Dramatische Szenen haben sich in Burgau am frühen Samstagnachmittag abgespielt, bei denen der Betreiber eines Wasserkraftwerkes im Bereich Bleich-/Mühlstraße und sein Mitarbeiter zu Lebensrettern wurden. Einen vierjährigen Buben hatten sie aus dem Wasser geholt, der Mitarbeiter begann sofort mit der Wiederbelebung. Nun erzählen sie, wie sie das alles erlebt haben.
Der Fluss führte am Samstag durch die vorausgegangenen Regenfälle mehr Wasser als üblich und dadurch war auch mehr Schmutz und Unrat im Gewässer. Daher nahm Ludwig Mittelmair aus Buchloe, der das Kraftwerk seit 2011 betreibt, seinen aus Sarajevo stammenden und in Kötz wohnenden Mitarbeiter Davud Mesic mit. Etwa fünf Minuten lang waren sie mit verschiedenen Routinearbeiten beschäftigt, ehe sie zu dem Rechen der kleinen Turbine gingen. Dort sahen sie zwei Kinderschuhe.
Da oft Sachen angespült werden, war das zunächst für sie nicht ungewöhnlich. Bei der automatischen Reinigung, die derzeit im Intervall von 45 Minuten läuft, wurde zudem eine Spielzeugpistole herausgefischt. Als Mesic mit dem Beseitigen des Treibguts beschäftigt war, fuhr Mittelmair außerplanmäßig die hydraulisch betriebene Vorrichtung per Knopfdruck nach unten.
Die erste Reaktion: "Da haben sie 'ne Puppe reingeworfen"
Als der Rechenreiniger immer weiter Richtung Wasseroberfläche fuhr, sagte Mesic noch: „Da haben sie ’ne Puppe reingeworfen.“ Wenige Sekunden später kamen Haare zum Vorschein. Jetzt reagierte Mittelmair sofort und drückte den Notausschalter des Rechenreinigers – für beide ein Schreckmoment. Mittelmair griff nach einem Besen, hakte das nun zum Vorschein gekommene Kind unter der Schulter ein, zog es nach oben und legte es auf den Boden. Er hatte die Vermutung, dass es sich um ein Kind aus der unmittelbar daneben stehenden Gemeinschaftsunterkunft handelt und trommelte im Ausnahmezustand gegen ein Fenster, das sich nur etwa zwei Meter daneben befindet. Seinem Mitarbeiter sagte er „Mach du hier die Erstmaßnahmen, ich weiß, dass du das kannst und ich schau nach der Rettung.“
Mesic schnappte sich den Buben und legte ihn einige Meter weiter auf den Holzboden und begann sofort, nachdem er keinen Herzschlag und keine Atmung feststellen konnte, mit der Herz-Druck-Massage. Beide glaubten nicht mehr daran, dem Kleinen helfen zu können, da bereits blutiger Schaum aus Mund und Nase kam und er blau angelaufen war. Dennoch versuchten sie es. Mittelmair rannte Richtung Kraftwerksgebäude zu seinem Handy. Auf dem Weg dorthin sah er die Nachbarin stehen. Diese schrie er in seiner Panik an, sie solle den Notruf 112 wählen, was sie auch sofort tat und ihm das Telefon in die Hand drückte.
Bewohner der benachbarten Unterkunft wollten ihm das Kind wegnehmen
Er informierte nun die Integrierte Leitstelle. Währenddessen versammelten sich gut zehn Personen der Gemeinschaftsunterkunft und versuchten, Mesic das Kind wegzunehmen. Er appellierte an die Leute, ihn machen zu lassen. „Ihr entscheidet über Tod oder Leben“, schrie er sie an. Der Stress durch das Kämpfen ums Weitermachen löste zusätzliche Aufregung bei ihm aus, dennoch machte er weiter. Er drückte 15 Mal und beatmete dann zwei bis drei Mal. Nach etwa zwei Minuten machte der Bub einen Hicks, schlug die Augen auf und schaute ihn ängstlich an. Der Vierjährige lebte. Nun trafen auch Rettungsdienst und Rettungshubschrauber sowie die Feuerwehr ein.
Mittelmair und besonders Mesic sind emotional, während sie erzählen, und teils noch sehr aufgewühlt. Sie haben Großes geleistet, zeigen sich aber dennoch bescheiden. Mittelmair will sich nicht einmal fotografieren lassen. „Wir sind keine Helden, wir haben nur unsere Bürgerpflicht getan“, sagen sie. Dennoch haben sie einem vierjährigen Kind das Leben gerettet. Ein Bub, der wohl viele Schutzengel an diesem Tag bei sich hatte.
Mehrere glückliche Umstände kamen zusammen
Das Kind war etwa 30 Meter flussaufwärts in die Mindel gefallen, wurde abgetrieben und ging unter. Dies hatten Mittelmair und Mesic nicht mitbekommen. Dann kamen gleich mehrere glückliche Umstände zusammen. Wäre der Bub in Richtung der großen Turbine getrieben worden und hätte Mittelmair nicht den Knopf zur manuellen Reinigung des Rechens gedrückt, wäre der kleine Körper erst beim nächsten automatischen Intervall zum Vorschein gekommen.
Wäre das Kind am Grund gelegen, hätte es der nach unten fahrende Rechenreiniger zerquetscht – und hätte Mesic, 65, nicht sofort reanimiert, hätte die Mutter ihr Kind verloren. Bei aller Aufregung finden Mittelmair und Mesic lobende und dankende Wort für die Nachbarin, die sofort den Notruf wählte, und für den Rettungsdienst, die Polizei und die Feuerwehr, die trotz eines Verkehrsunfalls auf der Autobahn schnell da waren.
Polizeichef findet Lage der Unterkunft "unglücklich"
Polizeihauptkommissar Stefan Eska, Leiter der Polizeiinspektion Burgau, lobt gegenüber unserer Zeitung das entschlossene Handeln von Mittelmair und Mesic, das dem vierjährigen türkischen Kind das Leben rettete. Den Standort der Unterkunft direkt zwischen einer viel befahrenen Straße sowie der Mindel und dem Kraftwerk bezeichnet er aber als „unglücklich“.
Der Rettungshubschrauber flog das Kind in eine Klinik nach Augsburg, wo es noch eine Woche bleiben muss. Es geht ihm soweit gut, es wird keine bleibenden Schäden davontragen, heißt es von der Polizei. Die weiteren Ermittlungen sollen nun klären, wie es zu dem Unglück kommen konnte und ob die Aufsichtspflicht eingehalten wurde.
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