350.000 Kfz-Versicherungskunden der Allianz haben einen sogenannten "DriveDot" in ihrem Auto – und der ist eine echte Datenkrake: Der Sensor registriert Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, Geschwindigkeit, Routen, Fahr- und Pausenzeiten sowie die Tageszeit der Autofahrt und übermittelt die Fahrdaten mittels einer App an die Versicherung. Der Grund dafür, dass die Kunden ihrem Versicherer freiwillig vollen Einblick in ihr Fahrverhalten gewähren, ist, dass sie sich für den Telematik-Tarif "BonusDrive" entschieden haben. Mit Hilfe eines Punktesystems wird hier das Fahrverhalten der Kunden bewertet – und wer besonders umsichtig unterwegs ist, kann im Folgejahr in den Genuss eines Rabatts kommen.
Immer mehr Versicherer bieten ihren Kunden die Möglichkeit, in der Kfz-Versicherung Telematik-Tarife auszuwählen – insgesamt machen davon deutschlandweit rund 750.000 Autofahrer Gebrauch, zeigt eine Analyse des Beratungshauses Meyerthole Siems Kohlruss. "Die hierbei eingesetzte Technologie erfasst verkehrsbezogene Daten von Autofahrer und Fahrzeug. Auf dieser Basis ermittelt die Versicherung dann eine Gesamtbewertung für die letzten zwölf Monate: Versicherte können so nach einem Jahr bis zu 30 Prozent ihres Kfz-Beitrags zurückbekommen", erläutert Peter Schnitzler, Kfz-Experte bei der Ergo Versicherungsgruppe. "Die Rabatte sollen Autofahrer anspornen, ihren Fahrstil anzupassen." Die Faktoren und die Gewichtung, die bei der Berechnung des Kfz-Beitrags eine Rolle spielen, unterscheiden sich je nach Versicherer. Häufig fließen unter anderem Daten zu Fahrweise, Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Fahrtdauer und Tageszeit mit ein.
Sensoren können auch Unfälle erkennen, die Versicherung wird dann gleich benachrichtigt
Die Allianz verbindet mit ihrem "BonusDrive"-Tarif sogar ein zusätzliches Serviceversprechen: So kann der Sensor auch Unfälle automatisch erkennen und meldet sie direkt an die Versicherung weiter – das ermöglicht eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit den Kunden. "So unterstützt die Allianz ihre Kunden bereits am Schadenort und kann zusammen mit der Kundin oder dem Kunden die Schadenregulierung besprechen", erklärt Jochen Haug, der damalige Schaden-Vorstand der Allianz. Der Kunde muss sich nicht selbständig melden.
Autofahrer können mit Telematik-Tarifen allerdings nicht nur Geld sparen. Da auch Beschleunigung, Bremsverhalten und Geschwindigkeit aufgezeichnet werden, helfen sie Autofahrern, ihren Fahrstil gezielt zu optimieren. "Wer gleichmäßiger und vorausschauender fährt und sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, verbessert nicht nur seine Punktzahl, sondern senkt zusätzlich das Unfallrisiko", sagt Schnitzler. Um nicht vom Verkehrsgeschehen abgelenkt zu sein, sollten Fahrer zudem auf Telefonate, Textnachrichten oder die Nutzung von Apps während der Fahrt verzichten. Außerdem erhöhen regelmäßige Pausen auf langen Fahrten – mindestens alle zwei Stunden – sowie das Vermeiden von Nachtfahrten die Sicherheit, was sich positiv auf den Punktestand auswirkt. "Vor allem für Fahranfänger unter 30 Jahren können Telematik-Tarife sinnvoll sein", so Schnitzler.
Unterstützung für Fahranfänger
So bewirbt auch die DEVK Versicherung ihren Telematik-Tarif auch mit dem Bedürfnis der Eltern, ihre Kinder vor leichtsinnigem Verhalten im Straßenverkehr zu bewahren. "Mit dem Telematik-Tarif der DEVK können Mama und Papa über die App beziehungsweise den darin ausgewerteten Score-Wert einschätzen, wie vorbildlich ihr Kind gefahren ist", erklärt Alexander Erpenbach, Leiter der DEVK-Hauptabteilung Sach/HUK-Betrieb.
Die Argumentation, dass Eltern auf diese Weise Einfluss auf das Fahrverhalten ihrer Kinder nehmen können, scheint zu verfangen: "Unsere Datenanalyse hat ergeben, dass die Nachfrage nach Telematik-Tarifen in der Gruppe der 17- bis 24-Jährigen am höchsten ist", so Erpenbach.
Verbraucherschützer haben Bedenken beim Datenschutz
Anbieter von Telematik-Tarifen nutzen unterschiedliche Möglichkeiten, um die Fahrzeugdaten aufzuzeichnen. "Viele Versicherer bieten beispielsweise eine App fürs Smartphone an. Versicherte müssen ihr Handy nur noch zu jeder Fahrt mitnehmen und die Aufzeichnung erfolgt dann automatisch per GPS", so Schnitzler. "Wer sich für die App-Nutzung entscheidet, bekommt zusätzlich einen Überblick und Feedback zu jeder einzelnen Fahrt", ergänzt er. Je nach Anbieter kann auch ein separates Gerät, zum Beispiel ein Sensor für die Windschutzscheibe oder ein Stecker für den Zigarettenanzünder, zur Datenerfassung notwendig sein. Auch sogenannte Telematikboxen oder -stecker, die von einem Fachbetrieb beispielsweise im Handschuhfach oder unter dem Sitz fest installiert werden, sind möglich.
Verbraucherschützer sind allerdings von der automatischen Datenübermittlung an die Versicherer wenig begeistert: "Viele der angebotenen Tarife sind intransparent. Und auch im Hinblick auf den Datenschutz sind sie mindestens mit Vorsicht zu genießen", sagt auch Bianca Boss, Sprecherin des Bundes der Versicherten (BdV). Der BdV rät daher davon ab, Telematiktarife zu nutzen – "zumal diese auch nicht in jedem Fall günstiger sind als die Normaltarife", so die Verbraucherschützerin.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt davor, dass sich anhand der Telematik-Apps Bewegungsprofile erstellen lassen. Wenn man viel mit dem Auto unterwegs sei, würden die Daten sehr genau verraten, wo man sich wann befinde und wo man übernachtet habe. "Je detaillierter ein Bewegungsprofil ist, desto leichter lässt sich auf das Leben des Fahrers schließen", so die Verbraucherschützer. "Das ist unter anderem für personalisierte Werbung interessant."
Der Begriff Telematik besagt, dass Fahrzeugdaten aufgezeichnet werden. Bei der Kfz-Versicherung bedeutet dies, dass die Daten zum Fahrverhalten genutzt werden, um das individuelle Risiko des Fahrers zu ermitteln – und ihm so einen an seine Fahrweise angepassten Versicherungstarif anbieten zu können. Der Kunde kann die Datenerfassung abschalten – riskiert dann aber, den Bonus zu verlieren.