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Günzburg: Welche Hilfe für die Psyche es in Corona-Zeiten gibt

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Welche Hilfe für die Psyche es in Corona-Zeiten gibt

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    Dr. Rainer Wittek gehört zu den Psychotherapeuten in Schwaben, die Menschen helfen, die wegen Corona beispielsweise Angstzustände entwickeln.
    Dr. Rainer Wittek gehört zu den Psychotherapeuten in Schwaben, die Menschen helfen, die wegen Corona beispielsweise Angstzustände entwickeln. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die Pandemiesituation und die häusliche Isolation kann für viele Menschen eine große psychische Belastung darstellen. Mit einem unbürokratischen, psychotherapeutischen Unterstützungsangebot soll Betroffenen geholfen werden.

    Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat ein Unterstützungsangebot für Menschen gestartet, die sich durch die Corona-Situation oder eine Quarantäne psychisch belastet fühlen. Auslöser für diese Reaktion waren internationale Berichte über mehr häusliche Gewalt und ein vermehrtes Auftreten von Panik- und Depressionssymptomen. Deshalb hält der Vorstand der KVB ein solches Angebot für dringend notwendig.

    Bayernweit sind Hunderte von Psychotherapeuten einem Aufruf des KVB-Vorstands gefolgt und bieten Beratung und Hilfe per Videosprechstunde an. Allein in Schwaben beteiligen sich mehr als 70 Psychotherapeuten, psychotherapeutisch tätige Ärzte und Kinder- und Jugendpsychotherapeuten an dem Vorhaben.

    Jeder, der unter Angstzuständen leidet, kann sich melden

    Das Angebot richte sich an alle, die Bedarf haben, sagt Dr. Rainer Wittek, ein Psychotherapeut aus Günzburg, der sich bereit erklärt hat, mitzumachen. „Jeder, der in der aktuellen Situation unter Angstzuständen oder Ratlosigkeit leidet, kann sich melden.“ Die Kontaktaufnahme erfolge telefonisch.

    Die Hilfesuchenden können im Verzeichnis der Kassenärztlichen Vereinigung die Nummer herausfinden und sich beim Therapeuten melden. Dann werde in einem Erstgespräch geklärt, welche Therapiemethode sich für die jeweilige Person eigne.

    Wittek bietet tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Therapieverfahren an. Anhand des Erstgesprächs entscheide er, ob er oder seine Kollegin die Person selbst betreuen oder ob er den Patienten an einen anderen Therapeuten überweist. Dann werde ein Termin vereinbart – wenn notwendig für eine Sprechstunde über Telefon oder Videotelefonie, sonst betreut Wittek die Patienten aber auch weiterhin in seiner Praxis.

    Rainer Wittek betreut Patienten über Telefon oder in der Praxis

    Die Menschen, die sich aktuell an den Psychotherapeuten wenden, leiden häufig unter einer panischen Angst vor einer Infektion mit dem Virus. Einige davon haben ein überzogenes Verständnis der Gefahr. Aber auch Personen, die in der Isolation einen Lagerkoller bekommen, kämen zu ihm, sagt Wittek.

    Eine Personengruppe, die nun häufig von Angst betroffen ist, sind Menschen, die zuvor nie wirklich krank waren und die aktuelle Situation nun als extreme Bedrohung wahrnehmen, beobachtet der Fachmann. „Jemand, der immer gesund war, geht davon aus, dass das immer so bleiben muss“, erklärt er. In der Pandemiesituation werde diese Überzeugung erschüttert oder bricht in sich zusammen. Häufig übertrieben die Menschen die Isolation dann und gingen gar nicht mehr nach draußen, „nicht mal mehr auf den Balkon“, sagt Wittek.

    In Bezug auf die Isolation erlebt er, dass sie sehr unterschiedlich wahrgenommen werde. Alte Menschen können damit häufig besser umgehen, da sie eher daran gewöhnt sind. Schwierig sei es dagegen für junge Menschen, die häufig ausgehen und sich mit Freunden treffen. Er rät als Entlastung dazu, soziale Kontakte über Telefon und Videoanrufe aufrechtzuerhalten.

    Psychische Belastung für Menschen im mittleren Alter ist besonders groß

    Aber während junge Menschen, wie er sagt, kurz ausrasten und sich dann wieder fangen, ist die psychische Belastung für Menschen im mittleren Alter besonders groß. Personen dieser Altersgruppe seien stark in ihr Berufsleben eingebunden und fühlen sich, wenn das wegfällt, eher nutzlos und verloren als andere. Etwa ein Drittel der Menschen, die sich aufgrund der aktuellen Situation an Wittek wenden, seien bereits psychisch vorbelastet, schätzt er.

    Der Psychotherapeut hat sich für das Angebot gemeldet, da er es für notwendig hält und es besser sei, schnell einzugreifen, bevor einige Menschen gegebenenfalls Suizidgedanken entwickelten.

    Wittek findet die Nutzung von Videosprechstunden grundsätzlich effektiv. Es sei zwar eine gewisse Einschränkung, dass der persönliche Kontakt fehle, sonst funktioniere die Beratung aber genauso gut.

    Videosprechstunde bei der Therapie von Kindern hat Nachteile

    Kinder- und Jugendpsychotherapeut Thomas Baurmann aus Günzburg beteiligt sich ebenfalls am Unterstützungsangebot der KVB. Er betreut viele seiner regulären Patienten per Videosprechstunde. Vor allem bei der Therapie von Kindern habe die Videosprechstunde Nachteile, da kein persönlicher Kontakt besteht und er somit nicht mit den Kindern spielerisch etwas aufarbeiten könne. „Gefühle können nicht so leicht übertragen werden“, erklärt er. Die Methode erfordere viel Umstellungsfähigkeit und Frustrationstoleranz. Trotzdem ist Baurmann froh, dass es die Möglichkeit gibt, da es besser sei als keine Beratung.

    Betroffene finden die Liste von Ärzten und Psychotherapeuten inklusive deren Telefonnummern und angewendeten Therapieverfahren auf der Website der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns www.kvb.de in der Rubrik Service/Patienten/ Coronavirus. Aus Günzburg sind darauf gelistet: die psychologischen Psychotherapeuten Dr. Rainer Wittek und Dipl.-Psych. Daniela Rüland, die ärztliche Psychotherapeutin Dr. Ute Göttlich sowie die Kinder- und Jugend-psychotherapeuten Thomas Baurmann und Nicole Nagel. Die Kosten für das Angebot werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

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