Als bei Inken Junge Schuppenflechte festgestellt wurde, war sie gerade mal drei Jahre alt. „Das ist schon sehr ungewöhnlich“, erzählt die 28-jährige Hamburgerin. „Man dachte damals zunächst an Schorf oder andere Dinge. Weil es in meiner Familie aber bereits Fälle von Schuppenflechte gab, war die Diagnose naheliegend.“ Bei der Autoimmunkrankheit, an der in westlichen Industrienationen schätzungsweise zwei Prozent der Bevölkerung leidet, spielt die familiäre Veranlagung eine große Rolle.
Schuppenflechte erhöht Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Je nach Form der Krankheit gibt es unterschiedliche Symptome. Typisch sind die Hautschuppen: Vor allem an Ellbogen, Knien, Rücken und am Kopf bilden sich auf geröteter Haut silbrigglänzende Erhebungen, die stark schuppen. „Der Juckreiz ist ein Problem“, sagt Junge. „Und wenn man sich aufkratzt, fängt es schnell an zu bluten.“ Daher heißt die Krankheit in der Fachsprache „Psoriasis“: „Psora“ bedeutet auf Griechisch nämlich „Krätze“.
Belastend ist für viele Betroffenen außerdem, dass die Hauterscheinungen für alle sichtbar sind. Im Mittelalter wurden sie wie Aussätzige behandelt, und auch heute haftet Menschen, die sich oft kratzen, mitunter ein „Ekel-Image“ an. Dabei ist Schuppenflechte weder ansteckend noch hat sie etwas mit Hygiene zu tun. Problematisch ist für die Patienten zudem, dass sie oft mit weiteren Krankheiten einhergeht: Etwa 20 Prozent leiden an Gelenkentzündungen. Kommt hinzu, dass bei Psoriasis das Risiko für Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht ist.
Hintergrund der Krankheit ist eine fehlerhafte Abwehrreaktion des Körpers. „T-Zellen werden aktiviert und schütten Botenstoffe aus. Das führt unter anderem zu einer beschleunigten Zellteilung“, erklärt der Hautarzt Thomas Rosenbach aus Osnabrück, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Psoriasis-Bundes. In der Folge teilen sich die hornbildenden Hautzellen (Keratinozyten), die sich auf der obersten Hautschicht befinden, zu schnell. „Normalerweise dauert es um die 28 Tage, bis sich diese Zellen erneuern. Bei Schuppenflechte sind es etwa vier Tage“, sagt der Experte. Die toten Zellen können nicht so schnell abgestoßen werden und bleiben daher als Schuppen auf der Haut. Zudem weiten sich die Blutgefäße, um Energie und Nährstoffe für die beschleunigte Zellteilung bereitzustellen. Die Folge davon ist eine gerötete Haut.
Neue Medikamente gegen Schuppenflechte: Wie wirken die Mittel?
Bei vielen Patienten reicht eine äußere Behandlung aus, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Dazu werden meist Kortisonsalben und Präparate, die Vitamin-D-Abkömmlinge enthalten, eingesetzt. Auch Inken Junge wurden zunächst Cremes verschrieben, später hat sie viele weitere Behandlungsansätze ausprobiert, darunter Lichttherapien, Heilbäder und Tabletten, nämlich die häufig verordnete Fumarsäure. „Diese Tabletten habe ich schlecht vertragen“, sagt sie. „Auch die anderen Therapien waren nicht befriedigend.“ Die entscheidende Wende brachte ein sogenanntes Biologikum, das sie sich seit sechs Jahren alle zwei Wochen spritzt. „Dadurch waren zunächst alle Symptome komplett verschwunden.“ Inzwischen haben sich zwar wieder ein paar Stellen, sogenannte Plaques, gebildet – doch damit kann sie gut leben.
Bei den neuen Medikamenten handelt es sich um biotechnologisch entwickelte Präparate, die gezielt in die Kommunikation des Immunsystems eingreifen. „Diese Medikamente haben eine Revolution in der Dermatologie ausgelöst“, sagt Rosenbach. „Inzwischen haben wir ein ganzes Reservoir an verschiedenen Präparaten und können eine maßgeschneiderte Therapie anbieten.“ Auch Matthias Hahn, Leiter der Psoriasis-Sprechstunde an der Universitätsklinik Tübingen, sagt: „Das Ansprechen auf Biologika ist sehr gut. Bei vielen Menschen heilen die Hauterscheinungen dadurch komplett ab.“ Da Biologika aber teuer sind, sei die Behandlung in der Regel den schweren Fällen vorbehalten: Je nach Medikament können die Kosten über 20.000 Euro pro Jahr betragen.
Nebenwirkungen haben die neuen Medikamente zwar vergleichsweise wenige. Allerdings können sie anfälliger für Infekte machen, da sie gezielt in das Immunsystem eingreifen. „Es kann sein, dass Patienten im ersten Winter öfter mal eine Erkältung haben“, sagt Rosenbach. „Danach ist das aber vorbei.“ Was bedeutet das zu Corona-Zeiten? Belege dafür, dass so behandelte Patienten öfter an Covid-19 erkranken, gibt es nicht. Sind sie infiziert, könnten sie sogar von der Therapie profitieren: „Es zeichnet sich ab, dass diese Patienten vor schweren Verläufen tendenziell besser geschützt sind“, berichtet Rosenbach.
Selbsttherapie bei Psoriasis: Was kann man gegen Schuppenflechte tun?
Auch mit konventionellen Medikamenten lässt sich einiges erreichen. Neben Fumarsäure wird häufig Methotrexat verschrieben, wie der Tübinger Hautarzt Matthias Hahn berichtet. Bei beiden seien die Nebenwirkungen insgesamt „überschaubar“, aber: „Man kann nie vorhersagen, wie der Patient reagiert.“ Manche Betroffene profitieren auch von einer Bestrahlung mit UV-Licht. „An sich ist die Lichttherapie eine schöne Sache“, meint Hahn. „Die Schwierigkeit ist aber, dass die Patienten regelmäßig kommen müssen.“ Der Zeitaufwand kann sich auf mehrere Stunden pro Woche summieren, was sich für viele nicht einrichten lässt. „Für Schwangere und andere Patienten, die keine Medikamente nehmen dürfen, kann die Lichttherapie aber eine gute Lösung sein.“
Das hilft bei Schuppenflechte
Basisbehandlung: Rückfettende Cremes, Salben und Lotionen sorgen dafür, dass die Haut in einem guten Zustand bleibt. Sie allein helfen zwar meist nicht. Eine gute Hautpflege ist aber eine wichtige Ergänzung zu anderen Therapien.
Äußerliche Behandlung: Wenn es nur wenige, kleinere Stellen gibt, reichen meist Cremes und Salben aus. Sie werden direkt auf die betroffenen Hautareale aufgetragen. Kortisonpräparate wirken oft gut, stärkere Mittel können aber die Haut dünner machen. Daher ist es wichtig, ein geeignetes Präparat zu finden und es richtig anzuwenden. Daneben werden häufig Mittel mit Vitamin-D-Abkömmlingen eingesetzt, manchmal auch kombiniert mit Kortison.
Lichttherapie: Wenn Cremes und Salben nicht ausreichen, kommt eine UV-Lichtbehandlung in Frage. Sie findet in Arztpraxen oder Kliniken statt, die über entsprechende Geräte verfügen. Das UV-Licht hemmt die Entzündungsreaktion der Haut, sodass die Zellteilung verlangsamt wird. Die Therapie wirkt oft gut, ist aber aufwendig. Außerdem kann sich das Hautkrebsrisiko bei häufigen Behandlungen erhöhen.
Innere Behandlung: Bei mittelschwerer bis schwerer Schuppenflechte ist oft eine systemische Therapie sinnvoll. Dazu werden Medikamente geschluckt oder gespritzt, die im ganzen Körper wirken. Zunächst setzen Ärzte meist Methotrexat oder Fumarsäure ein. Zeigt sich nicht der gewünschte Erfolg, können biotechnologisch hergestellte Mittel (Biologika) zum Einsatz kommen.
Lebensweise: Ein gesunder Lebensstil bringt viel. Das heißt: wenig Alkohol, keine Zigaretten, ausgewogene Ernährung, auf das Gewicht achten. Ansonsten profitieren Patienten oft davon, dass sie sich beobachten und notieren, was bei ihnen die Krankheit verschlechtert. Manchmal lassen sich bestimmte „Übeltäter“ so ermitteln. Auch Stress wirkt sich häufig negativ aus.
Selbsthilfe: Kontakt zu anderen Betroffenen bekommt man etwa über den Deutschen Psoriasis Bund in Hamburg, der über zahlreiche Regionalgruppen verfügt. Infos auch unter www.psoriasis-bund.de. (toll)
Und was kann man selbst tun? Das Wichtigste sei, auf das Gewicht zu achten, möglichst nicht zu rauchen und überhaupt gesund zu leben, meint der Experte. Viele Betroffene neigen nämlich zu Übergewicht – die Gründe dafür sind unklar. Eine Gewichtsreduktion habe einen positiven Effekt auf die Krankheit, auch deshalb, weil Medikamente dann besser wirken. Ob sich Schuppenflechte aber durch eine spezielle Diät beeinflussen lässt, ist umstritten. „Dazu gibt es keine guten Daten“, betont Hahn. „Es gibt allenfalls Anhaltspunkte dafür, dass die mediterrane Ernährung günstig sein könnte.“ Auch der Osnabrücker Dermatologe Thomas Rosenbach ist bei diesem Punkt vorsichtig. „Jede Schuppenflechte ist anders. Wenn Sie zehn Patienten fragen, äußert jeder etwas anderes. Der eine verträgt keine Paprikachips, der nächste keine Weintrauben. Das ist ganz individuell. Deshalb lautet der Tenor hier: Wach sein!“ Es sei wichtig, dass die Patienten ein Gespür dafür entwickeln, was ihnen gut tut.
Inken Junge rät Leidgenossen außerdem, sich breit zu informieren und Erfahrungen mit anderen Betroffenen auszutauschen. Schon als Jugendliche hat sie von Kontakten zu Gleichaltrigen mit derselben Diagnose profitiert: „Wir erfahren viel Stigmatisierung, weil wir anders sind. Deshalb tut es gut, in einer Gruppe zu sein und ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen.“
Mehr hilfreiche Informationen finden Sie hier in unserem Ratgeber zum Thema Gesundheit.