Die Aufregung war groß in Günzburg, als vor drei Jahren im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans ein Gespenst aus der Vergangenheit wieder auftauchte: In der Großen Kreisstadt fühlte man sich an die gefürchtete Heimerl-Trasse erinnert, jener mit dem Lineal quer durch die Region gezogenen Bahntrasse Stuttgart-München, die 1988 ein von Professor Heimerl erdachte. Als 2016 der bis zum Jahr 2030 geltende Bundesverkehrswegeplan vorgestellt wurde, war man in der Region entsetzt: Denn mit dem Ausbau der Schienenmagistrale von Paris nach Budapest, die mit dem Teilstück zwischen Ulm und Augsburg in den vordringlichen Bedarf aufgenommen werden sollte, wäre zugleich Günzburg vom Fernverkehr abgekoppelt worden. Eine Neubaustrecke von Unterfahlheim nach Gessertshausen südlich der Autobahn war in den Plänen eingezeichnet. Politiker aller Parteien im Landkreis hatten gegen die Pläne Front gemacht, auf Kreisebene Resolutionen verabschiedet und die heimischen Landes- und Bundespolitiker eingeschaltet. Große Erleichterung, als im endgültigen Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan von einer kompletten Neubaustrecke zwischen Unterfahlheim und Dinkelscherbenkeine Rede mehr war.
Günzburg will den Fernhalt nicht verlieren
Umso überraschter war man allerdings in Günzburg, dass nun Politiker und Wirtschaft, insbesondere die IHK, die eine Bahn-Schnellstrecke entlang der Autobahn A8 zwischen Augsburg und Ulm wieder auf den Tisch bringen. Wie berichtet, hatten offenbar Augsburger CSU-Abgeordnete bei einem Treffen Verkehrsminister Hans Reichhart (Jettingen-Scheppach) vom Bau der Schnellstrecke überzeugen wollen. In wenigen Wochen will die Bahn in Augsburg den Start der Planungen bekannt geben. Günzburgs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig kritisiert in einer ersten Stellungnahme die neuerliche Diskussion scharf: „Wir werden es weder jetzt noch in Zukunft zulassen, dass Günzburg seine Fernhaltestelle im Stadtzentrum am Bahnhof verliert.“
Kein Verständnis äußerte Oberbürgermeister Jauernig in dem Zusammenhang zu den Aussagen von Claudia Roth, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, sowie Peter Saalfrank, Geschäftsführer der IHK in Schwaben, denen es in der Diskussion um eine deutliche Verbesserung der Fahrzeit gehe. „Nur Geschwindigkeit ist kein Garant für Akzeptanz und Erfolg. Wir müssen auch das flache Land anbinden, wenn hier Zukunft stattfinden soll“, erklärt Oberbürgermeister Gerhard Jauernig und weiter „wir können nicht nach jeder Wahl wieder Themen und Beschlüsse diskutieren, die schon entschieden sind. Geschwindigkeit kontra Erreichbarkeit nimmt leider wieder Fahrt auf.“
Bahn schweigt zum Übergang in Wasserburg
Der Ärger rund um die Bahn reißt damit für Günzburg nicht ab. Vor wenigen Tagen hat sich der Oberbürgermeister in einem Schreiben an die Bahn gewandt – es geht dabei um den Bahnübergang im Stadtteil Wasserburg. Seit Jahren diskutiert die Stadt mit der Bahn darüber, wie diese Stelle sicherer gemacht werden kann, an der es immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt. „Die Bahn argumentiert immer nur, dass es dort nicht gehe und hier nicht gehe“, sagt Jauernig. Eine Schranke an dieser Stelle hatte die Bahn abgelehnt. Eine Langsamfahrstrecke stadteinwärts, auf der die Lokführer auf Sicht fahren, ebenfalls – obwohl das stadtauswärts bereits so praktiziert wird.
Auf die Abarbeitung der Themen, die im Juli 2017 beim letzten Ortstermin mit der DB in Wasserburg angesprochen wurden, wartet man im Günzburger Rathaus noch immer. „Ignorieren löst doch keine Probleme“, so der OB im Gespräch mit unserer Zeitung.
Eine Ampel könnte die Lösung sein am Bahnübergang
Dabei hat die Stadt Günzburg neben der Einrichtung der Langsamfahrstrecke erneut einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung der Situation gemacht, den Jauernig in seinem Schreiben erneut nennt: Die Bahn hatte die Beschrankung mit dem Argument abgelehnt, dass Schleppkurven nicht eingehalten würden, die Kreuzung somit nicht geräumt werden könne – ein Problem wegen der Lastwagen, die hier fahren. Dieses Argument, so Jauernig in seinem Brief, „kann ich nicht gelten lassen. Dann muss mit einer vorgelagerten Ampel gearbeitet werden.“
Der Oberbürgermeister hat der Bahn nun eine Frist bis Anfang März für eine aussagekräftige Antwort in diesem Fall gesetzt. Angesichts immer wieder auftretender, schwerer bis tödlicher Bahnunfälle wie erst vor Kurzem in Hirschfelden sieht Jauernig aber größeren Handlungsbedarf. „Die Politik muss gemeinsam mit der Bahn Strategien erarbeiten, die als Maßgabe für neue Planungen verwendet werden. Dazu sind Ortsbegehungen im ganzen Landkreis notwendig.“ Auch in diesem Fall möchte Jauernig Verkehrsminister Hans Reichhart mit ins Boot holen.
Dass bei der Bahn Hartnäckigkeit durchaus auch zum Ziel führen kann, hat man in Günzburg vor einigen Jahren erlebt, als es um den Bahnübergang an der Ulmer Straße ging. Zwei Mädchen waren dort ums Leben gekommen. „Zwei Jahre hat es danach gedauert, bis die Bahn zusätzlich Schranken aufgestellt hat“, sagt Jauernig. (Lesen Sie dazu Nach tödlichem Unfall: Übergänge sollen sicherer werden) „Und das, obwohl es vorher immer geheißen hatte: Das geht nicht.“