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Günzburg: Rücksichtslose Fahrer auf der A8 hindern Helfer am Helfen

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Rücksichtslose Fahrer auf der A8 hindern Helfer am Helfen

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    Auf der A8 gab es am Dienstagabend einen schweren Unfall.
    Auf der A8 gab es am Dienstagabend einen schweren Unfall. Foto: Mario Obeser

    Werner Schedel, Leiter der Autobahnpolizei, versteht die Welt nicht mehr: Da passierte am Dienstagabend ein schrecklicher Unfall auf der A8 zwischen Günzburg und Leipheim (wir berichteten), eine Frau rang mit dem Tod, und die Verkehrsteilnehmer schafften es nicht, eine Rettungsgasse freizuhalten. Stattdessen wurde auch noch der Seitenstreifen für Überholmanöver genutzt – wo handfeste Streitigkeiten ausgetragen wurden. „Für so etwas gibt es keine vernünftige Erklärung“, sagt Schedel.

    Der Unfall war am späten Dienstagnachmittag um kurz nach 17 Uhr in Fahrtrichtung Stuttgart passiert. Nach neuesten Erkenntnissen der Polizei wechselte eine 72-jährige Autofahrerin vom linken auf den mittleren Fahrstreifen. Laut Zeugen soll sie zwar schnell gefahren, aber nicht gerast sein. Die Frau schätzte wohl die Geschwindigkeit von zwei hintereinanderfahrenden Motorradfahrerin falsch ein und prallte gegen das hintere der beiden Motorräder. Die 52 Jahre alte Fahrerin wurde von ihrem Zweirad geschleudert und kam auf der Fahrbahn zum Liegen. Da sie beim Sturz den Helm verlor, erlitt sie schwerste Kopfverletzungen und musste mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen werden. Werner Schedel zufolge schwebte die Frau auch am Mittwoch noch in Lebensgefahr.

    Das Tragische an dem Unfall: Ihr 53 Jahre alter Ehemann fuhr direkt vor ihr. Er bemerkte den Unfall erst, als ihn ein umherfliegendes Teil am Heck traf. Er erlitt leichte Verletzungen und einen Schock und wurde in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht. Die 72-jährige Unfallverursacherin, die ebenfalls ins Schleudern geriet, prallte mit ihrem Wagen gegen die Betonwand, das Auto überschlug sich mehrfach und kam auf dem Dach zum Liegen. Die Fahrerin kam schwer verletzt in ein Klinikum. Weiter wurden noch zwei nachfolgende Fahrzeuge durch herumfliegende Teile oder beim Überfahren von Trümmern beschädigt. Insgesamt entstand ein Schaden von geschätzten 35000 Euro.

    Es bildete sich ein langer Rückstau

    Schlimm war das Bild der Verwüstung, das sich den Rettungskräften bot und das sich über mehrere hundert Meter über sämtliche Fahrstreifen hinzog. Die Autobahn musste an dieser Stelle komplett gesperrt werden, und zwar über vier Stunden, so dass sich schnell ein langer Rückstau bildete. Die Autobahn war gar erst um 23.30 Uhr wieder ganz frei, da ein Gutachter eingeschaltet worden war, um die Spurenlage zu sichten und eine Unfallanalyse zu erstellen.

    Das große Problem des Staus: Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr kamen kaum zur Unfallstelle durch, da keine oder nur eine schmale Rettungsgasse vorhanden war. Warum dies nicht in den Köpfen der Autofahrer ankomme, versteht Schedel nicht. Obwohl doch ganz klar geregelt sei, dass bei drei Fahrspuren im Falle eines Staus zwischen der linken und mittleren Spur eine Gasse gelassen werden muss. Bei schweren Unfällen entschieden fünf oder zehn Minuten Verzögerung über Leben und Tod. „Wir betreiben seit Jahren Öffentlichkeitsarbeit, es gibt Flyer und Aufkleber zur Aktion Rettungsgasse. Und die Leute halten sich nicht daran.“ Der Leiter der Autobahnpolizei ist sauer, aber auch enttäuscht, hatte er sich doch von der ausgebauten A8 eine Verbesserung erhofft. „Bei drei Spuren und Standstreifen habe ich klar erwartet, dass wir weniger Probleme haben.“

    Handgreiflichkeiten zwischen Fahrern

    Doch das Ganze spitzte sich am Dienstagabend noch richtig zu: Als mehrere Fahrzeuge den Seitenstreifen benutzten, um schneller voranzukommen, wurde es einem 56 Jahre alten Lkw-Fahrer offenbar zu dumm, und er blockierte den Streifen mit seinem Fahrzeug. Wie die Polizei mitteilt, erboste diese Aktion einen Autofahrer derart, dass er sein Fahrzeug verließ, zum Lastwagen ging und sich mit dem Fahrer einen handgreiflichen Streit lieferte. Beide schlugen sich gegenseitig und erlitten sogar leichte Verletzungen. Der Lastwagenfahrer setzte einen Notruf ab, die Polizei fahndete anschließend nach dem handgreiflich gewordenen Autofahrer. Ein Polizeihubschrauber, der laut Werner Schedel zur Unterstützung der Unfallaufnahme Fotos aus der Luft gemacht hatte, entdeckte den flüchtigen Fahrer und landete auf einer nahen Freifläche. Die Besatzung konnte den Mann stoppen.

    Dass Autofahrer unter Termindruck im Stau mal den Seitenstreifen benutzen, obwohl dies ganz klar verboten ist, kann Schedel noch nachvollziehen. Auch, dass „die Emotionen mal hochkochen“. „Aber dass man sich herablässt und die Fäuste fliegen, ist absolut daneben. Wenige hundert Meter weiter leiden Menschen.“ Die Polizei sei nahezu machtlos, da sie sich mit allen verfügbaren Beamten um den Unfall kümmern müsse. Fahrer zu verwarnen, sei höchstens bei kleineren Karambolagen möglich und auch nur, wenn es die Personallage es hergebe.

    Nicht nur die Rettungskräfte hatten ihre Probleme, zum Unfallort durchzukommen. Erst recht durchkämpfen musste sich die Autobahnbetriebsgesellschaft Pansuevia mit ihren Räumfahrzeugen. „Die Armada an Blaulichtautos wird noch durchgelassen. Bis wir kommen, ist die Gasse längst wieder zu. Das ist eine ziemliche Erschwernis, und unnötige Zeit geht verloren, auch für den wartenden Verkehr“, sagt Pansuevia-Geschäftsführer Robert Schmidt.

    Pansuevia weist Kritik zurück

    Er könne nur immer wieder an die Vernunft appellieren, nicht die Spuren zu wechseln. Insbesondere Lastwagen sollten ihre Position beibehalten, um nicht alles zu blockieren. Gegen Fahrer, die den Seitenstreifen zum Überholen nutzten, sollte in Schmidts Augen härter vorgegangen werden. „Das ist eine ganz klare Behinderung von Sicherheitskräften.“

    Die Kritik, dass Pansuevia ihre Ausleitschilder zu spät positioniert habe und die Autofahrer keine Chance mehr zum Umfahren des Staus hatten, will der Geschäftsführer so nicht stehen lassen. Die Entscheidung, wo der Verkehr auf den Stau aufmerksam gemacht werden soll, müsse sehr früh getroffen werden. Man müsse abschätzen, wie sich der Stau entwickeln könnte.

    Zu weit entfernt vom Unfallort dürften die Hinweisschilder nicht aufgebaut werden, da sie sonst nicht ernst genommen würden. Wenn der Zug, bestehend aus mehreren sogenannten Verkehrsleitanhängern einmal positioniert sei, könnte er nicht mehr nach hinten verschoben werden. „Wir können ja nicht rückwärtsfahren. Man müsste alles komplett neu aufstellen, das würde viel zu viel Zeit kosten“, erklärt Schmidt. Außerdem seien am Dienstag durch einen weiteren Einsatz bei Adelsried alle Kräfte gebunden gewesen.

    Einen Artikel zur Diskussion um ein Tempolimit auf der A8 lesen Sie hier.

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