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Handel- und Gastro-Serie (17): Friseur und Apotheke im Kreis Günzburg: Wenn die Nachfolger-Suche zum Problem wird

Handel- und Gastro-Serie (17)

Friseur und Apotheke im Kreis Günzburg: Wenn die Nachfolger-Suche zum Problem wird

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    Viele Friseursalons werden die Auswirkungen der Corona-Lockdowns wohl nicht überstehen, sagt die Innungsmeisterin.
    Viele Friseursalons werden die Auswirkungen der Corona-Lockdowns wohl nicht überstehen, sagt die Innungsmeisterin. Foto: Jens Carsten (Archiv)

    In dieser Serie stellen wir Betriebe aus den Bereichen Einzelhandel, Gastronomie/Hotellerie und Lebensmittelhandwerk aus dem Landkreis Günzburg vor, bei denen die Nachfolge gesichert ist. Zum Ortsbild gehört in vielen Städten und Gemeinden aber auch der Friseur und die Apotheke. Wie ist hier die Situation – gerade angesichts Corona und der finanziellen Folgen?

    Die Obermeisterin der Friseur-Innung Günzburg/Neu-Ulm, Barbara Ciannarelli, spricht von einer „ganz schlimmen“ Lage für viele in der Branche. Der erneute Lockdown habe viele hart getroffen, zumal es im Gegensatz zu anderen Bereichen kaum finanzielle Hilfen gebe. Zudem sei das Geschäft im November sehr schlecht gelaufen, nach Vorgaben der Berufsgenossenschaft habe man nicht einmal Kunden mit Heuschnupfen bedienen dürfen. Und dass man bereits Mitte Dezember wieder zusperren musste, habe das Weihnachtsgeschäft ruiniert. Sie rechnet damit, dass 20 Prozent der Friseurbetriebe nicht überleben werden. Im Landkreis

    Die Innungs-Obermeisterin sieht bei vielen Friseursalons keine Zukunft

    Problematisch sei die Lage besonders für die kleinen Salons. Da man nicht mehr jeden Platz belegen durfte, habe hier schlicht die Auslastung gefehlt. Größere Betriebe mit mehr Fläche hätten das besser ausgleichen können. Auch das Thema Ausbildung sei schwierig, die Zahlen der Interessierten seien hier sehr zurückgegangen, und die aktuelle Ausbildung sei auch kaum möglich. Der Aufschwung, den das Friseurhandwerk erfahren habe, sei durch die Pandemie zunichte gemacht worden. Die Spätfolgen seien noch nicht abzusehen, aber Ciannarelli geht davon aus, dass viele Betriebe keine Zukunft haben, gerade auch weil jetzt der Nachwuchs fehle.

    Der Ausbildungsstandort Günzburg sei auch gefährdet, womöglich müssten Azubis nach Höchstädt oder Augsburg in die Berufsschule gehen – dann werde vor allem im Kreis Neu-Ulm niemand mehr in diesem Handwerk ausbilden. Und wenn angesichts von Corona junge Leute in einer anderen Branche, deren Perspektiven besser sind, etwas finden, kämen sie nicht zurück. Daher sehe sie bei vielen schwarz, was die Nachfolge angeht. Bei Barbershops sei die Situation anders, gerade was die Verdienststruktur und somit das Personal angeht. „Sie werden eine Zukunft haben, da passiert nicht viel.“ Ciannarelli hat kein Verständnis dafür, dass Friseurbetriebe schließen mussten, man habe die strengen Auflagen befolgt – und niemand habe solch umfassende Regeln auferlegt bekommen. Wenn man sich dann ansehe, wie sich die Leute etwa im Supermarkt drängten...

    Am Montag demonstrieren Friseure in Memmingen

    Problematisch sei auch, dass man bei der Soforthilfe beispielsweise Löhne und Krankenkassenkosten nicht einrechnen dürfe, man werde auch viel zurückzahlen müssen. Die Beratungsstellen seien mit dem Thema überfordert, in anderen Bundesländern seien die Regelungen wieder anders, zum Teil großzügiger. Man habe vor dem Lockdown versucht, mit Preiserhöhungen, der Öffnung am Montag und dem Arbeiten bis in den Abend hinein die Ausfälle zu kompensieren, aber gesundheitlich sei die Mehrarbeit sehr anstrengend gewesen. Und nicht alle Kunden hätten Verständnis für die Notwendigkeit, die Preise zu erhöhen, um zumindest zu versuchen, zu überleben.

    Barbara Ciannarelli ist die Innungs-Obermeisterin des Friseurhandwerks für die Kreise Günzburg und Neu-Ulm.
    Barbara Ciannarelli ist die Innungs-Obermeisterin des Friseurhandwerks für die Kreise Günzburg und Neu-Ulm. Foto: Alexander Kaya (Archiv)

    Sie selbst werde auf alle Fälle weitermachen, sie habe auch noch niemanden in Kurzarbeit geschickt und den Urlaub weiter gewährt. Jetzt müsse man sehen, wie es weitergeht. Wer sich künftig vielleicht doch traue und einen neuen Salon eröffnen wolle, werde in jedem Fall vor dem Problem stehen, dass Vermieter wegen Mietausfällen in der Branche skeptisch seien. So oder so werde sich nun „die Spreu vom Weizen trennen“. Die Obermeisterin hat nun gemeinsam mit ihrem Obermeisterkollegen aus Memmingen am Montag, 18. Januar, von 18 bis 19 Uhr eine schweigende Demonstration vor der Stadthalle in

    Auch Apotheken leiden unter dem Corona-Lockdown

    Wer glaubt, dass hingegen Apotheken gut durch die Corona-Zeit gekommen sind, täuscht sich. Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband sagt, dass die Umsätze vielerorts im ersten Lockdown um bis zu 25 Prozent eingebrochen seien. Nicht nur habe die Laufkundschaft gefehlt, sondern viele Leute hätten Arztbesuche aufgeschoben – und diese Rezepte hätten dann den Apotheken gefehlt. Aber es werde sich sicherlich eine Normalisierung einstellen, wenngleich man die Langzeitfolgen abwarten müsse. Zahlen auf Landkreisebene habe die Kammer zwar nicht, aber was Bayerisch-Schwaben angeht, gebe es generell immer weniger Apotheken, ein Trend in der ganzen Republik. Waren es demnach im vierten Quartal 2015 im Regierungsbezirk noch 422, so sank die Zahl im vierten Quartal vergangenen Jahres auf 390. Gleichzeitig stieg die – hier inbegriffene – Zahl der Filialen von 86 auf 97. Damit einhergehend gebe es auch weniger Inhaber.

    Diese Apotheke in Bibertal gibt es seit April 2016 nicht mehr, der Supermarkt nebenan wurde 2019 geschlossen.
    Diese Apotheke in Bibertal gibt es seit April 2016 nicht mehr, der Supermarkt nebenan wurde 2019 geschlossen. Foto: Sandra Kraus (Archiv)

    Wie Metz erklärt, habe das meist keine lokalspezifische Ursache, sondern übergreifende Rahmenbedingungen seien das Problem. So habe lange ein Ungleichgewicht zwischen der Präsenz- und der Versandapotheke im europäischen Ausland geherrscht, was nun aber behoben sei. Auch überlegten mehr Apotheker, ob sie sich selbstständig machen sollen oder angestellt sein wollen – es gebe inzwischen fast so viele von Frauen wie von Männern geführte Apotheken. Ein Problem gebe es auch, wenn im Ort die Arztpraxis schließt: Deren Rezepte fehlten.

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