Sie streiten, tyrannisieren, haben Wutausbrüche: Ein schwieriges Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen ist aus Sicht von immer mehr Schulleitern das größte Problem an den Schulen im Land. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) unter Schulleitern im Südwesten.
Kinder hätten Regeln schon immer ausgetestet, aber das Maß, was noch gehe und wann es beleidigend, ehrverletzend und gefährlich werde, verschiebe sich immer weiter, betonte VBE-Landeschef Gerhard Brand in Stuttgart. Immer häufiger sei es wegen Störern nicht möglich, normalen Unterricht zu halten - auf Kosten aller anderen.
«Es ist schwierig geworden, eine Klasse zu führen», sagte Brand. «Die Mittel, die man früher hatte, reichen kaum noch aus.» Für das Kerngeschäft bliebe immer weniger Zeit übrig. Gleichzeitig fühlten sich die Lehrer von Schulaufsicht und Jugendämtern alleingelassen, so Brand.
Der VBE hat bundesweit kürzlich 1.311 Schulleiterinnen und Schulleiter befragt, 252 davon aus dem Südwesten. Die Umfrage sei repräsentativ, so der VBE. 19 Prozent der Befragten im Land bezeichneten demnach das Sozialverhalten der Schüler als größtes Problem an der Schule. Im Vorjahr waren es noch 12 Prozent. In Baden-Württemberg ist dieses Problem der Umfrage zufolge deutlich größer als im bundesweiten Vergleich.
Problem Elternhaus
Schule werde immer mehr als Institution angesehen, die alles jederzeit regeln solle, so VBE-Landeschef Brand. «Aber Schule kann eben nicht alles leisten.» Die Eltern müssten stärker in die Pflicht genommen werden, die Kinder lernten ihr Sozialverhalten immerhin im Elternhaus. Allerdings berichteten Schulleiter und Lehrer, dass sich Elternhäuser vermehrt aus dieser Verantwortung verabschiedeten oder entgegengesetzt zur Schule handelten.
Brand sprach von einem insgesamt raueren Klima in der Gesellschaft und einem zunehmenden zwischenmenschlichen Egoismus. «Wir brauchen die Bereitschaft, eigene Bedürfnisse nach hinten zu stellen - sonst werden wir irgendwann ein Land aus Egoisten haben.»
GEW fordert mehr Schulsozialarbeit
Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert als Folge, dass an jeder Schule Schulsozialarbeit selbstverständlich und die Schulpsychologie ausgebaut werde. Die AfD führt das Problem auf die Migration zurück. «Es ist ganz klar die gestiegene Zahl an Schülern mit Migrationshintergrund, die aus sozialen und kulturellen Kontexten kommen, die mit unseren nicht ansatzweise kompatibel sind», teilte der stellvertretende bildungspolitische AfD-Fraktionssprecher Hans Peter Hörner mit.
Die FDP verweist darauf, dass sie sich erst vor Kurzem für mehr Demokratiebildung und Werteerziehung an den Schulen starkmachte - inklusive Ethikunterricht schon ab der 1. Klasse.
Größtes Problem bleibt der Personalmangel
Die Liste der größten Probleme an den Schulen wird der Umfrage zufolge im Südwesten angeführt vom Lehrermangel (53 Prozent) und vom Bereich Inklusion und Integration (35 Prozent). Nach dem Sozialverhalten auf dem dritten Platz werden unter anderem noch die Arbeitsbelastung genannt, der Zustand der Gebäude und Räume, die Ausstattung sowie die Bürokratie.
Die jährlich durchgeführte VBE-Umfrage zeigt aber in mehreren Bereichen auch Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr - und sie legt dar, dass die Schulleiter in Baden-Württemberg an einigen Stellen die Lage besser bewerten als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern. Erklärten im vergangenen Jahr 77 Prozent der Schulleiter im Südwesten, dass sie ihren Beruf sehr gern oder eher gern ausüben, sind es diesmal sogar 84 Prozent. Allerdings würde nur jeder zweite Schulleiter seinen Beruf weiterempfehlen. Note der Schulleiter für die Schulpolitik im eigenen Bundesland: 4,3.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden