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Social-Media-Urteil: Mit Pseudonym in sozialen Netzwerken unterwegs: Das sollten Sie beachten

Social-Media-Urteil

Mit Pseudonym in sozialen Netzwerken unterwegs: Das sollten Sie beachten

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    Wie anonym darf ich mich in sozialen Netzwerken bewegen?
    Wie anonym darf ich mich in sozialen Netzwerken bewegen? Foto: Armin Weigel, dpa

    Mausi_73 hat ausgedient. Die Freundeslisten sehen 2020 oft so aus: Jo Nas reiht sich an Se Lina, aus dem Nachnamen Mayer wird Ma. Aber wie lange dürfen Nutzer das noch? Bereits 2013 setzte Facebook durch, dass es von seinen Nutzern den echten Namen verlangen darf. Am Dienstag hat das Oberlandesgericht München in zwei Berufungsverfahren verhandelt, ob Facebook-User ihren Klarnamen im sozialen Netzwerk angeben müssen. Beide Nutzer hatten Pseudonyme verwendet, Facebook sperrte sie daraufhin. Die Landgerichte hatten in den beiden Fällen unterschiedlich entschieden. Das Oberlandesgericht München neigt nun dazu, Facebook Recht zu geben. Wie sieht die Lage für Nutzer des Netzwerks aktuell aus?

    Darf ich laut aktuellem Rechtsstand auf Facebook ein Pseudonym verwenden?

    Facebook selbst sagt nein. In den Nutzungsbedingungen steht klar und deutlich: Man muss "denselben Namen verwenden, den du auch im täglichen Leben verwendest." Wörter oder Redewendungen sind auch nicht erlaubt. Doch allein den Namen einzuschränken, reicht nicht: Facebook verlangt daneben "genaue und korrekte Informationen" über die Nutzer. Trotzdem finden sich immer wieder kreative Namen, die so bestimmt nicht im Ausweis stehen.

    Was passiert, wenn ich ein Pseudonym verwende?

    Rechtlich gesehen drohe kein Ärger, meint Philipp Herrmann. Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht. Er kennt sich aus, wenn andere vor lauter Paragraphen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Überblick verloren haben. User verstoßen mit einem Pseudonym nur gegen die Nutzungsbedingungen, der Konzern kann das Konto sperren oder kündigen. Hermann zufolge seien die AGBs aber kein wasserdichter Vertrag: Wegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen laufen aktuell mehrere Verfahren, in denen Verbraucherzentralen gegen Facebook geklagt hatten. Alexander Wagner ist Anwalt in einer Kanzlei, die unter anderem auf IT-Recht spezialisiert ist. Auch er sagt: "Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind intransparent. Und wenn sie nicht rechtlich haltbar sind, muss man sich nicht daran halten."

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    Ich bin Seitenbetreiber einer Fanseite und nutze dazu meinen privaten Account unter einem Pseudonym. Was passiert mit der Seite, wenn sie deshalb gesperrt wird?

    Dann wird Ihnen zwar eine Fehlermeldung angezeigt, sobald sie die Seite aufrufen, aber Facebook hat sie nicht gelöscht. Dass eine Seite deshalb gesperrt wird, hält Alexander Wagner für sehr unwahrscheinlich. Die Lösung wäre, eine neue Seite anzulegen.

    Gibt es Schlupflöcher?

    Rechtsanwalt Philipp Hermann erklärt: Gerade die gegenteilige Auffassung der Landgerichte Ingolstadt und Traunstein zeige, dass die Lage nicht eindeutig sei. Das Landgericht Traunstein urteilte, Pseudonyme seien nicht rechtens. Die Richter argumentierten, dass Klarnamen die Hemmschwelle für Beleidigungen erhöhten. Alexander Wagner erklärt: "Das ist meiner Meinung nach ein Scheinargument. Auch mit einem Pseudonym kann Facebook den Beitrag sperren und den Verantwortlichen über die IP-Adresse herausfinden." Das Landgericht Ingolstadt verwies auf § 13 Abs. 4 Nr. 6 und Abs. 6 des Telemediengesetzes, das erlaubt, auch unter Pseudonym handeln zu können. Dieses Gesetz ist laut Alexander Wagner ein "extrem hohes Gut" - zum Beispiel, um ohne Repressionen eine Demonstration organisieren zu können.

    Darf ich ein Bild verwenden, auf dem ich nicht klar erkennbar bin?

    Philipp Hermann beruhigt: Für Facebook solle das Profilbild nur der persönlichen Darstellung des Postenden dienen. Solange das Bild keine anderen Regelungen der AGBs verletze, gebe es kein Problem. Das heißt zum Beispiel: keine verfassungsfeindlichen Symbole, keine Bilder von anderen verwenden.

    Kann ich auf Instagram, Snapchat, Twitter oder LinkedIn ein Pseudonym verwenden?

    • Instagram verlangt nicht, die eigene Identität offenzulegen, will aber "korrekte und aktuelle Informationen", auch bei der Registrierung. Philipp Hermann erklärt: Obwohl Instagram zum selben Konzern gehöre, seien die Regelungen hier freizügiger. Dennoch werden viele Instagram-Nutzer gefunden, wenn sie ihr Instagram- mit ihrem Facebook-Profil verlinken, in dem der Klarname hinterlegt ist.
    • Snapchat schreibt in seinen Nutzungsbedingungen nichts zu Pseudonymen. Allerdings können die User zwei unterschiedliche Namen angeben: den Nutzernamen und den Namen, unter dem man von Freunden und Bekannten gefunden werden kann.
    • Twitter verbietet Pseudonyme nicht explizit. Aber sich als jemand anderes auszugeben, das geht nicht - und es wäre Identitätsbetrug.
    • Karrierenetzwerke wie LinkedIn und Xing haben naturgemäß andere Richtlinien - außerdem wollen die User hier normalerweise erkannt werden. Beide verlangen den echten Namen, Xing zusätzlich ein Foto, auf dem der Nutzer oder die Nutzerin "klar und deutlich erkennbar ist". Rechtlich ist hier der "Vertragsgegenstand die Arbeitssuche", so Hermann. Es sei zwar fragwürdig, wenn Xing ein Bild verlangt, aber verständlich. Porträts machen das Portal attraktiver, und sie erfüllen den Zweck, sich potentiellen Arbeitgebern zu präsentieren.

    Wohin kann ich mich wenden, wenn Facebook mein Profil wegen meines Pseudonyms sperrt?

    Laut Facebook-Nutzungsbedinungen können sich private Nutzer in EU-Staaten an ihre nationalen Gerichte wenden oder die Beschwerdetools bei Facebook nutzen. Philipp Hermann und Alexander Wagner sind sich aber einig, dass dieser Weg langwierig ist. Weil es ein Streit zwischen ihnen und Facebook ist, könnten Betroffene nur auf Vertragserfüllung pochen. Auf Mails und Formulare reagiere Facebook aber oft nicht. Seit Facebook seinen Standort nach Irland verlegt hat, können Nutzer das Unternehmen in Deutschland verklagen.

    Welche Änderungen sind durch das aktuelle Facebook-Urteil zu erwarten?

    Beide Anwälte erwarteten vor dem Urteil, dass der Prozess in München noch nicht der letzte war. Der Prozess werde sich noch über einige Jahre hinziehen. Denn für den Konzern stehe viel auf dem Spiel: Werbung lasse sich schlechter schalten, wenn die User Pseudonyme verwenden. Philipp Hermann glaubt auch nicht, dass sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Urteil ändern werden. Denn wie das Gericht entscheidet, wirkt sich zunächst nur auf die beiden Kläger und Facebook aus. Auch Alexander Wagner erklärt: "Das Problem ist, dass die wenigsten Nutzer dagegen vorgehen, wenn ihr Konto gesperrt wird, weil sie ein Pseudonym verwendet haben."

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