An Silvester knallen nicht nur die Sektkorken, sondern trotz Einschränkungen und Verboten vor allem Raketen, Böller und Feuerwerke. Was für viele Menschen schön anzusehen ist, löst in Tieren aber insbesondere eines aus: nämlich Stress. Und Stress kann für die Tiere nicht bloß unangenehm sein, sondern auch heftige körperliche Reaktionen hervorrufen. „Tiere reagieren in extremen Stress- oder Angstsituationen oftmals mit Zittern des Körpers, intensivem Hecheln oder Speicheln. Manche erstarren regelrecht, andere wiederum reagieren mit extremer Unruhe. In schwerwiegenden Fällen verlieren die Tiere unkontrolliert Harn und Kot unter sich oder erbrechen“, sagt Tierärztin Dr. Anja Kittner aus Oberndorf am Lech.
Extreme Angstzustände seien zudem nicht nur aus tierschutzrelevanter Sicht bedenklich, denn langfristig machen sich diese auch körperlich bemerkbar. „Magen-Darm-Probleme, Gastritiden, psychische Auffälligkeiten wie Harnmarkieren bei Katzen oder Schwanzjagen bei Hunden, aber auch dermatologische Erkrankungen wie Haarausfall, übermäßige Schuppenbildung oder Ekzeme können stressbedingt auftreten“, so Kittner. Für Hundebesitzer ist es deshalb unerlässlich zu wissen, wie man den gestressten Tieren helfen kann.
Tiere im Silvesterstress: Was man schon einige Tage vor Silvester tun kann
Zuallererst sollten Tierbesitzer bereits einige Tage vor Silvester sowie am Silvesterabend selbst für die nötige Sicherheit des Tieres sorgen. „Es kommt leider immer wieder vor, dass Hunde ungesichert spazieren gehen und durch Feuerwerkskörper in Panik weglaufen. Nicht selten passieren dadurch schwere Unfälle oder Tiere werden tagelang nicht mehr gefunden“, so Tierärztin Kittner. Ängstliche Hunde sollten deshalb nur mit Geschirren und Schleppleinen gesichert spazieren gehen, die mit GPS-Trackern versehen sind. Katzen sollten am besten schon mehrere Tage vor Silvester im Haus gelassen werden.
Am Silvesterabend sollten Besitzer Fenster und Türen geschlossen halten und bei Möglichkeit Jalousien herunterlassen sowie auch Vorhänge schließen. Rückzugsorte und Ruheplätze sollten leicht zugänglich sein, besonders bei Katzen. „Als Besitzer ist es wichtig, Ruhe auszustrahlen. Vertraute Geräusche wie Radio oder Fernseher können lauter gestellt werden.
„Manchen Tieren helfen Berührungen oder Massagen und auch das Ablenken durch Spielen oder Kauartikel zur Beschäftigung können helfen“, sagt Kittner. Zudem sind am Markt auch Ohrenschützer erhältlich, die dem Hund angezogen werden können, sofern dieser diese auch toleriert. Auch sogenannte „Thundershirts“ , sehr enge Bodys, die dem Tier Sicherheit geben, können helfen. Der Schnitt dieser Kleidungsstücke übt während des Tragens einen sanften und kontinuierlichen Druck auf den Brustkorb des Hundes aus und soll so zur Angstminderung des Tieres beitragen. Weiters können zur Unterstützung auch unterschiedliche Präparate zum Einsatz kommen, wobei sich Tierbesitzer hierbei stets von einem Spezialisten beraten lassen sollten. „In leichteren Fällen reichen mitunter Nahrungsergänzungsmittel, wie zum Beispiel Zylkene und Adaptil. Pheromone können ebenso zum Einsatz kommen. Auch mit Bachblüten oder anderen homöopathischen Präparaten haben manche Besitzer gute Erfahrungen gemacht“, so Kittner.
Für Hunde mit extremen Angstzuständen seien mittlerweile zwei Medikamente zugelassen, die angstlösend wirken. Zum einen Dexmedetomidin („Sileo“), zum anderen das Antiepileptikum Imepitoin („Pexion“), deren Anwendung allerdings immer von einem Tierarzt verordnet werden muss. „Diese beiden Präparate sind die einzigen Arzneimittel, die in Deutschland eine Zulassung zur Behandlung der Geräuschangst haben und sind für den behandelnden Tierarzt immer Mittel der Wahl“, so Kittner. Beruhigungsmittel, insbesondere Acepromazin, seien hingegen nicht zu empfehlen, da diese nicht die Geräuschangst nehmen, sondern das Tier lediglich lähmen.
Verhaltenstherapie bei extremer Angst
Eine weitere Möglichkeit bei extremer Angst des Haustieres stellt die Verhaltenstherapie dar. Derartige Therapien sind allerdings oftmals sehr langwierig und sollten deshalb möglichst frühzeitig begonnen werden. „Prinzipiell wird bei einer Verhaltenstherapie häufig eine Art Desensibilisierung (Gegenkonditionierung) angewendet. Schrittweise soll dabei der angstauslösende Schlüsselreiz mit einer positiven Erfahrung gekoppelt werden“, erklärt Tierärztin Kittner. Interessierte Tierhalter sollten sich hierfür an Tierärzte mit verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt wenden.