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Günzburg: Offen nach Corona-Schließung: So lief der erste Tag für Friseure und Barber in Günzburg

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Offen nach Corona-Schließung: So lief der erste Tag für Friseure und Barber in Günzburg

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    Am Montag, 1. März 2021, dürfen in Bayern die Friseure wieder öffnen.  Im Herrensalon "Günzburger Barbershop" an der Hofgasse lässt sich Kunde Remzi Kültür vom Chef Oktay Akkaya persönlich die Haare und den Bart schneiden.
    Am Montag, 1. März 2021, dürfen in Bayern die Friseure wieder öffnen. Im Herrensalon "Günzburger Barbershop" an der Hofgasse lässt sich Kunde Remzi Kültür vom Chef Oktay Akkaya persönlich die Haare und den Bart schneiden. Foto: Bernhard Weizenegger

    Behutsam fährt Oktay Akkaya seinem Kunden Remzi Kültür mit dem Rasierer über den blonden Nacken. Im Hintergrund wuselt Mavish, die saloneigene schwarze Old English Bulldogge, herum. Das Telefon klingelt, Mitinhaberin Melissa Ünal nimmt im Hintergrund ab: der nächste Kunde, der einen Termin möchte. Zumindest am Montag wird das nichts mehr, denn der Salon ist von zehn bis 18 Uhr ausgebucht.

    Seit dem 1. März ist so eine Szene im „Günzburger Barbershop“ wieder möglich, denn Friseure dürfen seit diesem Datum wieder öffnen. Inhaber Oktay Akkaya ist froh, wieder arbeiten zu dürfen: „Erstens finanziell, zweitens hat man immer wieder unmoralische Angebote bekommen.“ Vom doppelten Preis bis zum Vorschlag, ihn für Termine zu sich nach Hause zu fahren hätten ihm Kunden viel geboten, um illegalerweise an einen neuen Haarschnitt zu kommen. Hat er denn jetzt, seit die Salons offiziell wieder öffnen dürfen, auch einen der begehrten Termine versteigert? „Nein“, sagt der Saloninhaber und lacht.

    Die Vorschriften seien fast die gleichen wie vor dem Lockdown. Der Kunde trägt FFP2-Maske, der Friseur eine Einwegmaske. Nur, wenn es an den Bart geht und der Kunde deshalb die Maske auszieht, muss der Barbier auf FFP2 umsteigen. Kunde Remzi Kültür hat Oktay Akkaya vor zwei Wochen über WhatsApp angeschrieben. Darüber und telefonisch läuft die Terminvergabe. „Sehr dringend“ sei der Friseurbesuch gewesen, sagt der 25-Jährige. Normalerweise sei er alle zwei Wochen beim Friseur. Nun ist es sein erster Besuch seit dem 16. Dezember, als die Friseure schließen mussten. Für ihn ein Stück Rückkehr in die Normalität: „Dadurch, dass die Friseure wieder aufhaben, hat man den normalen Tagesablauf wieder.“

    Sehen Sie hier, wie sich die Kunden nach ihrem Besuch verändert haben:

    Auch am Montag brauchen Leute noch ganz dringend einen Friseur-Termin

    Das Tagesgeschäft hat auch bei anderen Günzburger Friseuren Einzug gehalten. Öffnet man die Tür im „Salon Lang“ in

    Während der vergangenen Wochen floss kein Geld in die Kasse, da sei es natürlich schwierig gewesen, berichtet Jonas Lang. Die Mieten bezahlten sie von ihren Rücklagen. Aber die Lieferanten seien ihnen entgegengekommen. Während der Salon coronabedingt geschlossen war, hat das Team ihn in der Tiefe gereinigt. Die Wände sind frisch in dunkelgrau gestrichen, die Produkte wieder aufgefüllt und die Deko ist an den Frühling angepasst. Blaue Schilder erinnern an den Mindestabstand und die Maske. An der Decke hängen Rohre der Virenfilteranlage, die Inhaber Andreas Lang einbauen ließ. In einer Nische im hinteren Teil des Salons föhnt Claudia Lang Kreisrätin Marianne Stelzle mit einer Rundbürste die Haare. Sie hatte eigentlich für den ersten Tag des Lockdowns einen Termin, sie ließ sich gleich weitermelden. Den Friseur mit einem Psychologen gleichsetzen würde sie zwar nicht. „Aber es tut der Seele gut.“

    Viele Kunden warten seit Monaten sehnsüchtig auf einen Haarschnitt. Hier dürfen die Haare bei Friseur Lang in Günzburg ab.
    Viele Kunden warten seit Monaten sehnsüchtig auf einen Haarschnitt. Hier dürfen die Haare bei Friseur Lang in Günzburg ab. Foto: Bernhard Weizenegger

    Auch für den sozialen Austausch geht man in Günzburg zum Friseur

    Einfach für ein paar Stunden ausspannen: Das „Verwöhnprogramm“ mit Farbe, Schnitt und Pflege hat sich Kundin Rosemarie Renner im Günzburger Salon InStyle von Michaela Widmann gegönnt. „Ich fühle mich einfach wohl und sicher und gut aufgehoben“, sagt sie. Seit ihrem letzten Friseurtermin am 16. Dezember habe sie sich selbst vor den Spiegel gestellt und die Haare geschnitten. „Es blieb mir ja nichts anderes übrig. Aber ich war natürlich nicht zufrieden.“ Ihre Friseurin Teresa Lange stülpt durchsichtige Plastikhandschuhe über die Hände, nimmt mit einem Pinsel die Farbe für die Strähnchen auf und beginnt, sie am Scheitel aufzutragen.

    Die Stammkundin plaudert mit ihrer Friseurin. Beide sind sich einig: Es ist auch der soziale Austausch, der die Menschen zum Friseur gehen lässt – wenn man sonst gerade nicht viele Möglichkeiten dazu hat. Während des Lockdowns nutzte das Team die unfreiwillige Pause mit Online-Seminaren, sagt Salon-Inhaberin Michaela Widmann. Zum Beispiel zum Thema Calligraphing: Bei dieser Technik wird die Kopfhaut massiert und Oxytocin freigesetzt – das auch als Kuschelhormon bekannt ist.

    Im Salon InStyle in Günzburg dürfen die Friseure wieder die Haare ihrer Kunden schneiden.
    Im Salon InStyle in Günzburg dürfen die Friseure wieder die Haare ihrer Kunden schneiden. Foto: Bernhard Weizenegger

    "Existenzängste" durch die erzwungene Schließung

    Zum Friseur zu gehen ist normalerweise mehr als nur Haareschneiden. Im Salon „Kamm und Schere“ in Günzburg liegen an diesem Tag aber keine Zeitschriften aus. Auch den üblichen Kaffee bekommen die Kunden wegen Corona nicht. Kundin Melanie Balkenhol sitzt vor einem Spiegel, um einige Haarsträhnen mit Farbe ist bereits Folie gewickelt. Ein paar Meter weiter frisiert Jusuf Solunoglu seinen Sohn Luis, an der Kasse steht seine Frau Paula. Der Vater freut sich, wieder arbeiten zu dürfen: „Wenn man es so viele Jahre gewohnt ist, zu arbeiten wie ich, hatte ich das Gefühl, ich sei ein Frührentner.“

    Er sei regelmäßig mit seiner Frau spazieren gegangen, weil er so viel Zeit hatte. Seit 25 Jahren hat er seinen Salon, doch die vergangenen Wochen hätten bei ihm „Existenzängste“ ausgelöst. Corona-Hilfen seien noch nicht gekommen. Kunden hätten ihn schon gefragt, ob er schwarzarbeiten würde. Was er nicht getan habe. Aber dann habe er Kunden von sich gesehen, die sich die Haare hätten machen lassen. Mit der großen Fläche kann er nun, seit der Öffnung, zwei bis drei Kunden bedienen. Andere haben nicht das Glück, so viel Platz zu haben. „Die Kunden freut’s“, sind sich Paula und Jusuf Solunoglu einig. Und die Friseure freut’s auch.

    Lesen Sie den Kommentar von Christian Kirstges:

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