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Interview: Mindeltalschulen: „Politik hat hier nichts verloren“

Interview

Mindeltalschulen: „Politik hat hier nichts verloren“

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    Thomas Schropp leitet seit August 2018 das Mindeltal-Gymnasium in Jettingen-Scheppach. Die Einrichtung besteht seit zehn Jahren. Das Jubiläum wird mit einem großen Fest am 21. Juli gefeiert.
    Thomas Schropp leitet seit August 2018 das Mindeltal-Gymnasium in Jettingen-Scheppach. Die Einrichtung besteht seit zehn Jahren. Das Jubiläum wird mit einem großen Fest am 21. Juli gefeiert. Foto: Heike Schreiber

    Sie sind seit 1. August 2018 Rektor des privaten Mindeltal-Gymnasiums in Jettingen-Scheppach. Wie ist Ihr erstes Jahr gelaufen?

    Schropp: Schulleiter zu sein ist anders, als nur zu unterrichten, aber es läuft gut. Ich bin sehr zufrieden. Die Schule ist schön, modern, sehr familiär. Wir haben derzeit an Realschule und Gymnasium 140 Schüler, die meisten kenne ich beim Namen. Wir sind wie eine Großfamilie. Es macht Spaß hier. Was mich besonders freut, ist, dass wir es geschafft haben, wieder mehr Anmeldungen zu bekommen. Bevor ich als Schulleiter angefangen habe, hatten wir elf Anmeldungen. Heuer sind es bereits 45. Der Putschversuch in der Türkei vor drei Jahren hat uns sehr geschadet. Danach sind die Anmeldezahlen zurückgegangen. Obwohl die

    Man muss wissen, dass die Einrichtung 2009 von türkischen Migranten unter dem Namen Vision Privatschulen gegründet wurde. Ihre Vorgängerin Monika Welz hatte bemängelt, dass die Schule in den ersten Jahren zu wenig Kommunikation nach außen betrieben hat und somit ein falsches Image entstanden ist. Die Rede war von Türken- oder Koranschule. Hat sich das Image denn verbessert?

    Schropp: Wir haben das Problem, dass selbst viele Einheimische unsere Schule überhaupt nicht zu kennen scheinen. Und das, obwohl wir Werbung machen, Flyer verteilen und Tage der offenen Tür anbieten. Trotzdem ist vielen nicht bewusst, dass es hier zwei weiterführende Schulen gibt, die staatlich genehmigt sind, in denen nach dem bayerischen Lehrplan unterrichtet wird. Einige scheinen nicht über den Tellerrand hinaus zu schauen oder haben im Hinterkopf: Das ist eine Schule mit Kindern mit Migrationshintergrund. Wir kämpfen leider immer noch mit Vorurteilen und gegen Windmühlen an. Mich würde auch interessieren, woher das kommt. Wer will, kann jederzeit unsere Schule anschauen, die Türen stehen offen.

    Die Kinder werden medienkompetent erzogen

    Welche Vorurteile gibt es denn noch?

    Schropp: Ich bekomme manchmal zu hören, dass wir eine Gülen-Schule seien (Anmerkung der Redaktion: Als Gülen-Bewegung wird eine religiöse und soziale Bewegung bezeichnet, die vom islamischen Geistlichen Fethullah Gülen geführt wird. In der Republik Türkei sind Gülen und seine Bewegung äußerst umstritten. Ministerpräsident Erdogan warf ihr mehrfach Umsturzversuche vor.) Als ich hier 2013 als Lehrer angefangen habe, wusste ich nicht einmal, wer Gülen ist. Wir sind überhaupt nicht politisch orientiert, Politik hat hier nichts verloren, außer im Sozialkunde-Unterricht. Die Kinder werden medienkompetent erzogen, um sich ihre eigene Meinung bilden zu können. Ein anderes Vorurteil hält sich hartnäckig, dass wir eine Koranschule seien. Es gibt hier keinen Koranunterricht, nur Ethik. Wer an Ramadan fasten möchte, kann das tun, aber eigenständig. Die Kinder sprechen alle gut deutsch, bis auf Flüchtlingskinder, die aber gesondert Deutschunterricht bekommen. Ich selbst beherrsche außer den Wörtern Baklava und Döner kein Türkisch. Das Kollegium, das aus 27 Lehrern besteht, ist deutsch.

    Welche Nationalität haben die Schüler?

    Schropp: Der Großteil hat einen türkischen Hintergrund. Aber die meisten der 140 Schülerinnen sind im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, für sie ist Deutsch die Muttersprache. Ich würde eher sagen, dass wir Multikulti sind, ein Teil der Mädchen, die unter der Woche im Internat leben, kommt sogar aus der Schweiz, Liechtenstein oder Österreich. Wir haben auch ein paar politische Flüchtlingskinder aus dem Irak und aus Syrien. Wir wollen allen eine Chance geben, auch wenn sie beispielsweise in Deutsch schlechtere Noten haben. Bei uns gibt es keine Übertrittsschwelle. Ich finde es wichtig, dass jeder einen Abschluss machen kann. Unsere Mädels haben gezeigt, dass es geht.

    Fünf Mädchen haben das Abitur gemacht und bestanden

    Sie meinen damit die fünf Mädchen, die heuer das Abitur gemacht haben?

    Schropp: Genau. Die fünf haben alle Migrationshintergrund, alle haben das Abitur bestanden und eine Schülerin hat sogar eine eins vor dem Komma. Leider sind die Abschlussklassen momentan etwas klein, sodass die staatliche Anerkennung am Gymnasium noch nicht vorliegt. Wir haben eine Kooperation mit dem Dossenberger-Gymnasium in Günzburg, wo die Schüler ihr Abitur machen.

    Thomas Schropp

    Das ist der neue Schulleiter des Mindeltal-Gymnasiums

    Thomas Schropp hat an der Universität Augsburg Englisch, Geschichte und Sozialkunde auf Lehramt für Gymnasium studiert.

    Nach dem Referendariat wechselte er 2013 an die Mindeltalschulen in Jettingen-Scheppach und übernahm zum 1. August 2018 deren Leitung.

    Schropp ist 41 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder. Er wohnt in Nettershausen, einem Ortsteil von Thannhausen.

    Ihre Schule besteht jetzt seit zehn Jahren. Wird das Jubiläum gefeiert?

    Schropp: Wir machen am 21. Juli von 11 bis 17 Uhr eine große Jubiläumsfeier mit anschließendem Sommerfest. Nach dem offiziellen Teil, bei dem auch ehemalige Schüler auftreten werden, sind unterschiedliche Aktivitäten der Lehrer und Schüler geplant, unter anderem eine Tanz- und Theateraufführung. Außerdem werden die verschiedenen Klassen auch verschiedene kulinarische Köstlichkeiten vorbereiten. Wir freuen uns über regen Besuch.

    Nur drei Kinder aus Burgau besuchen die Mindeltal-Schulen

    Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

    Schropp: Ich wünsche mir, dass wir mehr Zulauf aus der örtlichen Umgebung haben. Dass die Leute akzeptieren, dass wir eine ganz normale Schule sind. Ich finde es sehr schade, dass wir außer drei Kindern aus Burgau keine Schüler aus dem Landkreis haben. Das ist sehr wenig und daran arbeiten wir. Aber es ist nicht ganz einfach, da wir beispielsweise keine Flyer an Schulen verteilen dürfen. Das Schulamt sieht das nicht gerne. Ich verstehe das nicht so ganz, schließlich wollen wir keine Konkurrenz zu anderen Schulen sein, sondern eine Ergänzung. Wir leisten wertvolle Integrationsarbeit. Es würde mich freuen, wenn bei uns auch einmal die Rektoren anderer Schulen vorbeikommen und sich ein Bild von uns machen würden. Da könnten wichtige Vorurteile abgebaut werden.

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