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Das Wort zu Corona (18): „Man muss sich nicht sehen, um einem nahe zu sein“

Das Wort zu Corona (18)

„Man muss sich nicht sehen, um einem nahe zu sein“

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    Martin Dorner hat ein Briefprojekt initiiert.
    Martin Dorner hat ein Briefprojekt initiiert. Foto: Dorner

    Bekannte und weniger bekannte Menschen aus dem Landkreis Günzburg geben an dieser Stelle in jeder Mittwochs- und Samstagsausgabe ihr ganz persönliches Statement in Corona-Zeiten ab. Diesmal schreibt Pfarrer Martin Dorner ... über das Schreiben.

    „Er hat mir geschrieben!“, so die Chatmitteilung meiner Schülerin Lea aus der 8. Jahrgangsstufe des Maria-Ward-Gymnasiums Günzburg. „Er“ ist Simon, Jahrgang 1927.

    Zwischen der Schülerin und ihm liegt ein nicht unerheblicher Altersunterschied von 80 Jahren. Simon wohnt im Rummelsberger Stift Leipheim, und ohne das Virus hätten die Schülerin und der ältere Herr wahrscheinlich niemals etwas miteinander zu tun gehabt.

    Dieses Beispiel hat ihn nicht mehr losgelassen

    Jetzt antwortet er Lea auf den Brief, den sie ihm zuvor geschickt hat. Er schreibt unter anderem: „Vielen Dank für Deinen Brief, ich habe mich sehr gefreut. Mir geht es gut, weil ich Gott an meiner Seite weiß, auch in diesen schwierigen Tagen.“ Wie kamen der Briefkontakt zwischen Lea und Simon und der Briefwechsel weiterer Schülerinnen mit Bewohnern des Seniorenheimes überhaupt zustande?

    Ich bin Religionslehrer und habe vor Ostern von einer Seniorenseelsorgerin aus Würzburg gehört. Sie hat Schüler aufgefordert, Senioren, die damals wegen des Besuchsverbotes in Altenheimen keine Besuche empfangen durften, Briefe zu schreiben. Über die Osterferien hat mich dieses Beispiel nicht mehr losgelassen. Ich habe mit dem Leiter des Rummelsberger Stifts in Leip-heim, Diakon Jürgen Kühn, Kontakt aufgenommen und ihm von meiner Idee erzählt. Er hat sich über meine Anfrage gefreut. Er sagte: „Machen Sie, was Sie vorhaben. Ich helfe Ihnen dabei.“

    Die Schülerinnen bekamen für ihr Projekt „Diakonisches Lernen trotz(t) Corona“ von Fachkräften des Altenheims und von Nina Stöhr, einer Praktikantin, ein paar Hinweise zu Senioren, die sich eventuell über Briefe von Jugendlichen freuen könnten. Sie kannten ihr Alter und ihre Hobbys. Daraufhin mussten sich die Jugendlichen in diese fremden Personen hineinversetzen und mit dem Schreiben beginnen.

    Ganz "old-school" Briefe geschrieben

    Eine Schülerin sagt, wie ihr das gelungen ist: „Ich hab mir Margarete bildlich vorgestellt und dann war es halt so, als würde ich an eine Omi schreiben, die ich nicht kenne, die aber nett ist.“

    Eine andere Schülerin sagt über die ganze Aktion: „Mir persönlich fiel es nicht schwer, mich einem fremden Senior zu öffnen, da es einfach mal eine Abwechslung zum sonstigen Unterricht ist und man einer Person alleine durch einen Brief ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann!“ Und sie sagt: „Man muss sich nicht sehen, um einem Menschen nahe zu sein!“

    Wenn die heute 14-jährigen Schülerinnen vielleicht in ein paar Jahren an die Zeit von Corona mit den Schulschließungen und dem digitalen Unterricht zurückdenken, dann werden sie vielleicht sagen: Ja, das war auch die Zeit, in der wir im Religionsunterricht ganz „old-school“ Briefe an uns unbekannte ältere Menschen geschrieben haben. Was ich damals lernte, kann ich in meinem Leben immer wieder brauchen. Ich kann mich gegenüber anderen Menschen öffnen, Mitgefühl zeigen und mich von meinem Glauben oder dem Glauben anderer Menschen inspirieren lassen.

    Zur Person Dorner ist Pfarrer und unterrichtet Evangelische Religion am Maria-Ward-Gymnasium Günzburg. Außerdem leitet er das bayernweite Netzwerk Diakonisches Lernen (diakonisches-lernen.de) .

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