Ein 14 Meter hoher massiver Komplex müsste eigentlich von Weitem auffallen. Tut er aber nicht. Zwischen all den anderen hochmodernen Firmengebäuden im neuen Leipheimer Gewerbegebiet Areal Pro geht der eher unscheinbare Hochbunker, das einzige noch komplett erhaltene und nicht umgenutzte Gebäude aus Militärzeiten, fast ein bisschen unter. Was ursprünglich sicher gewollt war. Bewusst war der Bunker auf dem Leipheimer Fliegerhorst in den Tarnfarben grün, braun und grau gebaut werden – um von dort aus möglichst unerkannt und gut geschützt Flugzeuge überwachen und Daten auswerten zu können.
Von außen wirkt der gewaltige Block ein bisschen unheimlich, düster, kalt. Wie es drinnen wohl aussieht? Die wenigen Fenster des Bürotrakts sind von innen mit dunkler Plastikfolie verhängt. Der Bunker selbst ist fensterlos. Die Zahl derer, die schon mal einen Blick hinter die meterdicken Mauern werfen konnte, hält sich in Grenzen. Die Zahl derer, die hier mal gearbeitet haben, liegt gar bei null. Denn der Bunker ist seit seiner Fertigstellung vor fast 25 Jahren nie genutzt worden. Eine kuriose Geschichte, die keinem bis ins letzte Detail bekannt ist.
Leipheims Kämmerer Egon Remmele, der für die Vermarktung des jetzigen Gewerbegebiets zuständig ist, weiß nur so viel: Geplant worden war der sogenannte SLAR-Bunker in Zeiten des Kalten Krieges, zur feindlichen Flugüberwachung. Also als Arbeits- und nicht als Schutzbunker, eine Krankenstation oder Schlafräume waren nicht eingeplant. In den 80er Jahren wurde mit dem Bau begonnen, Mauerfall und Wende kamen dazwischen, trotzdem wurde das Projekt fortgeführt und 1994 offiziell als fertig erklärt. Im selben Jahr endete auf dem Areal der militärische Flugbetrieb. Der Bunker – knapp 30 Meter lang und 38 Meter breit – steht bis heute und kam nie zum Einsatz. Remmele will gehört haben, dass 25 Millionen Mark im Spiel waren. Viel Geld in den Sand gesetzt? Laut Remmele war es sicher billiger, den Bau zu Ende zu bringen, als sich aus bestehenden Verträgen herauszukaufen. Außerdem sagt der Kämmerer: „Hätten wir auch nur einen Tag Krieg gehabt, hätte der mehr gekostet als das ganze Ding hier. Sind wir froh, dass wir den Bunker nie gebraucht haben.“
Erst am 31. Dezember 2008 wurden die Schlüssel abgegeben
Bis Ende 2008 durfte niemand dem Bunker zu nahe kommen, geschweige denn betreten. Der Bund hatte fest die Hand darauf. Erst am 31. Dezember desselben Jahres wurden die Schlüssel abgegeben, die militärische Nutzung endete. Ein Jahr später wurde der Zweckverband Interkommunales Gewerbegebiet Landkreis Günzburg ins Leben gerufen. Er übernahm damit sämtliche Gebäude auf dem ehemaligen Militärareal. Und schaffte es sogar, den Hochbunker an den Mann zu bringen. Für eine Summe im sechsstelligen Bereich, lässt Geschäftsführer Christian Zimmermann heraus. Das Konzept des Käufers sei gut gewesen, im Bunker sollten hochwertige Teile einer Firma gelagert werden, die Diamantwerkzeuge herstellt.
Der Käufer fing an, die Büros zu sanieren, irgendwann ging ihm wohl das Geld aus, er bezahlte nie vollständig. Es folgten eine Räumungsklage und schließlich im vergangenen Sommer die Räumung durch den Gerichtsvollzieher. Jetzt steht der Bunker wieder zum Verkauf. Gigantische 800 Quadratmeter Nutzfläche. „Wir wären froh, wenn wir ihn loshätten“, sagt Zimmermann, betont aber, dass für den Zweckverband nicht das Geld, sondern die Nutzung entscheidend sei. Eine gute Idee müsse her. Remmele schlägt im Scherz „Fort Knox im Kleinen“ vor.
So abwegig ist es gar nicht. Ein Blick ins Innere zeigt: Es ist ein Hochsicherheitstrakt, den keiner einfach stürmen könnte. Geschützt vor atomaren, biologischen und chemischen Angriffen, vollkommen autark, mit eigener Wasserversorgung und Belüftungsanlage. Die erste Türe, die die vorgelagerten kahlen Büros vom Bunker trennt, ist massiv, erinnert mit dem riesigen Griff irgendwie an ein Schott in einem U-Boot. Die Wände sind meterdick, aus Stahlbeton. Dahinter ist es stockdunkel – um Kosten zu sparen, wurde der Strom abgestellt. Ohne die tragbaren Scheinwerfer, die Zimmermann mitgebracht hat, würde der Besucher nichts sehen.
Auch im Hochsommer ist es hier kalt
Aber auch so bietet sich erst mal keine Offenbarung. Es ist eisig, auch wenn ein ausgeschalteter Raumtemperaturfühler 30 Grad anzeigt. Hier ist es auch im Hochsommer kalt. Es riecht modrig und muffig, der Raum ist vollkommen leer. Ins Staunen kommt der Besucher erst ein paar Türen weiter, denn da steht das „technische Herzstück“, wie es Zimmermann nennt: Lüftung und Heizung. Riesige Raumfilter, noch originalverpackt, mit dem Datumsaufdruck 1991, wurden überhaupt nie angeschlossen. Nicht nur ein Notstromaggregat wurde eingebaut, sondern gleich drei. Zurücknehmen wollte die Firma sie jetzt nicht mehr. Die Geräte seien schlichtweg zu alt. Remmele hätte eine bessere Idee: Aggregate einpacken und in einem bedürftigen Land zum Einsatz bringen. „Damit könnte man eine ganze Kleinstadt mit Strom versorgen“, erklärt Remmele.
22 Treppenstufen höher liegt der Raum 06. Hier hätte eine gewaltige Funkantenne thronen sollen, sie wurde aber nie installiert. Vorhanden ist der Scherenaufzug, mittels dem die Antenne ausgefahren werden sollte, am Dach hätte sich dann wie von Geisterhand eine Betonluke geöffnet. Einmal, als der Strom noch nicht abgeschaltet war, hat der Stadtkämmerer den Aufzug aktiviert. „War schon beeindruckend“, erzählt er und nickt anerkennend.
Nach weiteren 31 Stufen taucht im zweiten Stockwerk plötzlich eine Uhr auf. Die Zeiger sind auf exakt neun Uhr stehengeblieben – pünktlich zur „Nato-Pause“. Wer weiß, wie lange hier die Zeit noch still stehen wird.
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Zusatz vom 10. März 2017: Wolfgang Reichelsdorfer aus Günzburg schreibt unserer Zeitung: „Es ist richtig, dass der Bunker für seinen ursprünglichen Einsatzzweck als Datenübertragungsstation Süd für die Aufklärungsversion der Phantom nie verwendet wurde. Falsch ist aber, dass er nie genutzt wurde. Durch die aufwendige Ausstattung mit einer präzise arbeitenden Klimaanlage war es möglich, in diesem Bunker ein regionales Kalibrierlabor – eine Art Eichamt der Bundeswehr – für physikalische und elektronische Messgrößen und Messgeräte aller Art zu betreiben. Möglich war dies durch Eigeninitiative, Unterstützung durch Vorgesetzte und die vertrauensvolle und effiziente Unterstützung durch die Mitarbeiter der damaligen Standortverwaltung. Dieses regionale „KalLab“ betreute bis zur Aufgabe des Fliegerhorstes umliegende Einsatzverbände und die örtlichen Einheiten bei der Instandhaltung und Überwachung ihrer empfindlichen Messgeräte, angefangen beim einfachen Mikrometer bis zur komplexen Funk- und Radarausrüstung.“