Einmal für einen Augenblick unachtsam, die Sonne blendet oder die Reaktionszeit nach Auftauchen des Tiers ist einfach zu kurz - Wildunfälle können viele Ursachen haben. Manchmal lassen sie sich für den Fahrer schlichtweg nicht vermeiden. Laut ADAC machen Zusammenstöße von Fahrzeug und Tier fünf Prozent aller Verkehrsunfälle aus.
Zwischen 230.000 und 300.000 Wildunfälle registriert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) demnach im Jahr. Die geflossenen Versicherungssummen haben dabei binnen eines Jahrzehnts um mehr als 50 Prozent auf mehr als 850 Millionen Euro im Jahr zugenommen. Hier beantworten wir wichtige Fragen rund um Wildunfälle.
Wann besteht die größte Gefahr für Wildunfälle?
Bezogen auf die Jahreszeiten, gibt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV, eine klare Antwort: "Besonders hoch ist das Risiko in den Monaten April und Mai und von Oktober bis Dezember." Bei der Auswertung der Zahlen zwischen 2015 und 2017 offenbarte sich die größte "Abweichung von der mittleren Häufigkeit versicherter Wildunfälle von Pkw" im Mai, gefolgt vom April und November.
Schauen wir auf die Uhrzeit, zu der die meisten Wildunfälle verzeichnet werden, nennt der Deutsche Jagdverband (DJV) "zwischen 6 und 8 Uhr morgens". Erklärt wird das etwa mit der Futtersuche der Rehe, die im Frühjahr nach Monaten im Energiesparmodus umso mehr unterwegs sind. Um nicht ihren Fressfeinden in die Quere zu kommen, nutzen sie den Schutz der Dämmerung - diese fällt nach der Zeitumstellung Ende März für Wochen in die Zeit des Berufsverkehrs.
Welche Tiere werden besonders häufig Opfer von Wildunfällen?
Laut DJV sind Rehe in knapp die Hälfte aller Wildunfälle verwickelt. Etwa jede zehnte Kollision tut Feldhasen oder Kaninchen weh. Der gleiche Prozentsatz entfällt demnach auf kleinere Säuger wie Igel, Marder oder Hauskatzen. Für Füchse werden sieben Prozent angegeben, für Wildschweine und Vögel jeweils fünf.
Weiter informiert der DJV, jeder vierte Wildunfall mit einem Reh würde in die Monate April und Mai fallen. Vertiefend heißt es: "Besonders kritisch ist in beiden Monaten die Zeit von 6 bis 7 Uhr, im Mai zusätzlich zwischen 21 und 22 Uhr."
Bei Feldhasen gilt die Stunde zwischen 7 und 8 Uhr als gefährlichster Zeitraum. Hierzu schreibt der DJV: "Über 40 Prozent aller insgesamt gemeldeten toten Tiere entlang von Straßen entfallen auf die Monate März bis Mai."
Wildschweine, Dam- und Rothirsche stoßen demnach "in den Herbstmonaten besonders häufig mit Fahrzeugen zusammen". In der Wildunfall-Statistik 2019/2020 sind 198.970 Unfälle mit Rehwild gelistet, 31.150 mit Schwarzwild, 4580 mit Damwild und 3060 mit Rotwild.
Wie lässt sich ein Wildunfall vermeiden?
Da an einem Wildunfall neben dem Mensch immer auch ein Tier beteiligt ist, lassen sich diese Zusammenstöße nie komplett vermeiden. Dennoch gibt der DJV diverse wertvolle Tipps, um einen Crash unwahrscheinlicher zu machen.
Zunächst einmal gelten Landstraßen als größtes Gefahrengebiet, besonders hervorgehoben werden "neue Straßen durch Waldgebiete, da Tiere gewohnte Wege nutzen". Doch schon auf Strecken, die an unübersichtlichen Wald- und Feldrändern entlangführen, sollte die Geschwindigkeit reduziert werden. Oftmals machen auch entsprechende Verkehrsschilder auf die Wildwechsel aufmerksam.
Ist ein Tier am Straßenrand zu sehen, empfiehlt es sich laut DJV, abzublenden, zu hupen und abzubremsen. Denn, so der ADAC: Wird ein Tier vom Fernlicht geblendet, bleibt es stehen, das Hup-Geräusch sollte es zudem verscheuchen. Wichtig außerdem: Sollte ein Tier bereits die Straße überquert haben, sollten Autofahrer umso aufmerksamer sein - denn mit Nachzüglern ist stets zu rechnen.
Ist ein Zusammenstoß nicht mehr abzuwenden, sollte man diesen aber in Kauf nehmen, betont Käfer-Rohrbach vom GDV: "Riskante Ausweichmanöver sind nicht ratsam. Die Kollision mit einem anderen Auto oder einem Baum ist in der Regel gefährlicher als der Zusammenprall mit einem Wildtier."
Wildunfall: Was tun?
Wenn nun aber alle Vorkehrungen nichts geholfen haben, geht es darum, Folgeunfälle zu vermeiden und über den Zwischenfall zu informieren. Der ADAC nennt als erste Schritte nach dem Wildunfall: Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anziehen und Unfallstelle absichern. Dies sei auch nötig, falls das Tier nach dem Crash verletzt geflüchtet sei. Zudem sei es wichtig, die Ruhe zu bewahren.
Sind Personen verletzt worden, sollte die 112 gewählt und gegebenenfalls Erste Hilfe geleistet werden. Unabhängig von Verletzten muss die Polizei unter der 110 informiert werden, dabei ist der genaue Standort durchzugeben. In vielen Bundesländern ist zudem ein Jäger vom Wildunfall in Kenntnis zu setzen. Hier empfiehlt der ADAC, sich vom Jäger eine Wildschadenbescheinigung aushändigen zu lassen - diese kann laut GDV und DJV aber auch bei der Polizei angefragt werden.
Hat das Tier den Unfall nicht überlebt, sollte der Kadaver dem ADAC zufolge nach Möglichkeit an den Randstreifen gezogen werden. Dabei sollte das Tier aber nur mit Handschuhen angefasst werden, da Gefahr von Parasiten oder Krankheiten ausgehen könnte. Der GDV rät dagegen davon ab, das Tier anzufassen, da die Bergung Aufgabe des Försters oder Jagdpächters sei.
Verletzte Tiere sollten in keinem Fall angefasst werden, da diese sich wehren könnten. Der DJV schreibt sogar, es sollte Abstand gehalten werden. Auf keinen Fall darf angefahrenes Wild vom Unfallort entfernt werden, da ansonsten eine Anzeige wegen Wilderei droht.
Um dem Jäger die Suche nach einem geflüchteten Tier zu erleichtern, kann in der Unfallmeldung die Fluchtrichtung mitgeteilt werden. Auf jeden Fall sollte am Unfallort oder in sicherer Entfernung ausgeharrt werden, bis Polizei oder Jäger eintreffen.
Der GDV gibt noch den Tipp, Fotos vom Unfallort, vom Tier und vom Fahrzeug zu machen. Diese seien hilfreich für eine schnelle Schadenbearbeitung. Außerdem müsse der Versicherer angerufen werden, "bevor die Wildspuren beseitigt sind oder das Fahrzeug repariert, verschrottet oder verkauft wird".
In welchen Fällen übernimmt die Versicherung den Wildunfall-Schaden?
Laut GDV werden "Schäden am eigenen Fahrzeug, die durch Haarwild - wie Rehe und Wildschweine - verursacht werden", von der Voll- respektive Teilkaskoversicherung übernommen. In der Teilkasko besteht zudem die Möglichkeit, den Schutz "zusätzlich auf Unfälle mit bestimmten weiteren oder auch Tieren aller Art" auszuweiten. Gut zu wissen: Ein Wildschaden hat keinen Einfluss auf den persönlichen Schadenfreiheitsrabatt.
Der ADAC gibt zu bedenken, dass Unfälle mit Vögeln nicht bei allen Versicherungen inklusive sind. Die Vollkaskoversicherung sei eine Option, falls nicht nachgewiesen werden könne, "dass der Schaden am Fahrzeug durch den Zusammenstoß mit Wild oder infolge von Ausweich- oder Bremsmanövern entstanden ist". Werde diese in Anspruch genommen, erfolge jedoch eine Rückstufung in eine ungünstigere Schadenfreiheitsklasse.
Außerdem hat der ADAC einen Tipp parat, falls der Schaden "nicht durch das Wild direkt verursacht" worden, sondern die Folge eines Ausweichversuchs ohne Berührung mit dem Wild sei. Dann könne "ein Aufwendungsersatz ("Rettungskosten") von der Teilkaskoversicherung gefordert werden". Problem: Oft mangelt es an Zeugen, um das Ausweichmanöver nachzuweisen.
Gibt es einen Schadenersatzanspruch nach einem Wildunfall?
In der Regel sind laut ADAC keine Schadenersatzansprüche gegen Jagdpächter oder Waldbesitzer möglich, wenn es zu einmal Wildunfall kommt. Denn Wild sei in juristischem Sinne eine herrenlose Sache.
Allerdings seien Jagdveranstalter bei Treib- und Drückjagden dazu verpflichtet, das Wild nicht in Richtung befahrener Straßen zu treiben, da sonst die Wildwechselgefahr zunehme.
Zudem betont der ADAC: Fehlt an Wildwechselstellen oder in Gegenden mit hoher Wilddichte das Verkehrszeichen für den Wildwechsel, bestehe die Chance, dass die zuständige Straßenbehörde für den Wildschaden aufkommen muss.