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Gundremmingen: Scharfe Kritik am Atomkraftwerk

Gundremmingen

Scharfe Kritik am Atomkraftwerk

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    Das Atomkraftwerk Gundremmingen.
    Das Atomkraftwerk Gundremmingen. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    In einer Woche, in der Mängel an Brennelementen im Atomkraftwerk Gundremmingen (wir berichteten) sowie verstärkte Radioaktivität aus dem russischen Ural bekannt wurden, haben Kernkraftgegner aus der Region und Energiewendebefürworter schweres Geschütz aufgefahren. Mit Dieter Majer präsentierte die Bürgerinitiative Forum den ehemaligen Topaufsichtsbeamten über die Atomanlagen im Bundesumweltministerium. Im Landgasthof Sonne in Gundelfingen hatte der Diplom-Ingenieur nicht nur höchst finstere Einblicke in die deutsche Atombranche im Gepäck, sondern erwies sich auch als Kenner der abermals in die Schlagzeilen geratenen Anlage im Landkreis Günzburg.

    Kein Wunder, zumal der hochkarätige Experte einst ein Gutachten im Rahmen einer angestrebten Leistungserhöhung von Gundremmingen erstellt hatte, die später aber nicht durchgesetzt werden konnte. „Auch dank Ihrer Bemühungen“, unterstrich Majer, der den Zuhörern im vollen Saal wiederholt ein wirkungsvolles Engagement bescheinigte. „Ihre Aktivitäten sind enorm wichtig, die Behörden für die Sache zu sensibilisieren und dem hohen politischen Druck beim Umweltthema einen kräftigen Gegendruck entgegenzusetzen.“

    Während Senioren aus dem Energiesektor in einem Nebenraum lautstark feierten, blieb der Referent, der in seiner Laufbahn mehr als ein Dutzend Bundes- wie Landesumweltminister „überstanden“ hatte, sachlich und ruhig. Obwohl seine Vortragstour zu Themen von A wie Atomaufsicht bis Z wie Zwischenlager eher ein erschütterndes Bild zeichnete, setzte sich bei dem prominenten Redner immer wieder der Diplom-Ingenieur durch, der statt Polemik die technische Erklärung bevorzugte. So kamen Unglücke wie Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima genauso zur Sprache wie zahlreiche Zwischenfälle in den deutschen Reaktoren: „Ein Bürger mittleren Alters hat bis jetzt schon dreimal erlebt, was von den Kernkraftbetreibern zu Beginn der Nutzung absolut ausgeschlossen wurde: die Kernschmelze.“

    So darf man die Anlage nicht weiterbetreiben, findet der Ex-Aufseher

    Freilich hingen die begeisterten Besucher dem Fachmann besonders an den Lippen, als Majer einen kurzen, aber ausgiebigen Blick vor die Haustür wagte. Die jetzt beanstandeten Brennstabhüllen beim schon vom Konzept her störanfälligen Siedewasserreaktor an der Donau stellten eine wichtige Sicherheitsbarriere im Produktionsablauf dar. „Jetzt zu sagen, dass dies überhaupt keine Auswirkung habe, ist einfach nur abenteuerlich.“ So dürfe man eine Anlage nicht weiterbetreiben. „Die Begründung der Betreiber klingt so, als würde man ein Auto mit bekannt defekten Bremsen von Günzburg nach Hamburg fahren lassen und hinterher sagen, dass ja nicht gebremst werden musste.“ Anders als den betagten Saalnachbarn war Majer, der auch seine frühere Rolle selbstkritisch hinterfragen ließ, und dem Publikum angesichts der Atomenergiebilanz kaum zum Feiern zumute.

    Eher schon dem aufgrund des viel beachteten Referenten sichtlich zufriedenen Raimund Kamm. Der wiedergewählte Vorsitzende der Bürgerinitiative strahlte übers ganze Gesicht, als er eine kurz Bilanz aus mehr als 15 Jahren Forums-Aktivitäten zog: „Ich bin stolz auf uns, wir haben trotz großer Widerstände viel erreicht“, sagte Kamm. Der erfahrene Kämpfer für die „Wende“ freute sich, dass mit einem Anteil von fast 40 Prozent „der Strom immer grüner wird“ und diese Entwicklung trotz mancher Rückschläge nicht mehr aufgehalten werden könne. Der Wahlschwabe bat um an eine „kinder- und enkeltaugliche“ Zukunft und geht davon aus, dass „man auch noch in 500000 Jahren hier um Gundremmingen herum radioaktive Werte wird messen können.“

    SPD fordert wieder die sofortige Abschaltung der Anlage

    Neben den Grünen bekommt die Bürgerinitiative auch wieder Rückendeckung von den Sozialdemokraten im Bayerischen Landtag. SPD-Politiker Herbert Woerlein fordert erneut die sofortige Abschaltung des AKW Gundremmingen, Anlass sind die fehlerhaften Brennelemente. „Ich verstehe nicht, wie man so verantwortungslos mit der Sicherheit der Bevölkerung umgehen kann!“, kritisiert der Augsburger SPD-Abgeordnete. „Die Betreiber von Gundremmingen haben offensichtlich aus den Skandalen der letzten Jahre nichts gelernt und bleiben ihrem alten Muster treu: Verschweigen und mauern.“

    Woerlein, der in seiner Mitteilung wiederholt von Grundremmingen statt von Gundremmingen schreibt, erklärt: „In den letzten Jahren hatte es immer wieder Störfälle in dem AKW gegeben, die Bevölkerung wurde nur unzureichend und widerwillig informiert.“ Störfälle waren es allerdings nicht gewesen, sondern meldepflichtige Ereignisse. Der Politiker kündigte jedenfalls an, den Fall mit einer parlamentarischen Initiative erneut in den Bayerischen Landtag zu bringen. mit zg

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