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Kreis Günzburg: Beim Roten Kreuz braut sich was zusammen

Kreis Günzburg

Beim Roten Kreuz braut sich was zusammen

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    Der BRK-Kreisverband Günzburg sitzt in einem Gebäude an Parkstraße und Mozartring in der Kreisstadt. So schön die Straßennamen klingen, so unschön erscheint dem Personal, was hier geschieht.
    Der BRK-Kreisverband Günzburg sitzt in einem Gebäude an Parkstraße und Mozartring in der Kreisstadt. So schön die Straßennamen klingen, so unschön erscheint dem Personal, was hier geschieht. Foto: Christian Kirstges

    Die Vorstandswahlen beim Günzburger Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) vor gut einem Jahr waren so etwas wie eine Abstrafung. Dass die meisten der langjährigen Amtsinhaber kaum noch Stimmen erhielten, wird als Zeichen für die große Unzufriedenheit gewertet. Matthias Kiermasz, der sich klar gegen den Mitbewerber und bisherigen Schatzmeister Konrad Barm durchsetzte, sollte als neuer Vorsitzender frischen Wind bringen. Die Hoffnung haben nicht wenige nun aufgegeben.

    Denn Kiermasz hat die plötzliche Degradierung von Rettungsdienstleiter Alexander Faith, 46, mitgetragen. Er wurde von heute auf morgen von seinen Aufgaben entbunden. Wie das geschehen ist, macht viele fassungslos. Sie sehen es als Symbol dafür, wie mit Haupt- und Ehrenamtlichen umgegangen wird. Mancher will seine Arbeit beim Kreisverband nun beenden, eine Mitarbeiterin hat ihre (befristete) Führungsposition bereits abgegeben.

    Auch Stefan Jagel, Gewerkschaftssekretär von Verdi in Augsburg, hat seit einiger Zeit Kenntnis von Ärger und Druck, sagt er auf Anfrage, ebenso über nicht eingehaltene Dienstpläne und regelmäßige Arbeitszeitverstöße. Informationen dazu hat auch unsere Zeitung. Der Kreisgeschäftsführer werde als das große Problem gesehen, er habe „ein schreckliches Führungsverhalten“. Das Personal wolle das nicht mehr akzeptieren, eine Reihe von Mitarbeitern aus allen Bereichen habe aber schon vor der Personalie Faith den Dienst quittiert. Die geballte Unruhe beim Kreisverband sei „auffällig“. Besonders wird sie beim Rettungsdienst sichtbar.

    Am 30. April veröffentlichtes Schreiben datiert auf den 25. April

    So wurde der Kreisvorstand am Dienstag, 24. April, kurz nach 22 Uhr per E-Mail von Kiersmasz informiert, „dass Kreisgeschäftsführer Tophofen und ich heute Herrn Alexander Faith von seiner Aufgabe als Leiter des Rettungsdienstes im Kreisverband mit sofortiger Wirkung entbunden haben“. Über Monate sei versucht worden, eine Basis zu finden, doch sie kamen nun „zu unserem Bedauern zu der Erkenntnis, dass eine vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit in dem von uns klar formulierten Sinne nicht erreichbar ist“. Nach dem Abwägen der „Gesamtumstände“ und nach dem Anhören des Personalrats habe man sich entschieden, ihn in den Rettungsdienst zu versetzen, steht in der Mail, die unserer Zeitung vorliegt.

    Dort fährt Faith, der sich wegen des „laufenden Verfahrens“ nicht äußern möchte, nun auf dem Rettungswagen der Wache Jettingen mit. Außerdem wurde ihm die Aufgabe des Rettungsdienst-Einsatzleiters entzogen. Der zuständige Zweckverband soll ihn nach dem Wunsch des Kreisverbands auch als Organisatorischen Leiter absetzen. Faith, so Kiermasz, habe den aufgezeichneten Weg nicht mitgehen wollen, die Versetzung sei unausweichlich gewesen. Das Personal wurde kurz im Intranet informiert. Das entsprechende Schreiben datiert auf den 25. April, obwohl es erst am 30. April veröffentlicht wurde, wofür unserer Zeitung ein Beleg vorliegt. Später gab es dann noch eine Mitarbeiterversammlung.

    Offiziell will sich kaum jemand zu ihm bekennen

    Bei Gesprächen wird deutlich, dass Faith intern und extern gerade wegen seiner Fachkenntnisse geschätzt wird. Der ein oder andere sagt zwar, dass er impulsiv sei, was ihn angreifbar mache. Aber er sei immer geradlinig, stehe zu seinem Wort und als Vorgesetzter habe er es nun einmal nicht jedem recht machen können. Entscheidungen würden immer seltener von den Mitarbeitern akzeptiert; wenn Faith Probleme regeln wollte, habe er keine Rückendeckung des Geschäftsführers erhalten, dessen Weg er auch nicht habe mitgehen wollen. Dafür zollen ihm viele Respekt.

    Allerdings will sich kaum jemand offiziell an seine Seite stellen aus Angst um den eigenen Job. Es herrschten Misstrauen und Mobbing. Wie zu hören ist, soll die Absetzung Faiths von Mitarbeitern der Rettungswache Krumbach befeuert worden sein. Deren Leiter möchte sich genausowenig gegenüber unserer Zeitung äußern wie zwei Funktionäre aus dem Kreissüden. Auch vom Personalrat des Kreisverbands gibt es keine Auskunft, der BRK-Landesverband hat die Anfrage unserer Zeitung nach eigener Angabe an den Bezirksgeschäftsführer gegeben, eine Antwort gibt es nicht. Der Gesamtpersonalrat reagiert gar nicht auf die Bitte der Kontaktaufnahme.

    Viel Lob für den Degradierten

    Hingegen sagt etwa Nico Harder, einer der beiden Leiter der BRK-Wasserwacht im Kreis, dass er mit Alexander Faith zufrieden gewesen sei. „Es ist schade, dass das Rote Kreuz diese Richtung nimmt.“ Auch Werner Schedel, Leiter der Autobahnpolizei Günzburg, schätzt ihn fachlich wie menschlich, „er war ein Gewinn“. Die Leiter der Polizeiinspektionen Günzburg und Krumbach loben die Zusammenarbeit genauso wie der Chef der Autobahnbetreibergesellschaft Pansuevia. Günzburgs Notarzt-Obmann Marc-Michael Ventzke erklärt gar: „Persönlich verliere ich einen verlässlichen Partner, was ich sehr bedauere.“

    Durch die Kooperation seien etwa die Fahrzeuge immer auf dem aktuellen Stand „und der Zeit teilweise voraus“ gewesen. Wie zu hören ist, gibt es da seit Faiths Absetzung nun Probleme. Auch Kreisbrandrat Robert Spiller kann nur Gutes berichten. Somit wäre ein angeblicher Grund für die Degradierung, nämlich Beschwerden von Organisationen, mit denen Faith zusammenarbeitete, zumindest von dieser Seite nicht nachvollziehbar.

    Zweckverband will ihn nicht abberufen

    Dass er nicht mehr im Amt ist, war für viele überraschend. Spiller etwa hätte sich eine sofortige Information gewünscht, man müsse wissen, mit wem man bei Einsätzen und darüber hinaus zu tun hat. Nicht einmal die Geschäftsführerin des für den Rettungsdienst zuständigen Zweckverbands, Julia Lindner, wurde direkt in Kenntnis gesetzt. Sie sieht für sich keinen Grund, Faith infrage zu stellen, sagt sie. Grundsätzlich sei das alles die Sache des BRK, aber sollte sich die schlechte Stimmung auf die Arbeit auswirken und es Beschwerden von Patienten geben, werde sie dem nachgehen.

    Faith auch als Organisatorischen Leiter abzuberufen, als der er vom Zweckverband bestellt wurde, sei nicht geplant. Dafür müsse es triftige Gründe geben, „und die gibt es nicht“, betont Lindner. Zweckverbandsvorsitzender Landrat Hubert Hafner will mit unserer Zeitung nicht darüber reden. Er lässt an Matthias Kiermasz verweisen. Der ist derzeit im Urlaub. Zwar sei der Kreisgeschäftsführer der Ansprechpartner für Presseauskünfte, aber er wolle nach dem Urlaub noch selbst für ein Gespräch zur Verfügung stehen, sagt Kiermasz.

    Der neue Schatzmeister gab sein Amt schnell auf

    Dass die Vorstandswahlen keine Ruhe haben einkehren lassen, wird auch daran deutlich, dass die Position des Schatzmeisters seit gut einem Jahr vakant ist. Es gibt nur einen Stellvertreter. Der neu Gewählte soll schon kurz nach den Wahlen desillusioniert gewesen sein, er gab sein Amt rasch auf. Es seien von Kiermasz Ausgaben in Aussicht gestellt worden, die angesichts der schlechten Finanzlage des Kreisverbands nicht zu stemmen seien, erklärt ein Kenner des Themas. Der neue Vorsitzende, sagen die meisten, mit denen unsere Zeitung gesprochen hat, lasse sich von Tophofen „vor den Karren spannen“, wie es jemand formuliert.

    Es wird gehofft, dass Tophofen, der 1987 zum Geschäftsführer bestellt wurde und 2017 für 40 Jahre in Diensten des Roten Kreuzes geehrt wurde, bald in den Ruhestand geht und auf diese Weise Ruhe einkehrt. Andere hingegen sind der Ansicht, er handele nur so, wie der Vorstand es ihm vorgebe. Und Probleme gebe es überall.

    Geschäftsführer schätzt „wahnsinniges“ Fachwissen des Degradierten

    Werner Tophofen will sich nicht näher zur Absetzung Faiths äußern, Interna würden nicht in der Öffentlichkeit diskutiert. Es habe „atmosphärische Störungen“ gegeben, die Entscheidung sei nicht von heute auf morgen gefallen. Dass Faith, der seit mehr als 20 Jahren beim BRK sei und seit November 2012 Rettungsdienstleiter war, nur versetzt und nicht entlassen wurde, habe mit sozialer Abfederung zu tun.

    Auch habe er viel Gutes für den Kreisverband getan und ein „wahnsinniges“ Fachwissen, das man sich erhalten wolle. Dass er sein Gehalt bis zur Klärung der beruflichen Zukunft im BRK weiter beziehe, habe ebenfalls mit Fürsorge zu tun. Zur massiven Kritik an seiner Person sagt Tophofen, dass man ihn sicher gebeten hätte, seinen Stuhl zu räumen, wenn in den Jahrzehnten seiner Tätigkeit alles so schlecht gewesen sei.

    Es sollte auch auf das Erreichte geblickt werden

    Wenn es Arbeitszeitverstöße gebe, würde er eingreifen, aber ihm seien keine bekannt. Wenn Mitarbeiter von anderen gegängelt würden, werde das nicht toleriert; dazu werde es auch noch Gespräche geben. Dass Kollegen psychisch erkrankt ausgeschieden seien, habe sicher nicht mit allgemeiner Unzufriedenheit zu tun. Einen neuen Schatzmeister zu finden sei nicht einfach bei einem Unternehmen mit einem Zwölf-Millionen-Euro-Jahresumsatz, für das man eine gewisse Zeit, Kompetenz und Entscheidungsfreude mitbringen müsse.

    In der Tat habe es finanziell schwierige Zeiten wegen einer schlechten Belegung im Krumbacher Altenheim gegeben, aber die Kostendeckung werde dort wieder erreicht. Konkrete Zahlen will Tophofen nicht nennen. Ohnehin wäre er froh, wenn nicht nur auf Probleme, sondern auf Erreichtes geblickt werde.

    Mancher im Kreisverband fürchtet, dass die Arbeit leidet

    Ihm sei es wichtig, „dass wir zur Ruhe kommen, wir müssen unsere Aufgaben erfüllen“. Er habe aber nicht den Eindruck, dass durch die Unruhe das Personal emotional so belastet sei, dass die Arbeit darunter leide – was mancher im Kreisverband fürchtet, auch wenn alle so gut wie möglich für die Patienten da sein wollen.

    Dass Interna von Mitarbeitern öffentlich diskutiert werden, kann er nicht nachvollziehen. Und dass es schwierig sei, Vakanzen gerade in der Wache Krumbach zu besetzen, sei dem Fachkräftemangel geschuldet. Daran werde gearbeitet und die Stelle des Rettungsdienstleiters ausgeschrieben.

    Die Homepage wird gerade umgebaut

    Der Kreisverband des Roten Kreuzes scheint sich jedenfalls im Umbau zu befinden. Nicht nur, dass bei den Wahlen vor einem knappen Jahr Kiermasz zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Der Kammeltaler Bürgermeister (CSU) war bis kurz davor nicht einmal Mitglied des BRK gewesen. Entscheidende Positionen im Vorstand wurden neu besetzt. Auf der Internetseite des Verbands fehlten zuletzt viele Fotos der Ansprechpartner.

    Nun ist die Homepage nicht verfügbar, sie werde umgebaut, steht dort. Im Beitrag vom 30. Juni 2017, der noch im Netz zu finden ist und drei Monate nach den Wahlen datiert, steht zur Ehrung des Geschäftsführers, dass er nie den Bezug zur Basis verloren habe. Es sei auch sein Verdienst, dass sich Ehren- und Hauptamtler mit den Aufgaben identifizieren könnten.

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