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Qualzucht: Wenn Tiere für ihr süßes Aussehen leiden müssen

Qualzucht

Wenn Tiere für ihr süßes Aussehen leiden müssen

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    Möpse bekommen häufig sehr schlecht Luft, wenn die Zucht übertrieben wird.
    Möpse bekommen häufig sehr schlecht Luft, wenn die Zucht übertrieben wird. Foto: Christin Klose, dpa

    In Social-Media-Videos oder etwa Werbungen werden von Qualzucht betroffene Tiere oft als niedlich und lustig dargestellt. Besonders jene Hunde- und Katzenrassen erfreuen sich trauriger Beliebtheit, die an Kurzköpfigkeit, auch Brachyzephalie genannt, leiden. Dazu zählen bei Hunden etwa der Mops, der Chihuahua, der Boston Terrier, der American Bulldog sowie die Französische und Englische Bulldogge. Bei Katzen betrifft dies Perserkatzen oder exotische Kurzhaarkatzen. 

    „Man muss sich vorstellen, dass zum Beispiel ein Mops, der sehr schlecht Luft bekommt, aufgrund dieser Atemnot sein ganzes Leben lang Panik hat“, erklärt die Münchner Tierärztin Dr. Andrea Hollmann. „Ich finde das eine ganz schreckliche Vorstellung, wenn man ständig um Luft kämpfen muss. Diese Tiere legen sich auch nicht einfach normal in ein Körbchen, sondern versuchen ihren Kopf ständig hochzulagern, damit die Atmung halbwegs funktioniert“, kritisiert sie. Die Tiere seien nicht leistungsfähig, sodass selbst einfaches Gassigehen nicht mehr möglich ist und einen Kollaps zur Folge haben kann.

    Überzüchtete Tiere leiden unter verschiedenen Symptomen

    Durch die verantwortungslose Zucht von Tieren werden bestimmte Merkmale wie zum Beispiel die Faltohren bei Scottish-Fold-Katzen bewusst herbeigeführt. Aber auch unerwünschte Merkmale wie Allergien oder Fehlstellungen bestimmter Knochen können die Folge sein. Rein weiße Katzen entwickeln zum Beispiel häufig eine genetisch bedingte Neigung zu Schwerhörigkeit bis Taubheit sowie Augenerkrankungen wie Netzhautveränderungen, Schielen und Augenzittern. Des Weiteren zeigen sie eine erhöhte Anfälligkeit für Hauttumore. Kurzbeinige Hunderassen wie Basset, Welsh Corgi Pembroke oder Dackel leiden durch die Zucht hingegen an genetisch bedingten Missbildungen von Knorpel und Knochen. Diese führen folglich zu einer abnormalen Entwicklung des Bewegungsapparates wie verkürzten Extremitäten oder Wirbelsäulenveränderungen. Aber auch Fehlbildungen des Hüftgelenks sind keine Seltenheit und kommen insbesondere bei Deutschen Schäferhunden vor. 

    Hunde der Rasse Shar Pei leiden aufgrund der überschüssigen Hautfalten oftmals unter einer Hauterkrankung. Nackthunde haben wegen des Gendefekts der Haarlosigkeit zudem mit Problemen der Wärmeregulation zu kämpfen. Des Weiteren neigen sie zu Fehlbildungen des Gebisses, die zu Zahnausfall führen können.

    Schwere Fälle müssen sogar eingeschläfert werden

    Tierarzt Dr. Ralf Michling hat in seiner Praxis immer häufiger mit leidenden Qualzuchten zu tun. „Aufgrund der massiven Werbung mit Qualzuchten, vorwiegend mit Französischen Bulldoggen und Möpsen, ist die Anzahl der Halter solcher Rassen in den letzten Jahren spürbar gestiegen. In unserer Praxis werden an Qualzuchten zurzeit recht häufig Französische Bulldoggen, Scottish Fold und Perserkatzen vorgestellt.“ Auch einen Trend in der Haltung von kleinen Hunderassen, wie etwa dem Chihuahua, nimmt der Veterinärmediziner zunehmend wahr. Die Beschwerden seiner Hundepatienten sind typisch für Qualzucht und reichen bei kurzköpfigen Rassen von Atemnot bis hin zu Verdauungsproblemen, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, Allergien, Augenleiden und neurologischen Erkrankungen.

    Bei Scottish-Fold-Katzen sind dauerhafte Schmerzen und Leiden meist sogar derart stark, sodass eine abschließende Behandlung in der Regel nicht mehr möglich ist. „Speziell bei Scottish Fold kommt es nicht selten vor, dass diese Tiere in den ersten Lebensmonaten oder Lebensjahren eingeschläfert werden müssen, weil die Schmerzen und das damit verbundene Leid trotz Behandlung nicht zu vertreten sind“, so Michling. 

    Der Veterinärmediziner vertritt die Ansicht, dass Qualzuchten im Idealfall generell verboten und auch durch die großen Verbände und Rasseausstellungen nicht mehr gefördert und zugelassen werden sollten. Eine Haltung, die auch Tierärztin Hollmann teilt. „Ich verstehe den Beweggrund nicht, warum sich Menschen beispielsweise eine haarlose Katze anschaffen, die ihr Leben lang unter diesem Qualzuchtmerkmal zu leiden hat. Ist es etwa ein Argument der Bequemlichkeit, dass die Katze bloß nicht haart, dann sollten sich derartige Menschen besser ein Plüschtier als ein lebendiges Lebewesen zulegen“, sagt Hollmann. 

    Therapie, Hilfe und Kosten

    Je nachdem, welcher Teil des Körpers beim Tier betroffen ist, können Halter selbst schon eine Menge tun, um ihrem Vierbeiner zu helfen. „Bei Problemen mit der Atmung sollten Halter stets darauf achten, dass das Tier keine Erkältung bekommt und dass man mit dem Tier die Atmung trainiert“, so Hollmann. Bei Problemen mit den Bandscheiben sollten zudem Treppen gemieden werden. „Auch Sprünge zu vermeiden und den Ball beim Spiel nicht hochzuwerfen, kann bereits wirksam und hilfreich sein“, sagt die Tierärztin. Entsprechende Tipps sollten Halter allerdings immer im individuellen Fall vom behandelnden Tierarzt abholen. 

    Die Behandlungskosten bei Tieren seien individuell unterschiedlich und auch von Tierarzt zu Tierarzt verschieden. „Wenn Medikamente auf Dauer gegeben werden müssen, kann der Kostenbereich von 50 bis 100 Euro im Monat liegen. Wenn Operationen notwendig sind, dann geht das auch schnell in den Bereich von Tausenden Euros“, erklärt Hollmann. Die Möglichkeit, dass Kosten von Tierversicherungen übernommen werden, besteht zwar grundsätzlich, sei aber bei Vertragsabschluss zu überprüfen, da manche Versicherungen Qualzuchttiere von entsprechenden Leistungen ausschließen.

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