Nach Jahren des Notarzt-Mangels gerade im Bereich Günzburg hat sich dort die Situation inzwischen entspannt. Auf der einen Seite, nachdem die Kreiskliniken tagsüber die Dienste besetzen. Auf der anderen aber auch, weil es inzwischen neue Kollegen gebe, die den Notarztschein gemacht hätten, erklärt der Günzburger Notarzt-Obmann Dr. Marc-Michael Ventzke gegenüber unserer Zeitung. Er habe auch einige Ärzte rekrutieren können, die in Günzburg und der Umgebung wohnen und sich engagieren. Zwar sei der Dienstplan nicht direkt voll, wenn man ihn plant, „aber er wird solide besetzt“. Ausfälle könnten zumindest meistens durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KVB) mit Springern kompensiert werden. Aber: Es gibt sie eben weiter, die Ausfälle beim Notarzt-Dienst am Standort Günzburg.
Die KVB erklärt, dass es am Notarzt-Standort Günzburg im vergangenen Jahr 235 unbesetzte Dienststunden gegeben habe, das sei eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Jahr 2019. Vom 1. Januar bis 6. April dieses Jahres seien 52 Stunden unbesetzt gewesen. Inzwischen gebe es 25 Teilnehmer am Notarzt-Dienst, im ersten Quartal 2021 seien drei neu dazu gekommen. In Krumbach habe es im ganzen vergangenen Jahr und auch bis zum 6. April 2021 keine unbesetzten Dienste gegeben. Dort gebe es 22 Teilnehmer.
Beim Wechsel zwischen Kreisklinik Günzburg und anderem Notarzt gibt es oft Probleme
Wie Marc-Michael Ventzke ergänzt, habe es beispielsweise im letzten Quartal 2020 einen kurzfristigen krankheitsbedingten Ausfall gegeben, der nicht kompensiert werden konnte, zwei Dienste seien deshalb nicht besetzt gewesen. Bei drei Diensten klaffte hingegen eine nur kurze Lücke, etwa von 15 Minuten oder einer Stunde. Auch im ersten Quartal dieses Jahres hätten sich die Vakanzen in diesen Größenordnungen bewegt. Das komme vor allem dann vor, wenn ein Kollege erst ab 19.45 im Dienst sein konnte, die Zuständigkeit der Klinik aber regulär um 19 Uhr endete. Einmal habe es einen kurzfristigen Ausfall wegen einer verordneten Corona-Quarantäne gegeben.
Die Situation habe sich insgesamt deutlich verbessert, Dienstausfälle seien aber grundsätzlich nicht akzeptabel. Mitunter werde der Vergleich mit dem benachbarten Baden-Württemberg angestrengt, wo es größere Probleme gebe. „Für den Patienten zählt der Notarzt, der kommt beziehungsweise nicht kommt“, betont der Obmann.
Das Einsatzfahrzeug für den Notarzt konnte vom BRK zuverlässig besetzt werden
Der Geschäftsführer des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Donau-Iller, Jan Terboven, bestätigt, dass es am Notarztstandort Krumbach in den vergangenen zwölf Monaten keine unbesetzten Dienste gegeben habe. In Günzburg habe es jedoch wie auch schon in der Vergangenheit einzelne unbesetzte Dienste gegeben, wenngleich sich die Situation insgesamt stabilisiert beziehungsweise tendenziell verbessert habe. Die von der Kreisklinik übernommenen Dienste werktags von 7 bis 19 Uhr seien alle besetzt gewesen. „In den übrigen Zeiten übernehmen freiberuflich tätige Notärzte die Dienste, hier gab es nach wie vor Dienste, die nicht besetzt werden konnten beziehungsweise auch einzelne kurzfristige Krankheitsausfälle.“ Nach den vorliegenden Daten seien die Ausfälle gegenüber dem Jahr 2019 deutlich zurückgegangen.
Das Notarzteinsatzfahrzeug werde an den Standorten Günzburg und Krumbach zuverlässig vom Roten Kreuz gestellt, hier gebe es keine Ausfälle oder Probleme. Gleiches gelte für die Notfallrettung an allen vier Rettungsdienststandorten im Landkreis Günzburg: „Es standen die Rettungswagen unabhängig vom Notarztdienst jederzeit zur Verfügung.“ Platzhirsch ist das Rote Kreuz, den Standort in Kötz betreiben die Johanniter.
Der Notarzt ist nicht der einzige Baustein der Notfallrettung
Bei der Diskussion um den Notarztdienst werde leider immer wieder übersehen, dass die Notfallsanitäter „durch ihre zwischenzeitlich sehr gute Ausbildung im Regelfall in der Lage sind, Patienten gegebenenfalls auch ohne Notarzt beziehungsweise bis zum Eintreffen eines Notarztes eines weiter entfernten Standortes alleine zu versorgen“. Der Mediziner sei ein sicherlich wichtiger Baustein in der Notfallversorgung, aber nicht das einzige Element. Ohne würde sie nicht zusammenbrechen. Denn gut 70 Prozent aller Notfalleinsätze fänden ohnehin generell ohne Notarzt statt.
Im bayernweiten Vergleich seien die Ausfälle im Notarztdienst im Rettungsdienstbereich Donau-Iller weiter deutlich unter dem Schnitt. Unabhängig davon werde der Zweckverband die Situation weiterhin im Blick behalten und an einzelnen Standorten im Rettungsdienstbereich gegebenenfalls nachsteuern. Man habe (leider) keine großen Einflussmöglichkeiten auf das vom Gesetzgeber in Bayern so gestaltete System. Es basiere rein auf Freiwilligkeit, wodurch es jederzeit vorkommen könne, dass sich für einzelne Dienste kein Notarzt findet. „Einen Vorwurf kann man deswegen eigentlich gar niemandem machen, außer vielleicht dem Gesetzgeber.“
Günzburger Chefarzt Dr. Kemming: "Kollegen fahren leidenschaftlich gern und freiwillig"
Und wie läuft die Organisation des Notarztdienstes bei der Kreisklinik in Günzburg konkret? Der Chefarzt für Intensivmedizin, Dr. Gregor Kemming, erklärt, es funktioniere reibungslos. Es sei zwar ein vereinbarter Teil der Arbeit an der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin. „Alle elf Kollegen der Anästhesie inklusive Chirurgen fahren unabhängig davon leidenschaftlich gern und freiwillig. In keinem Fall musste die Teilnahme am Notarztdienst angeordnet werden.“
Derzeit seien vier Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung, zwei Ärzte nehmen mit Unterstützung des Krankenhauses an zusätzlichen Simulationskursen teil, um ihre Kompetenzen zu vertiefen. „Es waren mehrere Kollegen ausgebildet worden. Einige sind zwischenzeitlich in Elternzeit oder auf Ausbildungsrotation in kooperierenden Kliniken.“ Auch seien Ärztinnen und Ärzte mit ausgebildet worden, die ihre Tätigkeit auch an diversen Orten außerhalb der Klinik Günzburg aufnehmen wollten beziehungsweise aufgenommen haben.
Für Günzburger Kreisklinik ist keine Erweiterung der Notarzt-Schichten möglich
Lücken im Dienst außerhalb der Zuständigkeit der Klinik entstehen nach der Schilderung von Notarzt-Obmann Ventzke oft dann, wenn ihre Zuständigkeit zeitlich endet, der übernehmende Notarzt aber noch nicht da ist. Gäbe es keine Möglichkeit, das zu vermeiden, indem der Notarzt der Klinik etwas länger im Dienst bleiben kann? Dazu sagt Kemming: „Eine geplante Tätigkeit der Klinikärzte im Zuständigkeitsbereich der freiberuflichen Kollegen und umgekehrt ist vertraglich nicht abgebildet. Im Tagesgeschäft werden anfallende Folgeeinsätze, welche über die Dienstzeit hinausgehen oder auch nach Ende der Dienstzeit am Funk seitens der Leitstelle beauftragt werden, selbstverständlich normal bedient.“
Angesichts der überaus hohen klinischen Dienstbelastung, insbesondere auch der erfahrenen Kollegen, sei eine Erweiterung der Schichten auf länger als zwölf Stunden als regelmäßiger Zusatz nicht möglich. Was er noch hervorhebt: Die Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Roten Kreuz, das Fahrer und Auto stellt, „ist unsererseits hochgeschätzt und funktioniert völlig problemlos“.
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