wir ohne Kirchenasyl lösen konnten.“ Hier sei das nicht möglich gewesen. Deshalb wurde die Evangelische Landeskirche eingeschaltet, der Kirchenvorstand lud die Familie ein – und gewährte für sechs Monate

    Fortan lebten Bakhtyar Mahmood Hama, seine Frau Hawar Mohammed Ahmed – beide 1981 geboren –, die Töchter Diya Bakhtyar Mahmood, 14 Jahre alt, Dima Bakhtyar Mahmood, zwölf, und die Zwillinge Mohammed und Ahmed, bald drei Jahre alt, auf dem Grundstück der evangelischen Pfarrei. Die Kinder gingen und gehen weiter auf die Mittelschule – sie sprechen bereits gut Deutsch –, doch hätten sich die Eltern außerhalb des Geländes aufgehalten, hätte die Polizei „zugreifen“ können. Bei den Kindern alleine sei das nicht möglich.

    Der Pfarrer wurde angezeigt

    Informiert gewesen seien die Behörden ohnehin, sagt Gürth, sie hätten auch das Gelände betreten und die Familie abschieben können, wenngleich man dagegen protestiert hätte. Es habe auch die Aufforderung gegeben, die sechs auszuliefern, aber dem sei man nicht nachgekommen. „Aus einem kleinen Haus wurde für uns ein ganzes Land“, sagt Dima, zumindest für ein halbes Jahr hätten sie nicht mehr so viele Sorgen haben müssen. Der Pfarrer wurde wegen der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt angezeigt, erzählt er, aber die Ermittlungen seien eingestellt.

    Die Zeit vertrieben sich die Eltern mit Lesen und der Mithilfe im Pfarrhaus. Die muslimische Familie feierte auch das Pfarrfest mit und bekam von vielen aus der Gemeinde Hilfe. Die Mutter schrieb sogar ein Buch, in dem sie die Zeit in Rumänien beschreibt. Die sechs Monate sind inzwischen vorbei, das Asylverfahren läuft wieder und die Familie lebt jetzt in der Asylbewerberunterkunft an der Burgauer Mühlstraße.

    Die Familie will sich ein Leben in Deutschland aufbauen

    Wenngleich die Angehörigen im Irak sicher seien, so sei das für ihn und seine Familie angesichts der Vorgeschichte und seines Berufs nicht der Fall, sagt Bakhtyar Mahmood Hama. Er will sich mit seiner Frau und den Kindern in Deutschland eine Zukunft aufbauen, die Sprache lernen, arbeiten und sich anpassen. Hauptsache, sie müssen nicht wieder zurück. Die Töchter würden gerne Ärztin und Anwältin werden, die Frau in der Pflege arbeiten und für sich werde er auch etwas finden. Dass es unter den Deutschen auch böse Menschen gibt, könne er sich angesichts der Hilfe, die die Familie erfahren habe, gar nicht vorstellen.

    Dass sie die Republik verlassen muss, hält Gürth angesichts der Bedrohung für ausgeschlossen. „Der Irak ist kein sicheres Land.“ Baumgärtner pflichtet ihm bei. Nach Auskunft von Landratsamt, Regierung von Schwaben und der katholischen sowie evangelischen Kirche ist der Fall wohl der einzige von Kirchenasyl im Landkreis, der bekannt ist.

    Lesen Sie hier den Kommentar von Christian Kirstges zu diesem Thema.

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