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Gericht: Ein Joint am Günzburger Bahnhof hat fatale Folgen

Gericht

Ein Joint am Günzburger Bahnhof hat fatale Folgen

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    Am Günzburger Bahnhof hatte der Angeklagte einen Joint geraucht und ein Mädchen daran ziehen lassen. Das hatte Folgen.
    Am Günzburger Bahnhof hatte der Angeklagte einen Joint geraucht und ein Mädchen daran ziehen lassen. Das hatte Folgen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Jetzt will er die Kurve kriegen: Ein junger Flüchtling, der seiner kriminellen Vergangenheit abgeschworen hat. Der 22-Jährige war schon vor vier Jahren auf die schiefe Bahn geraten, hatte geklaut. Es folgten weitere Straftaten. Dann kam es am Günzburger Bahnhof zu einer verhängnisvollen Drogenabgabe an eine Minderjährige, die danach bewusstlos wurde. Das brachte dem syrischen Asylbewerber eine Anklage ein wegen Drogenbesitz, unterlassener Hilfeleistung und Unterschlagung, ergänzt von einem Diebstahl mit Waffen.

    Die Staatsanwaltschaft tritt nun in der Verhandlung beim Günzburger Amtsgericht gegen den Asylbewerber gleich mit zwei Juristinnen an – aber eine davon hat Premiere und wird von der erfahrenen Kollegin nur unterstützt. An einem Juli-Abend vergangenen Jahres war der Angeklagte mit einem Kumpel am Günzburger Bahnhof gewesen. Beide zogen sich einen Joint mit einer Kräutermischung rein. Zwei Teenager kamen dazu.

    Eine zu diesem Zeitpunkt erst 14-Jährige wollte die Gelegenheit nutzen und am Joint ziehen, was der Angeklagte erlaubte. Mit hochproblematischen Folgen: Dem Mädchen wurde übel und schwindlig, es brach zusammen. Er selbst habe die 14-Jährige mithilfe seines Kumpels auf eine Bank am Bahnhof gelegt, so der junge Mann, verteidigt von Peter Monz (Augsburg). Zum Auftakt der Verhandlung hat der Anwalt für seinen Mandanten lediglich den Drogenbesitz und den Diebstahl, begangen im November 2019, eingeräumt.

    Asylbewerber will keinen Rettungswagen alarmieren

    Im Fall der Minderjährigen soll der junge Mann die Alarmierung eines Rettungswagens zumindest abgelehnt und das Smartphone des Mädchens unterschlagen haben, das am Tatort zurückblieb, als die 14-Jährige ins Krankenhaus gebracht wurde. Eine gar nicht so einfache Aktion, wie zwei Polizisten als Zeugen beschreiben. Das Mädchen hatte sich wohl mithilfe ihrer Freundin bis zum Bahnsteig geschleppt und war in einen Nahverkehrszug eingestiegen. Der wurde kurzfristig von der Polizei gestoppt, die Minderjährige dann vom Rettungsdienst versorgt.

    Dem Angeklagten waren die Fahnder schnell auf die Spur gekommen. Bei der Wohnungsdurchsuchung in Günzburg wurde das Smartphone der 14-Jährigen entdeckt. Der 22-Jährige räumte die Mitnahme des Telefons ein: „Ich wollte es ihr zurückgeben, aber die Polizei kam schon morgens, als ich noch nicht wach war.“ Wegen der schwachen Beweislage in Sachen unterlassene Hilfeleistung und Unterschlagung wird das Verfahren in diesen Anklagepunkten eingestellt.

    Asylbewerber stiehlt eine Kochplatte und ein Skalpell

    Übrig bleiben der Drogenbesitz und ein Diebstahl in einem Drogeriemarkt am Günzburger Bürgermeister-Landmann-Platz. Dort hatte sich der junge Mann mit einer Induktionskochplatte ausstatten wollen. „Er hatte finanzielle Probleme und wollte die Platte zum Kochen“, begründet der Anwalt die Tat. Brisanter allerdings war, dass der Asylbewerber gleich noch ein Skalpell mitgehen ließ, angeblich, um damit ein Poster von der Wand zu kratzen. Dies wird juristisch als Diebstahl mit Waffen eingestuft.

    Mittlerweile hat sich der 22-Jährige aus dem kriminellen Milieu, in das er geraten war, seiner eigenen Aussage zufolge gelöst. Er wohnt jetzt in einem Augsburger Stadtteil zusammen mit einer Freundin, die im achten Monat schwanger ist. 2015 war der Angeklagte als unbegleiteter jugendlicher Flüchtling aus Syrien über die Türkei und Griechenland in die Bundesrepublik gekommen: „Ich bin dankbar, dass ich hier leben darf.“ Aber schon ein Jahr später war er erstmals wegen eines Diebstahls in Memmingen aufgefallen, es folgten weitere Delikte, die Zahl seiner Eintragungen im Strafregister erhöhte sich auf sechs. Die Quittung bekam er in Form einer Jugendstrafe zur Bewährung, die zum Zeitpunkt der neuen Tat noch nicht abgelaufen war.

    Asylbewerber leidet wegen Kriegserlebnissen in Syrien an Angstzuständen

    Dennoch sieht die Staatsanwaltschaft eine positive Sozialprognose und beantragt ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe. Unterstützt wird die Einschätzung durch eine überaus positive Beurteilung des Bewährungshelfers. Der junge Mann leide wegen seiner Kriegserlebnisse in Syrien und der Flucht unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und Angstzuständen. Wegen der Reue und des Geständnisses sei der Antrag der Staatsanwaltschaft zu hoch, meint sein Pflichtverteidiger, zumal die Sache mit dem Skalpell grenzwertig sei, da „er nicht mit der Waffe zum Klauen ging“. Er fordert maximal neun Monate auf Bewährung.

    Da zieht Richterin Jessica Huk nicht mit: Es bleibt bei einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung und einer Arbeitsauflage von 80 Stunden. Dem Angeklagten, der das Urteil sofort annimmt, wünscht die Richterin trotzdem alles Gute für die Zukunft. Der Asylbewerber, derzeit lebt er von Sozialhilfe, will die Fachoberschule abschließen und danach studieren. Von seiner kriminellen Vergangenheit habe er sich endgültig gelöst.

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