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Gundremmingen: Kraftwerksbetreiber: Risikostudie soll Bürger verunsichern

Gundremmingen

Kraftwerksbetreiber: Risikostudie soll Bürger verunsichern

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    Eine neue Risikostudio zeigt gravierende Sicherheitsmängel im Kernkraftwerk Gundremmingen. Der Bericht, der heute an der Uni Augsburg vorgestellt wird, dürfte auch die Debatte um die geplante Leistungserhöhung beeinflussen.
    Eine neue Risikostudio zeigt gravierende Sicherheitsmängel im Kernkraftwerk Gundremmingen. Der Bericht, der heute an der Uni Augsburg vorgestellt wird, dürfte auch die Debatte um die geplante Leistungserhöhung beeinflussen. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivbild)

    Ist das Kernkraftwerk in Gundremmingen ein Sicherheitsrisiko? Laut einer neuen Studie weist die Anlage jedenfalls in zahlreichen Punkten von den Standards ab, die in Deutschland verbindlich sind. Autor Wolfgang Renneberg, Professor am Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien und bis 2009 Leiter der Atomaufsicht im Bundesumweltministerium, spricht von einer "großen Zahl offener Sicherheitsfragen und Risiken beim aktuellen Betrieb".

    Das ist das Atomkraftwerk Gundremmingen

    Die Anlage Gundremmingen zwischen Günzburg und Dillingen, die in dieser Form seit 1984 besteht, ist der leistungsstärkste Kernkraftwerksstandort in Deutschland. Die zwei Reaktoren erzeugen pro Jahr mehr als 20 Milliarden Kilowattstunden Strom. Dies entspricht rund einem Drittel des gesamten Verbrauchs in Bayern.

    Die Betreibergesellschaft der Anlage gehört zu 75 Prozent RWE und zu 25 Prozent Eon. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung 2011 sollen Block B im Jahr 2017 und Block C 2021 abgeschaltet werden.

    Das Zwischenlager in Gundremmingen ging im August 2006 in Betrieb. Die Halle liegt rund 150 Meter vom Reaktorgebäude entfernt und ist 104 Meter lang, 38 Meter breit und 18 Meter hoch. Die Wände aus Stahlbeton sind 85 Zentimeter dick. Die Halle verfügt über eine Kapazität von 192 Castoren. Ein Castor wiederum enthält 52 Brennelemente. Damit ist das schwäbische Zwischenlager das größte in Deutschland.

    Wie alle anderen Zwischenlager ist auch dieses für eine Betriebszeit von maximal 40 Jahren ausgerichtet. Das heißt, in Gundremmingen endet die Genehmigung 2046. Spätestens dann, so die ursprüngliche Planung, sollte ein Endlager in Deutschland zur Verfügung stehen.

    Die Kritiker befürchteten schon bei der Genehmigung des Zwischenlagers, dass es de facto zu einem Endlager werden könnte. Außerdem argumentierten sie, dass in jedem der Castoren mehr Radioaktivität enthalten sei, als bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 freigesetzt wurde.

    Gegen den Bau der Zwischenlager wurde bundesweit prozessiert. Im Fall von Gundremmingen reichten fünf Anwohner aus umliegenden Gemeinden Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Der VGH wies die Klage mit seinem Urteil vom 2. Januar 2006 ab.

    Die Studie wurde am Dienstagabend im Wissenschaftszentrum der Universität Augsburg (WZU) vorgestellt. In Auftrag gegeben wurde sie von der Bürgerinitiative "Forum Gemeinsam gegen das Zwischenlager". Renneberg hat dafür keine Sicherheitsüberprüfung in dem Kraftwerk vor Ort durchgeführt, sondern öffentlich zugängliche Dokumente zu der Anlage ausgewertet und interpretiert.

    Studie sieht Mängel am Notkühlsystem

    Als Beispiel für die Sicherheitsmängel nennt Renneberg das Brennelementlagerbecken oder die Notkühlsysteme, die aktuell nicht den Anforderungen im kerntechnischen Regelwerk von Bund und Ländern entsprächen. Nur zwei der Stränge des Systems hätten die nachgewiesene Qualität als Störfallsicherheitssystem – vorgeschrieben seien drei.

    Besonders problematisch sei jedoch der Reaktordruckbehälter, in dem sich die rund 71.000 Brennstäbe befinden. Messungen an einem Testbehälter hätten gezeigt, dass es im Bereich der Bodenschweißnaht zu hohen Spannungen, vor allem bei Störfällen, kommen kann.

    Risikostudie: Leistungserhöhung in Gundremmingen nicht machbar

    Die Studie dürfte auch Auswirkungen auf die Debatte um die geplante Leistungserhöhung im Kernkraftwerk Gundremmingen haben. "Der Antrag kann - so wie die Anlage derzeit dasteht - auf keinen Fall genehmigt werden", sagt Renneberg im Gespräch mit AZ Online.

    Das bayerische Umweltministerium habe die Auswirkungen der Änderungen durch die geplante Erhöhung auf betroffene Anlagenteile nicht nach dem nach heutigen Stand von Wissenschaft und Technik bewertet, meint Renneberg. Die insoweit erforderlichen Überprüfungen habe es in Gundremmingen nicht gegeben.

    Die vorgelegten Sicherheitsnachweise, insbesondere für die Störfallsicherheit, entsprächen ebenfalls nicht den heutigen Standards. Renneberg bemängelte dabei die Prüfmaßstäbe des zuständigen TÜV Süd und des bayerischen Umweltministeriums scharf.

    Wie berichtet, möchten die Betreiber die Leistung in den 30 Jahre alten Reaktoren um jeweils rund 160 Megawatt (thermisch) steigern. Atomkraft-Gegner hatten dem bayerischen Landtag daraufhin eine Petition mit mehr als 6700 Unterschriften überreicht. Auch in den Kreistagen in Dillingen und Heidenheim gab es heftigen Gegenwind für die Pläne zur Leistungserhöhung. Eine Entscheidung der zuständigen Behörden in Berlin und München steht derzeit noch aus.

    Akw-Betreiber reagieren mit Unverständnis

    Bei der Betreibergesellschaft stößt die Auftragsstudie indes auf Unverständnis: „Das Kernkraftwerk Gundremmingen verfügt über ein ausgewiesen hohes Sicherheitsniveau. Die Überprüfung der Reaktorsicherheitskommission und die Analysen im Rahmen des EU-Stresstests haben gezeigt, dass die beiden Blöcke große Sicherheitsreserven aufweisen“, sagt Sprecher Tobias Schmidt.

    Die Vorwürfe findet Schmidt nicht nachvollziehbar: „So soll offenbar versucht werden, die Bevölkerung mit Blick auf die beantragte Leistungserhöhung zu verunsichern.“

    Als damaliger Leiter der Atomaufsicht habe Renneberg zum Kernkraftwerk Gundremmingen keine sicherheitstechnischen Bedenken vorgetragen, sagt Schmidt und kritisiert weiter: „Zur jetzt veröffentlichten Studie hat er mit dem Betreiber keinen Kontakt gesucht und auch seine Erkenntnisse nicht erfragt. Diese Vorgehensweise ist zumindest irritierend.“

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