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Burgau: Corona trifft die Burgauer Innenstadt: Weitere Geschäfte schließen oder verändern sich

Burgau

Corona trifft die Burgauer Innenstadt: Weitere Geschäfte schließen oder verändern sich

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    Bei der „Perlenecke“ in der Burgauer Innenstadt läuft der Räumungsverkauf. Auch sonst steht das Zentrum vor Veränderungen.
    Bei der „Perlenecke“ in der Burgauer Innenstadt läuft der Räumungsverkauf. Auch sonst steht das Zentrum vor Veränderungen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die Stadtapotheke ist schon lange Geschichte. Das Sportgeschäft gibt es auch nicht mehr. Und die HypoVereinsbank hat ihre Filiale ebenfalls vor Jahren aufgegeben. An Burgaus Einkaufsstraße, der Stadtstraße, sind die Leerstände unübersehbar. Manche andere Schaufenster sind zwar noch dekoriert, doch im Laden tut sich nichts bis wenig; aus früheren Geschäften wurden Büros und Wohnungen. Natürlich, es gibt sie hier, die alt eingesessenen Fachgeschäfte, die sich um die Kunden bemühen. Doch die Zahl der Leerstände im Zentrum nimmt zu. So haben sich weitere Geschäftsleute dazu entschlossen, nicht weiterzumachen – oder nicht wie bisher.

    Vor der „Perlenecke“ steht ein Schild, das auf den Räumungsverkauf wegen der Geschäftsaufgabe hinweist. Am 30. Juni wird der letzte Tag sein, sagt Inhaberin Angelika Schwarz. Der Grund: Corona. Insgesamt 13 Jahre gibt es den Laden nun schon, vor geraumer Zeit war er innerhalb der Innenstadt um- und an die Stadtstraße gezogen. Die Anfangszeit „war nicht einfach“, aber zuletzt – vor der Pandemie – sei sie zufrieden gewesen. Doch schon im Januar vergangenen Jahres habe sie gemerkt, dass die Frequenz spürbar nachgelassen habe.

    Angelika Schwarz schließt in Burgau das Geschäft "Perlenecke" an der Stadtstraße.
    Angelika Schwarz schließt in Burgau das Geschäft "Perlenecke" an der Stadtstraße. Foto: Schwarz

    Wer brauche ohne Feste, ohne ein schönes Abendessen im Restaurant schon Schmuck? Zwar hat sie auch Bastel- und Handarbeitsbedarf im Sortiment, aber es eröffneten immer mehr Billigläden wie „Thomas Philipps“ oder „Action“, bei denen man so etwas auch erhalte. Und wenn vielleicht „Müller“ nach Burgau kommt, sei es ganz vorbei. Sie mache viel Schmuck selbst, doch die jungen Leute bestellten Markenware im Internet „und die Alten sterben weg“. Ohnehin könne sie mit den Ketten nicht konkurrieren, und „wir haben eine Wegwerfgesellschaft.“ Die Ungewissheit, wann der nächste Lockdown kommt, und wie es generell weitergeht, gehe ihr an die Psyche, daher wolle sie jetzt lieber „ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende“. Es tue ihr in der Seele weh, aber lieber wechsele sie in ein sicheres Angestelltenverhältnis. Die Innenstadt blute ohnehin immer mehr aus.

    Blumen gibt es in Burgau jetzt an der Tankstelle

    Das sieht Bettina Krautmann auch so. Die Inhaberin des Blumengeschäfts „Flowers and more“ hat ihr Ladenlokal auf unbestimmte Zeit für Kunden geschlossen, stattdessen gibt es ihre Blumenkreationen an der „Total“-Tankstelle an der Augsburger Straße oder nach einer Bestellung geliefert. Die Corona-Lockdowns hätten sie zur Veränderung gezwungen – und das Geschäft laufe besser als zuvor. Ständig gingen Bestellungen ein. Nach dem ersten Lockdown sei in der Burgauer Innenstadt noch weniger los gewesen als ohnehin, und auch jetzt sehe man kaum jemanden auf der Straße. Dazu trage auch bei, dass die Politessen Geschäftsleute und Kunden „schikanieren“ – seit Jahrzehnten werde über ein Parkdeck an der Stadtstraße diskutiert.

    Bettina Krautmann liefert ihre Blumen und bietet sie an der Tankstelle an.
    Bettina Krautmann liefert ihre Blumen und bietet sie an der Tankstelle an. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Wie es mit dem Ladenlokal weitergeht, kann Krautmann noch nicht sagen. Falls sie es wieder öffnet, dann erst nach Corona – aus gesundheitlichen Gründen könne sie nicht die ganze Zeit die Maske tragen – und dann auch nicht mehr sechs Tage die Woche. Sie könne gar nicht kontrollieren, wie viele Leute sich gleichzeitig darin aufhalten, und der Staat wolle ja offenbar die kleinen Läden nicht, da er Supermärkte alles verkaufen lasse, während sie im Lockdown geschlossen halten musste. Sollte doch mal wieder jemand in Burgau eröffnen, hofft sie, dass das Konkurrenzdenken untereinander aufhöre – jeder Laden sei gut für die Frequenz.

    Nach mehr als 25 Jahren ist Schluss im Reisebüro in Burgau

    Bereits geschlossen ist das Reisebüro „Kolibri“ am Schmiedberg, offiziell wird es zum Monatsende aufgelöst. Geschäftsführer Christian Selzle sagt, dass die Umsätze durch Corona eingebrochen seien. Er habe die Reißleine gezogen, bevor er pleite gehe. Vorübergehend arbeite er als Kontaktnachverfolger beim Gesundheitsamt und zudem bei Dirr-Reisen, die seit vergangenem Jahr selbst ein Reisebüro betreiben, wo er künftig ganz tätig sein wolle.

    Christian Selzle schließt das Reisebüro am Schmiedberg.
    Christian Selzle schließt das Reisebüro am Schmiedberg. Foto: S. Selzle/Reisebüro

    Eine seiner Mitarbeiterinnen habe selbst gekündigt, für die andere sei eine Lösung auf dem Weg. Das Reisebüro habe es seit mehr als 25 Jahren gegeben, er sei seit 15 Jahren Geschäftsführer gewesen. Natürlich tue es ihm leid, jetzt aufzuhören, aber eine andere Wahl bleibe nicht.

    Manchmal braucht es eine Woche, um die Waschmaschine in der Reinigung voll zu bekommen

    Generell spielt Corona mit den Lockdowns eine große Rolle – auch bei denen, die weiter Kunden empfangen wollen. Da ist etwa die Reinigung von Memduha Oral, nur wenige Meter hinter dem Stadttor gelegen. Mit zunehmendem Homeoffice und ausgefallenen Veranstaltungen fehlen ihr Umsätze, „das T-Shirt oder den Pullover kann man auch zu Hause waschen“. Zunächst hatte sie halbtags geöffnet, doch es sei zu wenig los gewesen. Nun hat sie montags den ganzen Tag geöffnet, zusätzlich samstags.

    Normalerweise trage sie bei der Arbeit nur ein T-Shirt, weil es in der Reinigung im Vollbetrieb so warm sei. Doch derzeit brauche sie einen Pullover. Manchmal dauere es eine Woche, um die große Waschmaschine überhaupt voll zu bekommen. Sie musste ans Ersparte gehen, „langsam wird es finanziell eng“. Sie hofft, dass sich das Leben wieder normalisiert, die Leute ins Büro und zu Festen gehen können – und dann ihre schicken Sachen bei ihr waschen lassen. In der Stadt sei aber leider kaum etwas los.

    Burgauer Händler: "Die Laufkundschaft fehlt"

    Lange geschlossen hielt Edgar Bader sein Geschäft, gewissermaßen auf der anderen Seite der Straße gelegen. Hier gibt es unter anderem Drogerieartikel zu kaufen und natürlich die selbst hergestellten Kerzen. Er habe aus Solidarität mit den anderen Händlern länger zu gehabt – und weil ihm lange eine klare behördliche Aussage gefehlt habe, ob er denn überhaupt öffnen darf. Die Ware auch im Internet zu präsentieren sei eine gute zusätzliche Möglichkeit, Kunden zu gewinnen, aber keinesfalls die alleinige.

    Die Stadtstraße in Burgau. Hier gibt es Fachgeschäfte – aber auch zunehmend leere oder nicht mehr als Geschäft genutzte Ladenlokale.
    Die Stadtstraße in Burgau. Hier gibt es Fachgeschäfte – aber auch zunehmend leere oder nicht mehr als Geschäft genutzte Ladenlokale. Foto: Bernhard Weizenegger

    Es sei zu wenig Betrieb in der Innenstadt, das sei auch eine Sache der Stimmung. „Die Laufkundschaft fehlt“, ebenso die Marktsonntage. Während die einen begeistert wären, sollte die Drogeriekette „Müller“ nach Burgau kommen, würde Bader das nicht begrüßen. „Der Kuchen wird nicht größer“, von dem die Händler leben müssten, die Schnittmenge zu Burgauer Fachgeschäften sei bei „Müller“ sehr groß. Es fehle inzwischen einfach die Vielfalt in der Stadt.

    Weiterer Händler in Burgau: "Die Innenstadt ist tot"

    Mitten in der Pandemie haben Patrick Hartmann, Roland Pokern, Michel Seelau, Holger Wilbert und Mimmo Politano im vergangenen Jahr ihren „Selwie-Shop“ für Reinigungsgeräte, Kaffeemaschinen, Wasseraufbereiter und Nähmaschinen direkt neben der Reinigung an der Stadtstraße eröffnet. Doch „die Leute haben Angst, hereinzukommen“, sagt Seelau. Offenbar wüssten sie nicht, was sie erwartet. Deshalb habe man Paketshops integriert, um die Hemmschwelle abzubauen. Das funktioniere, doch es seien zu wenige Leute unterwegs, „die Innenstadt ist tot“. Statt Unterstützung gebe es Strafzettel. Und die Menschen wollten auf der einen Seite Beratung, kauften auf der anderen aber im Internet. Wenn das bis Jahresende so weitergehe, könne er schließen. Aber er sei zuversichtlich, dass es ab Sommer aufwärts gehe. Was ihn auch optimistisch stimmt: die Gemeinschaft der Händler. Corona habe sie mehr zusammengeschweißt.

    Ideen für die Burgauer Innenstadt

    Das Bindeglied zwischen den Unternehmen ist der Handels- und Gewerbeverein (HGV). Er ist Teil des Arbeitskreises Wirtschaftsförderung. Mitglieder von HGV und Stadtrat sowie Bürgermeister Martin Brenner (CSU) haben sich in der vergangenen Woche wieder getroffen – Themen waren die Situation der Innenstadt und Aktionen für dieses Jahr, sofern sie angesichts der Pandemie möglich sind. „Wir sind im Gespräch mit neuen Einzelhandelsgeschäften“, erklärt HGV-Vorsitzender Harald Dalm. Der Bürgermeister wolle helfen. Aktionen sollen das Zentrum beleben, aber auch gastronomische Mitglieder des Handels- und Gewerbevereins sollen unterstützt werden. Eine Idee: Bei einer bestimmten Kaufsumme in den Mitgliedsgeschäften erhalten die Kunden einen Gutschein, den sie in der Gastronomie einlösen können, wenn diese Teil des HGV ist.

    Harald Dalm (rechts), Vorsitzender des Handels- und Gewerbevereins Burgau sowie sein Stellvertreter Michael Hackenberg an der Burgauer Stadtstraße. Hier gibt es noch schöne Fachgeschäfte – und zunehmend Leerstand.
    Harald Dalm (rechts), Vorsitzender des Handels- und Gewerbevereins Burgau sowie sein Stellvertreter Michael Hackenberg an der Burgauer Stadtstraße. Hier gibt es noch schöne Fachgeschäfte – und zunehmend Leerstand. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Außer den erwähnten Läden gibt es in der Innenstadt übrigens zwei weitere, bei denen die Inhaber womöglich aufhören beziehungsweise so oder so umziehen. Da im einen Fall noch keine endgültige Entscheidung gefallen und bei beiden mit den Vermietern noch nicht gesprochen worden sei, wollen sie das aber noch nicht öffentlich machen.

    Das sagen der Bürgermeister und der Wirtschaftsreferent

    Da Corona und der digitale Wandel dem klassischen Handel zunehmend zusetzten, müsse man sich stärker um kreative Lösungen bemühen, sagt Wirtschaftsreferent Thorsten Brucker(CSU), selbst Geschäftsmann. Die schlechten Nachrichten schockten einen, aber nun gehe es darum, sich auch woanders Ideen zu holen und an den Rahmenbedingungen zu arbeiten. Dazu zähle schon der Tempo-30-Bereich auf der Stadtstraße oder das Verändern von Parkzeiten. Es könne nicht die Lösung sein, dass es nur noch Büros in Ladenlokalen gebe, darunter leide die Frequenz in der Stadt. Bürgermeister Brenner ergänzt, man könne auch mit Vermietern über die Höhe der Mieten reden, generell zeigten Anfragen von ansiedlungsbereiten Geschäftsleuten, dass Burgau interessant sei.

    Martin Brenner ist Bürgermeister von Burgau.
    Martin Brenner ist Bürgermeister von Burgau. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Und, sagt wiederum Brucker, wenn die Innenstadt wirklich aussterben würde, hätte etwa „die Metzgerei Merkle nicht so groß investiert“ (wir berichteten). Neue Geschäfte dürften nicht als Konkurrenz verstanden werden, es müsse ein Miteinander geben. Der Bürgermeister betont, dass man mit Be- und Entladeausweisen oder Park-Ausnahmegenehmigungen für Essenslieferanten Betrieben entgegenkomme. Wenn im Herbst das Stadthaus öffnet, „wird sich auch das Thema Parken entspannen“ – wenn man bereit sei, ein paar Meter zu gehen. Auch solle der Radverkehr gestärkt werden.

    Noch immer kein Nachmieter fürs ehemalige Sportgeschäft in Burgau

    Derweil sucht Wolfgang Stocker weiter nach einem Nachmieter fürs frühere Sportgeschäft an der Stadtstraße. Interessenten gebe es, aber vor allem Start-ups, Dönerverkäufer und Leute, die keine Miete zahlen wollten. Da warte er weiter auf den Richtigen, etwa einen Sportartikelverkäufer oder eine Drogerie, auf Hochwertiges für die Innenstadt.

    Eine gute Nachricht gibt es auch: Mit einem Aushang suchen Geschäftsleute nach einem Ladenlokal. Da Gespräche liefen, könnten sie aber noch nicht mehr sagen.

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