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Günzburg: Richter Henle: „Selbstjustiz nehmen wir nicht hin“

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Richter Henle: „Selbstjustiz nehmen wir nicht hin“

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    Zwei Brüder haben auf einen am Boden Liegenden eingetreten.
    Zwei Brüder haben auf einen am Boden Liegenden eingetreten. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Die Tat an sich hatten die beiden Brüder bereits am ersten Verhandlungstag eingeräumt. Am Donnerstag ist es nun darum gegangen, wie schwer ihr Opfer tatsächlich verletzt worden war. Beim Auftakt des Prozesses vor gut einem Monat war der Mann auf Heimaturlaub in Rumänien gewesen (wir berichteten), jetzt schilderte er den Vorfall als Zeuge. Und identifizierte die beiden Landsmänner auf der Anklagebank als diejenigen, die ihn am 22. Juli vergangenen Jahres (nicht wie ursprünglich berichtet im September) noch getreten hatten, als er bereits am Boden lag.

    Begonnen hatte alles in der Total-Tankstelle des Autohofs in Günzburg nahe der A8. Dort zockten zwei Freunde wie so oft an einem Glücksspielautomaten. Dann kam eine Gruppe von fünf Männern – unter ihnen das spätere Opfer und ein sichtlich betrunkener Mann – dazu. Dieser soll die Männer am Automaten, seine Landsleute, als „Zigeuner“ beschimpft haben. Deshalb rief einer seinen Onkel an.

    Die fünf Männer fuhren wieder gemeinsam in einem Auto weg. Doch dann fuhr ein Oberklassewagen vor, in dem sich der Angerufene befand. Er versperrte den fünf Männern den Weg. Die zur Tatzeit 18 und 20 Jahre alten Angeklagten sprachen davon, dass das, was folgte, Notwehr gewesen sei. Doch das heute 26 Jahre alte Opfer schilderte das anders.

    Der Fahrer öffnete arglos das Fenster und wurde geschlagen

    Der Kraftfahrer aus Rumänien, der in Günzburg wohnt, erklärte Richter Walter Henle und der Staatsanwältin, dass er mit vier Freunden in der Tankstelle gewesen sei. Ein Freund habe zu einem Mann etwas gesagt, plötzlich seien 14 oder 15 Leute dazugekommen. Er sei mit den Begleitern weggefahren, doch an einer Kreuzung nicht weit entfernt hätten zwei Fahrzeuge den Wagen blockiert. Alle Insassen der beiden Autos seien ausgestiegen und zum Fahrer gegangen, der gar nicht in der Tankstelle gewesen sei. Dieser habe arglos das Fenster geöffnet und einen Faustschlag erhalten.

    Die Leute seien aggressiv gewesen und er selbst habe versucht, zu deeskalieren, doch dann sei die Menge auf ihn losgegangen. Er sei zu Boden gefallen, man habe ihm gegen den Kopf getreten, zwei Zähne seien abgebrochen. Seine Begleiter seien weggefahren, er ging zu Fuß weiter. Er gab zu, zunächst beim Aussteigen getreten zu haben, getroffen habe er jedoch niemanden. Außer den abgebrochenen Zähnen erlitt er laut dem ärztlichen Bericht des Krankenhauses, den der Richter verlas, unter anderem Abschürfungen im Gesicht. Vom Schädel-Hirn-Trauma war dort im Gegensatz zum ersten Verhandlungstag keine Rede.

    Die Brüder nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an

    Einer der beiden Brüder hat zwei Vorstrafen wegen Diebstahls und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die Staatsanwältin betonte, dass im Gegensatz zur Schilderung der Angeklagten keine Notwehrsituation bestanden habe, weil die ursprüngliche Situation in der Tankstelle längst vorbei war. Positiv wertete sie, dass die Brüder bereits am ersten Prozesstag gestanden hatten, doch sie vermisste nun eine Entschuldigung bei ihrem Opfer. Angesichts dessen, dass der Mann bereits am Boden gelegen hatte, als sie auf seinen Kopf eintraten – „da hätte noch viel mehr passieren können“–, und dass das Auto gestoppt worden war, plädierte sie für beide auf eine Haftstrafe von jeweils einem Jahr auf Bewährung. Außerdem sollen sie Wohnsitzwechsel melden und Schmerzensgeld zahlen.

    Richter Henle schloss sich der Staatsanwältin bei der Dauer der Bewährung und den Auflagen an. Jedoch sollten die Betroffenen selbst Schmerzensgeld einklagen, da wohl eine rassistische Beleidigung vorausgegangen sei. Einer der beiden Brüder muss 500 Euro an den Kinderschutzbund zahlen, der besser verdienende zweite 1500 Euro an die Katholische Jugendfürsorge. Henle bläute ihnen ein: Selbstjustiz „nehmen wir nicht hin“ in Deutschland. Die Brüder äußerten sich nicht mehr – sie hatten nur einen Dolmetscher an ihrer Seite, sie verteidigten sich selbst –, nahmen aber wie auch die Staatsanwältin das Urteil noch im Gerichtssaal an. (mit pwehr)

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