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Gericht: Dramatische Bodycam-Szenen vom Polizei-Einsatz in Kötz

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Dramatische Bodycam-Szenen vom Polizei-Einsatz in Kötz

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    Mit einer Bodycam wurde im vergangenen November aufgezeichnet, wie ein 28-Jähriger einen Polizisten angriff.
    Mit einer Bodycam wurde im vergangenen November aufgezeichnet, wie ein 28-Jähriger einen Polizisten angriff. Foto: Andreas Brücken (Archivbild)

    Das war keine Doku-Soap wie im Privatfernsehen, sondern ein echter Einsatz gegen einen gewalttätigen Betrunkenen: Aufnahmen der Bodycam eines Polizisten bei der Festnahme eines Verdächtigen in Kötz, die während der Verhandlung im Amtsgericht Günzburg gezeigt wurden. Sie dokumentieren, wie ein Beamter den aggressiven Mann zunächst beruhigt. Aber wenig später eskaliert die Situation und es werden sogar die Dienstpistolen gezogen. Der gefesselte Täter verletzt im Streifenwagen einen Polizisten so schwer, dass er bis heute dienstunfähig ist.

    Alles begann im November vergangenen Jahres, als der 28-Jährige bei seiner Freundin in Kötz völlig ausrastete. Nach Angaben seines Anwalts Martin Henrich war sein Mandant von der 30-Jährigen massiv beleidigt und gekränkt worden. Beide hatten ordentlich gebechert. Dann wollte die Frau, dass der Angeklagte ihre Wohnung verlässt, der weigerte sich jedoch. Daraufhin alarmierte sie die Polizei. An die folgenden Ereignisse könne sich der 28-Jährige nicht mehr erinnern, nur dass gegen ihn Pfefferspray eingesetzt worden sei.

    Sieben Beamte rücken an

    Sieben Polizisten in drei Streifenwagen rückten nach dem Notruf in Kötz an. „Ich hatte vorher wegen des Beschuldigten recherchiert“, sagte der Einsatz leitende Beamte von der Günzburger Autobahnpolizei vor Gericht aus. Deshalb habe er die Kollegen um Unterstützung gebeten. Bei dem Mann sei schon einmal Waffenbesitz im Spiel gewesen. Was sich dann abspielte, zeigten die Bodycam-Aufnahmen des Beamten, von Richter Martin Kramer im Gerichtssaal per Beamer auf eine Leinwand projiziert. Mit „Engelszungen“, so

    Er forderte den Betrunkenen immer wieder auf, sich vernünftig zu verhalten und die Wohnung zu verlassen. Erst Minuten später folgte der 28-Jährige der Aufforderung, beschimpfte und bedrohte die Polizisten – „ich bring Euch um“ – und prahlte mit seiner Wehrhaftigkeit als Kampfsportler. Als der Angeklagte stand, entdeckten die Polizisten ein Küchenmesser im Hosenbund des 28-Jährigen. Die Stichwaffe konnte gesichert werden. Außerdem hatte der Betrunkene an seinem Schlüsselbund ein sogenanntes Kubotan, eine Stichwaffe aus Stahl, die in asiatischen Kampfsportarten zur Selbstverteidigung eingesetzt wird. Das Kubotan wurde dem Mann abgenommen, es gilt aber nicht als verbotenen Waffe.

    Polizisten ziehen die Schusswaffen

    Nur wenige Minuten, nachdem der Angeklagte die Wohnung in Kötz verlassen hatte und auch die Polizei wieder abgerückt war, kam von der Freundin der zweite Notruf. Der Täter sei zurückgekommen und habe das Glas der Eingangstür zertrümmert. Wieder rückten sieben Beamte an. Diesmal verlief der Einsatz nicht mehr so friedlich. Der Betrunkene wurde im Hauseingang gestellt und verweigerte jegliche Kooperation. Weil er seine Hände verbarg, zogen die Beamten zur Eigensicherung ihre Schusswaffen und Pfefferspray wurde eingesetzt. Dann erst konnte der Mann überwältigt werden.

    Nach dem Kopfstoß bis heute dienstunfähig

    Nach der Behandlung seiner Augen durch einen Rettungsdienst wurde der 28-Jährige in einen Streifenwagen gesetzt. Als ein Beamter ihn dort anschnallen wollte, kam es zum Exzess. Der Angeklagte stieß mit dem Kopf zu. Der Beamte erlitt unterhalb des Auges eine Mittelgesichtsfraktur und ist bis heute wegen Doppelbildern im rechten Auge dienstunfähig. Die Entschuldigung des Angeklagten in der Verhandlung nahm der Polizist nicht an: „Dazu hätte er lange genug Zeit gehabt."

    Gerichtsmediziner Horst Bock aus Memmingen stellte in seinem Gutachten trotz erheblicher Alkoholisierung von circa 2,4 Promille höchstens eingeschränkte Steuerungs- aber keine Schuldunfähigkeit fest. Grund genug für die Staatsanwältin für die Tätlichkeiten des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung zu fordern. Die sei überhöht meinte der Verteidiger.

    Nimmt der Angeklagte das Urteil an?

    Eine Geldstrafe und maximal ein Jahr mit Bewährung hielt er für angemessen. Da wollte Richter Kramer nicht mitziehen. Er verhängte ein Jahr und acht Monate mit vierjähriger Bewährungszeit, da der Mann keine Vorstrafen hat, sowie eine Geldauflage von 2000 Euro zugunsten des Therapiezentrums Burgau. Außerdem muss der Mann aus dem Alb-Donau-Kreis (Baden-Württemberg) dem verletzten Polizisten 3000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Ob das Urteil angefochten wird, ließ Anwalt Henrich nach der gestrigen Verhandlung gegenüber der GZ noch offen: „Das muss ich erst mit meinem Mandanten besprechen“.

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