Kaninchen zählen zu den beliebtesten Haustieren, vor allem bei Kindern. Zahme Kaninchen lassen sich hoppern und streicheln, fressen Karotten und Löwenzahn aus der Hand, lehren die Kinder Geduld und Verantwortung. Besonders begehrt sind Widderkaninchen – so heißen Kaninchen mit Schlappohren. Den kuriosen Namen tragen sie, weil sie neben den Hängeohren ein zweites typisches Merkmal aufweisen: Von der Seite betrachtet haben sie eine vorgewölbte Nase, so wie die bekannte Ramsnase der Schafwidder. Heute aber widmen wir uns den Ohren, denn in einer neuen Untersuchung aus London haben Tierärzte die Gesundheit von Widderkaninchen mit der von Stehohrkaninchen verglichen.
Thema 1: Ohrenentzündungen: Viele Besitzer von Widderkaninchen kennen sie aus leidvoller Erfahrung, denn Tiere mit Schlappohren sind deutlich öfter von Ohrenentzündungen betroffen. Zudem sind diese Entzündungen bei Widderkaninchen ausgesprochen hartnäckig. Kaum glaubt man, die Therapie sei gelungen, geht es schon wieder los. Ein Grund dafür liegt in der Anatomie. Der Gehörgang hat bei über 80 Prozent der Widderkaninchen einen scharfen Knick – wie bei einem abgeknickten Schlauch. An dieser Stelle sammelt sich nicht nur Ohrenschmalz, es vermehren sich auch die Entzündungserreger. Wo der Gehörgang seinen Übergang nach außen hat, hängt das Schlappohr wie ein dicker Vorhang vor dem Loch. Belüftung des Ohres? Fehlanzeige. Innen ist es warm und stickig – ein idealer Nährboden für Bakterien oder Pilze. Fazit: 1:0 für Stehohren.
Thema 2: Hörvermögen: Der Hängeohr-Vorhang hat einen weiteren gravierenden Nachteil: Messungen an der Universität Hannover haben ergeben, dass die Hörschwelle bei Widderkaninchen deutlich höher liegt als bei Artgenossen mit Stehohren. Bei zusätzlichen chronischen Entzündungen werden Widderkaninchen manchmal sogar komplett taub. Fazit: 2:0 für Stehohren.
Thema 3: Kommunikation: Auch sie leidet, denn wie sollen die Schlappohren wichtige Botschaften der Körpersprache von sich geben? Bei Stehohren ist die Sache relativ einfach: Aufgerichtete Ohren mit nach vorn gerichteten Ohrmuscheln signalisieren Aufmerksamkeit und Neugierde. Sind die Ohren nach hinten auf dem Körper abgelegt, ist das Kaninchen entweder vollkommen entspannt oder aber ängstlich bis unterwürfig. Um es genau zu wissen, reicht die Ohrensprache allein nicht aus. Es braucht den gesamten Ausdruck des Körpers. Dennoch: Die Ohren sind für die Verständigung der Tiere untereinander wichtig – und Schlappohrkaninchen können da im wahrsten Sinne des Wortes nicht mitreden. Fazit: 3:0 für Stehohren.
Thema 4: Verletzungen: Gezüchtet wird immer das, was sich gut verkauft. Schlappohren mögen süß ausschauen, sind aber anfällig für Verletzungen. Sie werden eingeklemmt, zerbissen und sind manchmal so lang, dass die Kaninchen sogar über ihre eigenen Ohren stolpern und kaum noch laufen können.
Klarer Sieg also: 4:0 für Stehohren.
Zur Autorin: Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.
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