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Dorfserie (4): Leinheim: Das Gallische Dorf zwischen A8 und alter B10

Dorfserie (4)

Leinheim: Das Gallische Dorf zwischen A8 und alter B10

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    Imposant: Peter Haupeltshofer (rechts) und seine Frau Gabriele halten 20 schottische Hochlandrinder, die angeblich nur Englisch schwätzen. Links: Vater Franz Haupeltshofer.
    Imposant: Peter Haupeltshofer (rechts) und seine Frau Gabriele halten 20 schottische Hochlandrinder, die angeblich nur Englisch schwätzen. Links: Vater Franz Haupeltshofer. Foto: Peter Wieser

    Die ganz große Liebe sei es nicht gewesen, als Leinheim mit der Gebietsreform 1978 Stadtteil von Günzburg wurde, erzählt Josef Zacher. Aber das sei halt so gewesen und es habe sich inzwischen eingebürgert, fügt Johann Albrecht hinzu. Eines aber haben sich die

    In Leinheim gibt es gleich zwei Oberdörfer. Das leuchtet ein, denn dazwischen befindet sich eine Senke, das Unterdorf. Eine Vorstadt, so wie in Glöttweng, gibt es nicht. „Die ist Leinheim selber, nämlich die von Günzburg“, sagt Rudi Ritter lachend. Und schon wieder ist man beim großen Bruder angelangt.

    Der Ort gehörte schon nach Wettenhausen und Leipheim

    Woher kommt der Name Leinheim und wie ist der Ort entstanden? „Es gibt nichts Genaues“, sagt Josef Zacher. Tatsächlich ist darüber wenig bekannt. Erstmals ist der Ort als „Linham“ – Heim am Linbach, urkundlich erwähnt. Von dem von Limbach kommenden und nach Denzingen führenden Bach soll angeblich ein zum Tode Verurteilter als Wiedergutmachung den in den Günzburger Birketweiher mündeten Steppbach gegraben haben, nachdem die Oberstadt zusätzliches Wasser benötigte. „Sonst hätte Günzburg noch heute kein Wasser“, fügt Rudi Ritter scherzend hinzu. Tatsächlich fließt der Steppbach, oder Stehbach, so langsam, dass man meinen könnte, er stehe oder fließe bergauf. Überhaupt hat Leinheim eine sehr wechselhafte Vergangenheit, gehörte schon nach Wettenhausen, aber auch nach Leipheim.

    Leinheim ist Stadtteil von Günzburg und zählt rund 620 Einwohner. Trotz der Nähe zur großen Kreisstadt hat der Ort seinen dörflichen Charakter nicht verloren.
    Leinheim ist Stadtteil von Günzburg und zählt rund 620 Einwohner. Trotz der Nähe zur großen Kreisstadt hat der Ort seinen dörflichen Charakter nicht verloren. Foto: Peter Wieser

    Wie lebt es sich denn so in Leinheim? „Es ist gigantisch, das sieht man doch“, erklärt Arthur Hindelang. Immerhin sei man auch schon zweimal das schönste Dorf im Landkreis gewesen, schließt sich Lothar Hurler, der Seniorchef der Bäckerei Hurler, an. „Es kennt noch ein jeder jeden“, erklärt Siggi Albrecht, verbessert sich aber schnell: „Die ganz Wichtigen halt, die es im Dorf gibt.“

    Hier gibt es sogar einen Fünf-Uhr-Tee

    Auffallend viele Leinheimer tragen an diesem Nachmittag grüne T-Shirts, die ein großes „T“ zeigen, und einen Wecker, der auf fünf steht. „Das ist der Fünf-Uhr-Tee“, wird schnell erklärt: Nämlich elf Leinheimer, die sich jeden Samstagnachmittag um fünf Uhr zum Tee trinken treffen, und zwar zu dem, der aus Hopfen zubereitet wird. Um diese Zeit müsse am Samstag die Arbeit ruhen und es dürfe gerne auch einmal eine Tasse mehr sein, erklären die Teetrinker. Und bei den nicht wenigen Festen zeigen diese sich schon einmal mit einem feschen Schuhplattler.

    Apropos Feste: „In Leinheim geht die Frau oft (al)lein heim“, erklärt Tatjana Christl lachend. Offensichtlich bleiben die Männer gerne etwas länger sitzen. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Freiwillige Feuerwehr und der Schützenverein, der im nächsten Jahr sein 200-jähriges Bestehen feiert. Bei diesem gibt es die Nikolausfeier, den Weihnachtsmarkt, das Starkbierfest mit Haxenessen – weil der Metzger so gute Haxen macht – und ein Straßenfest.

    Lothar (links) und Jörg Hurler verstehen ihr Bäckerhandwerk.
    Lothar (links) und Jörg Hurler verstehen ihr Bäckerhandwerk. Foto: Peter Wieser

    Ähnlich ist es bei der Freiwilligen Feuerwehr mit der regelmäßigen Schlachtpartie und vor allem dem Gartenfest, zu dem an einem Wochenende mehr als 2000 Besucher aus der ganzen Umgebung kommen. Und zum 1. Mai muss für das Dorf und die ganz wichtigen Personen auch ein Maibaum aufgestellt werden, womit die Leinheimer ebenfalls genügend zu feiern haben. Für mehr Vereine hätte man gar keine Zeit und zwischendurch müsse man ja auch arbeiten, sagen sie.

    Die Runde durch den Ort beginnt an der Kirche

    Also: Einfach einmal eine Runde durch den Ort drehen. Die beginnt bei der Kirche, der St. Blasius-Kirche, die aus dem Jahr 1715 stammt. Mit ihrer Renovierung erhielt sie 2007 einen neuen Altar und einen neuen Ambo. Auffallend ist ihre Schlichtheit. Seit 42 Jahren sitzt Jutta Büchele bei den Gottesdiensten schon an der Orgel. Von 1923 bis 1961 war Leinheim sogar eigene Pfarrei und hatte einen eigenen Pfarrer. Gleich in der Nähe, dort wo früher die Schule war, befindet sich heute das Schützenheim. So wie die Feuerwehr haben auch die Schützen ihr Domizil komplett in Eigenleistung gebaut. Es gibt eine Theatergruppe, die dort seit mehr als 40 Jahren Theater spielt. Die Schützenscheiben hat übrigens ein Leinheimer geschnitzt: Mit Erwin Uhl hatten die Leinheimer Schützen ihren eigenen Schnitzer.

    Auch einen Metzger gibt es in Leinheim: Alwin und Margit Volk (Mitte) mit Tochter Daniela und Sohn Lukas. Nicht auf dem Bild ist Tochter Lara.
    Auch einen Metzger gibt es in Leinheim: Alwin und Margit Volk (Mitte) mit Tochter Daniela und Sohn Lukas. Nicht auf dem Bild ist Tochter Lara. Foto: Peter Wieser

    Vorbei geht es am Zehentstadel aus dem 18. Jahrhundert, wo die Leinheimer früher immer ein Zehntel als Steuer an den Lehnsherrn abgeben mussten. Daneben befindet sich der Hof von Siegrid und Franz Haupeltshofer. Sohn Peter und Schwiegertochter Gabriele halten auf der Wiese daneben 20 schottische Hochlandrinder. „Die schwätzen Englisch, die sind was ganz Besonderes“, scherzt

    Die Nistlers betreiben die Wirtschaft schon seit 1968

    Durch den Ort geht es vorbei am „Weißen Rössle“. Elisabeth und Adolf Nistler betreiben die Gastwirtschaft schon seit 1968 und sind bekannt für ihre frischen Sulzen, frittierten Göckel und natürlich ihre Brotzeiten. Weiter durch den Ort kommt auf der linken Seite die Bäckerei Hurler. „Wir backen noch selber und ohne Fertigbackmischungen“, erklärt Jörg Hurler. Dreimal in Folge hat er schon den Bayerischen Staatsehrenpreis als einer der 20 besten Bäcker Bayerns erhalten. (Lesen Sie hier: Trotz Schließungen: Bäcker-Obermeister sehen nicht schwarz )Und wenn man die Semmeln mit dem besten Leberkäs, nämlich mit dem vom Leinheimer Metzger, kombiniere, dann habe man ein wahres Festmahl, sagt Hurler lachend. Der befindet sich nur einige Häuser weiter am Ende des Orts. Den Laden in Leinheim haben Alwin und Margit Volk jeden Freitag und Samstag geöffnet und an diesem Abend gart sogar im Ofen noch ein Römerbraten vor sich hin.

    Otto Fahrenschon hat ein Sonnenblumenfeld angelegt. Wer Münzen in den Briefkasten von Sohn Simon (rechts) und Tochter Amalie legt, darf ein paar Blumen nehmen.
    Otto Fahrenschon hat ein Sonnenblumenfeld angelegt. Wer Münzen in den Briefkasten von Sohn Simon (rechts) und Tochter Amalie legt, darf ein paar Blumen nehmen. Foto: Peter Wieser

    Ganz am Ende des Dorfs leuchtet einem ein Sonnenblumenfeld entgegen. Angelegt hat es Otto Fahrenschon, nachdem dort immer der Boden heruntergeschwemmt wurde. Jetzt bleibe er dort, wo er sein soll, und ein schönes Ortsbild gebe es obendrauf. Seine Kinder, Simon und Amelie, haben der Gaudi halber davor einen Briefkasten aufgestellt: Wer sich ein paar Sonnenblumen abschneiden möchte, wirft einfach ein bisschen Geld hinein.

    Der Lärm stört die Menschen im Ort

    Und was gefällt den Leinheimern gar nicht? Der Ort hat einen Lärmschutzwall, der unvollständig ist, und die A8. Ja, der Lärm von der Autobahn stört die Leinheimer durchaus und zusammen mit der alten Bundesstraße B10, die hin und wieder ebenfalls nicht ganz leise ist, fühlen sie sich manchmal richtig eingekesselt. Man hat wegen des Lärms von der Autobahn schon eine Bürgeraktion gegründet, eine Unterschriftenaktion veranlasst und eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht, erzählt Johann Kaltenecker. Im September würden zwei Herren vom Landtag nach Leinheim kommen und sich ein Bild davon machen. (Lesen Sie hier dazu: Kampf gegen Lärm auf der A8: Anwohner geben nicht auf )

    Die Leinheimer Schützen sind stolz auf ihr Vereinsheim. Von links: Johann Albrecht, Siggi Albrecht und Arthur Hindelang.
    Die Leinheimer Schützen sind stolz auf ihr Vereinsheim. Von links: Johann Albrecht, Siggi Albrecht und Arthur Hindelang. Foto: Peter Wieser

    „Wir sind halt das Gallische Dorf“, sagt Arthur Hindelang lachend und damit hat er auch nicht ganz unrecht: Zwar ist Leinheim nicht von den Römern umgeben, dafür aber eben von der Autobahn und der Bundesstraße. Anstelle von Rom regiert Günzburg, es gibt eine Dorfgemeinschaft, die regelmäßig mit viel „Cervisia“ feiert und den zartesten Römerbraten vom Wildschwein gibt es auch. Da fehlen nur noch Asterix und Obelix.

    Lesen Sie auch die vorherigen Folgen unserer diesjährigen Dorfserie:

    Zehn Mal mehr Kühe als Einwohner: So schön lebt es sich in Marbach

    Glöttweng ist die Heimat von Barfußpark und Oswald-Braten

    Erisweiler: Ein Dorf, zwei Familien und eine filmreife Kulisse am Radweg

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