Startseite
Icon Pfeil nach unten
Günzburg
Icon Pfeil nach unten

Günzburg: Nach erfolgreicher Transplantation: Neues Leben für Michael Wagner

Günzburg

Nach erfolgreicher Transplantation: Neues Leben für Michael Wagner

    • |
    Was für viele ein normales Abendessen ist, war für Michael Wagner am Freitagabend etwas Besonderes.
    Was für viele ein normales Abendessen ist, war für Michael Wagner am Freitagabend etwas Besonderes. Foto: B. Weizenegger

    Der Zwiebelrostbraten war ein Versprechen; abgegeben von Michael Wagner. Dieses Essen hat er sich eingebildet, den Braten wollte er sich unbedingt schmecken lassen – seit Wochen. Monaten, Jahren. Am Freitagabend hat er dann einen solchen Zwiebelrostbraten bestellt. Das, was für andere völlig normal erscheint, ist für den 57 Jahre alten Günzburger etwas Besonderes.

    Wenn er sicher sein konnte, dass ihm die neue Leber erfolgreich transplantiert worden ist, wollte er dieses Zeichen senden. Mit 14 Verwandten und Bekannten feierte der Familienvater am vergangenen Freitag den 6. Mai als seinen „zweiten Geburtstag“ nach. Denn an jenem Tag wurde der damals todkranke Mann operiert.

    Die ganzen Abläufe vor dem aufwendigen Eingriff kannte Michael Wagner. Denn er sollte schon einmal operiert werden – und lag an diesem 10. April bereits stundenlang auf dem OP-Tisch, bis ihm ein Chirurg sagte, dass die Operation nicht durchführbar sei. Das gespendete Organ, befände sich in einem nicht transplantierbaren Zustand (Transplantation abgesagt: Günzburger wartet auf neue Leber ). Welch niederschmetternde Nachricht, die fürs Erste alle Hoffnung begrub! Aber Wagner kämpfte weiter, ließ sich nicht gehen und glaubte an ein „zweites Geschenk“.

    Um 21.20 Uhr klingelte das Telefon: "Wir haben ein Organ."

    Das gab es am 5. Mai – vier Tage nach seinem eigentlichen Geburtstag am 1. Mai. Das meiste, was seine Gäste an Wagners 57. Geburtstag sagten, bekam der Jubilar gar nicht so recht mit. „Ich musste an dem Tag oft liegen. Mir ging es gar nicht gut.“ Und dann – vier Tage später – klingelte gegen 21.20 Uhr das Telefon. „Wir haben ein Organ.“ Das Prozedere danach war bekannt: Die nötigsten Sachen zusammenpacken und mit der Frau ab ins Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München nach Großhadern fahren.

    Zahlen zu Organspenden

    Rund 900.000 Personen sterben jährlich in Deutschland – nur 955 davon haben Organe gespendet. Etwa 250 Kindern konnte damit geholfen werden.

    10.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan. Täglich sterben im Schnitt drei Menschen aufgrund des Mangels an Spenderorganen.

    Aktuell warten 45 bis 50 Kinder auf ein Spenderherz. 800 Menschen warten auf ein Organ.

    84 Prozent der Deutschen stehen Organspenden positiv gegenüber, nur ein Bruchteil besitzt jedoch einen Spendenausweis. (Quelle: Deutsche Stiftung für Organtransplantation)

    In der Klinik selbst wurde dem Patienten Blut genommen. Rasieren, waschen waren weitere Vorbereitungen. Als ihr Mann sich mühsam in das Bad des Patientenzimmers bewegte, dachte Ehefrau Anja Kircher-Wagner: „Hoffentlich klappt es dieses Mal.“ Denn sie sah in diesem Augenblick, wie viel Kraft bereits aus dem Körper ihres Mannes entwichen war. Ein weiteres Mal, glaubt sie, könnte sich der Ehemann wohl nicht mehr eigenständig ins Bad begeben. Sein Zustand war schlechter als an jenem 10. April, am Tag, an dem die Leber nicht hatte transplantiert werden können. Diesmal aber stand fest: Die Qualität des Organs ist gut.

    Zwischen 2.30 Uhr und 3 Uhr ging es am 6. Mai in den OP-Bereich ein Stockwerk höher. Kurz nach vier Uhr wurde die Anästhesie eingeleitet. Unmittelbar bevor das Narkosemittel gegeben wurde, hatte sich ein Operateur an Michael Wagner mit einem Lächeln auf den Lippen gewendet: „Um 4.30 Uhr ist Anschnitt.“

    Eine weitere Operation folgt

    Sieben Stunden später wurde Wagner zugenäht. Er kam danach direkt auf die Intensivstation, wurde künstlich beatmet – ein Zustand, der zwischen einem Tag und einer Woche dauern kann. Nach wenigen Tagen ging es auf die Überwachungs- und dann auf die normale Station. In diesem Zeitraum musste Wagner am Muttertag (12. Mai) eine weitere Operation über sich ergehen lassen: Die Arterie, die an der Leber mit dem Organ zusammengenäht worden war, ist aufgegangen.

    Bis sich alles eingespielt hat, verging über ein Monat im Krankenhaus. Am 8. Juni wurde Michael Wagner entlassen.

    Sein Leben ist mit Einschränkungen verbunden. Die ersten sechs Monate sind extrem kritisch, wie er sagt. Der Organismus ist sehr geschwächt. Keime könnten sich verheerend auswirken. Deshalb muss der Zwiebelrostbraten, der kredenzt wird, durch sein. Deshalb meidet Wagner Salate und Rohkost. Und deshalb soll er mit Pflanzen möglichst wenig in Berührung kommen, was er angesichts der eigenen Tomatenzucht bedauert. Mit vielen Menschen gleichzeitig muss er den Kontakt meiden – weshalb Massenveranstaltungen tabu sind. Wagner trägt Mundschutz und nimmt täglich 22 verschiedene Medikamente zu sich. Die meisten Tabletten davon morgens. 13 Stück.

    Wie viele Menschen ein Spenderorgan benötigen

    Bundesweit stehen nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) etwa 10.000 schwer kranke Menschen auf der Warteliste. Täglich sterben im Schnitt drei davon, weil nicht rechtzeitig ein passendes Organ zur Verfügung steht. Allein 8000 Menschen brauchen eine neue Niere. Das sind etwa viermal so viele, wie derzeit Transplantate vermittelt werden können. 2017 sanken die Organspendezahlen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. 797 Verstorbenen wurden Organe entnommen, 60 weniger als im Vorjahr bei 857.

    Nach Ansicht der DSO liegt der Rückgang nicht unbedingt an einer abnehmenden Spendebereitschaft der Bevölkerung. Nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben derzeit 36 Prozent der Deutschen einen Organspendeausweis. Die Experten sehen aber strukturelle und organisatorische Schwachstellen in Kliniken. So gab es in den vergangenen Jahren von dort weniger Meldungen von möglichen Organspendern. Eine Organspende kann aber auch durch unklare Formulierungen in Patientenverfügungen verhindert werden.

    Michael Wagner macht das mit Freude, weil er seinen sich ständig verschlechternden Zustand vor der Operation kennt. „Momentan ist das für mich so, als ob Weihnachten und Ostern zusammenfallen würden“, sagt er und ist dankbar über das Mitgefühl von Verwandten, Bekannten, Freunden und auch fremden Menschen, die aus der Günzburger Zeitung vom Schicksal des 57-Jährigen erfahren haben. „All die guten Wünsche haben geholfen.“ (Lesen Sie dazu den Kommenar: Beim Thema Organspende heißt es: Solidarität oder Tod)

    Eine Kerze für den Spender und dessen Angehörige

    Stellvertretend nennt er aus dem Verwandtenkreis Ilona Kircher, die sich mit ihrem Mann und den beiden Söhnen am 5. Mai gleich hingesetzt und eine Kerze angezündet haben, nachdem sie von Wagner Sohn Linus über eine What’s-App-Nachricht erfahren hatten, dass die Lebertransplantation unmittelbar bevorsteht. Zwei Tage später zündet die Mutter noch einmal Kerzen an – im Ulmer Münster für den Spender der Leber und dessen Angehörige.

    Am Donnerstag beginnt Wagners Rehabilitationsphase in Bayerisch Gmain im Berchtesgadener Land. Dort gibt es eine Klinik, die spezialisiert ist auf Lebertransplantierte. Dann geht es unter professioneller Anleitung weiter mit dem neuen Lebensabschnitt Michael Wagners, der vor 56 Tagen begonnen hat.

    Lesen Sie dazu auch: Wie kann es gelingen, mehr Organspender zu finden?

    Die Geschichte über eine Günzburgerin, die eine neue Niere sucht, lesen Sie hier: Niere gesucht! Damit eine Günzburgerin leben kann, muss ein anderer sterben

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden