Dem Rapunzel-Syndrom wurde nicht nur wegen seiner Seltenheit ein märchenhafter Name gegeben: Ähnlich wie Rapunzel mit dem langen Haar im Märchen der Gebrüder Grimm stehen die Haare auch bei der gleichnamigen Krankheit im Mittelpunkt.
Nur handelt es sich dabei um eine seltene Blockade im Magen-Darm-Trakt, die häufig mit Zwangsstörungen in Verbindung steht. Die Symptome sind unspezifisch und über die Ursachen ist nicht viel bekannt. Was weiß die Wissenschaft zum Rapunzel-Syndrom?
Was ist das Rapunzel-Syndrom?
Beim Rapunzel-Syndrom formt sich ein fester Haarball im Magen der Betroffenen. Die Krankheit geht meist mit zwei Zwangsstörungen einher: Erst ziehen sich Betroffene die Haare aus der Kopfhaut – im Fachjargon laut Springer-Verlag als Trichotillomanie bezeichnet. Etwa ein bis vier Prozent der Bevölkerung weltweit sollen dazu neigen, sich die Haare auszureißen. Doch erst, wenn sie anschließend auch in großen Mengen gegessen werden, spricht man vom Rapunzel-Syndrom. Das Verschlucken der Haare wird in der Medizin Trichophagie genannt.
Ursache: Woher kommt das Rapunzel-Syndrom?
Laut einem Artikel von Luiz R. Lopes und anderen US-Forschern wurde das Syndrom erstmals im Jahr 1968 in einem Artikel erwähnt. Die Ursache ist nicht klar, jedoch tritt das Rapunzel-Syndrom überwiegend bei jungen Frauen mit einer psychischen Erkrankung auf, heißt es im Artikel.
Lange Haare haben eine glatte Oberfläche und können vom Magen nicht verdaut werden. Durch die Magensäure werden die Haare lediglich schwarz gefärbt. Unverdauliche Fremdkörper werden normalerweise durch den Verdauungstrakt geschleust und wieder ausgeschieden, Haare können aber aufgrund ihrer Form nicht gut durch den Verdauungstrakt wandern. Sie verheddern sich deshalb meist in der Bauchhöhle.
Wenn der Haarball – im Fachjargon Trichobezoar genannt – nicht erkannt wird, nimmt er aufgrund der fortgesetzten Aufnahme von Haaren weiter an Größe und Gewicht zu. Er kann dabei bis in den Dünndarm vordringen.
Welche Symptome können auftreten?
Zum Rapunzel-Syndrom kommt es, wenn Betroffene die Haare über einen längeren Zeitraum essen und sich ein Haarball im Magen bildet. Da das Thema meist mit Scham verbunden ist, bleibt die Zwangsstörung teils lange unerkannt. Bis sich Haarbälle im Bauch bilden, dauert es eine gewisse Zeit. In den frühen Phasen äußern sich bei den Patienten oft keine Symptome. Später zeigt sich das Rapunzel-Syndrom meist durch eine Blockade folgendermaßen:
- Erbrechen
- ungewollte Gewichtsabnahme
- Blutarmut
- Bauchschmerzen
- Appetitlosigkeit
Wie US-Forscher berichten, haben Patienten, bei denen das Rapunzel-Syndrom auftritt, häufig mit psychischen Begleiterscheinungen zu kämpfen. Betroffene litten demnach teils unter Depressionen, Zwangsstörungen oder Magersucht.
Wenn das Rapunzel-Syndrom lange unerkannt bleibt, kann es zu Blockaden im Verdauungstrakt kommen, die einen Darmverschluss zur Folge haben können. Dabei handelt es sich um einen medizinischen Notfall, der sofort operiert werden muss. Es kann auch zu einer Bauchfellentzündung oder zu einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse kommen.
Wie selten ist das Rapunzel-Syndrom?
Zwischen 1968 und 2006 wurden weltweit 27 Fälle in der Literatur festgehalten. Zuletzt wurde 2023 ein Fall eines jungen Mädchens in Tschechien medial aufbereitet, das aufgrund des Rapunzel-Syndroms operiert werden musste. Das Rapunzel-Syndrom kommt "fast ausschließlich" bei jungen Frauen vor, wie es in einem Artikel in der National Library of Medicine heißt. In etwa 8 von 10 Fällen sind Kinder betroffen.
Laut dem Springer-Verlag haben maximal vier Prozent der Bevölkerung das Bedürfnis, sich die Haare auszureißen und leiden somit an der Zwangsstörung Trichotillomanie. Davon gehen etwa 20 Prozent noch einen Schritt weiter und kauen entweder an den Haaren oder verschlucken sie.
Diagnose: Wie wird das Rapunzel-Syndrom erkannt?
Die Diagnose des Rapunzel-Syndroms erfordert eine gründliche Untersuchung und eine genaue Anamnese des Patienten. Anfangs wird der Bauch nach möglichen Verhärtungen oder Blockaden abgetastet. Eine Ultraschalluntersuchung, eine Endoskopie oder CT-Bilder können bei der Diagnose hilfreich sein.
Wie wird das Rapunzel-Syndrom behandelt?
Häufig wird das Rapunzel-Syndrom erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die Behandlung kommt auf die Größe des Haarballs an. Falls er nicht über den Mund entfernt werden kann, müssen Betroffene operiert werden, um die Blockade im Magen-Darm-Trakt zu beseitigen. Für Patienten ist eine ausreichende Nachsorge und therapeutische Begleitung wichtig, um eine zugrunde liegende psychische Erkrankungen zu behandeln. Dabei können auch die Eltern eingebunden werden, wie WebMD schreibt.