Blasenentzündungen kennen die meisten Frauen und auch viele Männer. Sie sind unangenehm, schmerzhaft und können in seltenen Fällen auch gefährlich werden. Ein häufiges Problem ist außerdem, dass es meistens mehrere Tage dauert, bis Ärzte diagnostizieren können, welcher Erreger für die Harnwegsinfektion verantwortlich ist.
Die vermeintliche Lösung, wie so oft: Antiobiotika. Diese werden quasi blind verschrieben und sorgen oft für Antibiotikaresistenzen. Ein Forscherteam aus Zürich von der ETH und der Universitätsklinik Balgrist hat jetzt in einem Paper eine Alternative vorgestellt, die zum Einen eine schnellere Diagnose des Erregers von Blasenentzündungen verspricht und außerdem eine Therapie anbietet, die nicht zu Antibiotikaresistenz führt, wie der SWR berichtet.
Warum dauert die Diagnose im Moment so lange?
Aktuell dauert die Diagnose des Erregers einer Blasenentzündung mehrere Tage. Eine Urinprobe des Patienten wird an ein Labor geschickt, wo die Bakterien kultiviert und dann identifiziert werden. Bis die Ergebnisse schließlich zurück beim Arzt sind dauert es in der Regel zwei Tage. In dieser Zeit werden dann häufig ohne Rücksicht auf Verluste Antibiotika verschrieben, was dann zur Resistenz führen kann.
Antibiotikaresistenzen sind ein allgemeines Problem, besonders aber auch bei Harnwegsinfektionen. Besonders Patienten, die mehrmals im Jahr eine Blasenentzündung haben, entwickeln häufig durch die starke Antibiotikaeinnahme eine Resistenz. Das kann dazu führen, dass die Antibiotika irgendwann überhaupt nicht mehr wirken.
Wie funktioniert die neue Diagnose?
Die neue Diagnoseform, die von den Forschern aus Zürich vorgestellt wird, basiert eigentlich auf einer bekannten Methode, der Phagentherapie. Diese wurde im vergangenen Jahrhundert besonders in Osteuropa praktiziert, während man sich im Westen auf Antibiotika verließ.
Die Phagentherapie basiert auf sogenannten Bakteriophagen. Bakteriophagen sind Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung erklärt. Man bezeichnet sie auch als "Bakterienfresser". Diese Bakteriophagen kann man bei erkrankten Menschen zugeben und sie infizieren dann den Erreger.
Um nun herauszufinden, welcher Erreger für einen Harnwegsinfekt verantwortlich ist, verwenden die Forscher aus Zürich sogenannte Reporterphagen. Das sind Bakteriophagen, die genetisch verändert worden sind, um nach der Infektion des Wirtbakteriums ein Protein herzustellen, das man messen kann. Die Forscher verwenden ein Enzym, das Licht produziert.
Im Fall einer Blasenentzündung funktioniert das also so: Dem Urin des Patienten werden Reporterphagen beigefügt, die einen bestimmten Erreger identifizieren können, zum Beispiel Escherichia coli (auch bekannt als E. coli), den häufigsten Verursacher von Blasenentzündungen. Ist dieser Erreger dann im Urin vorhanden, geben die Reporterphagen ihr Lichtsignal ab und der Arzt weiß, dass E. coli für die Erkrankung verantwortlich ist. Das geht auch mit anderen Erregern. In der Regel dauert das ganze vier bis fünf Stunden, wie Samuel Kilcher, Mikrobiologe und Autor des Papers dem SWR erklärt.
Wie funktioniert die neue Behandlung gegen Blasenentzündungen?
Über diese Bakteriophagen funktioniert auch die neue Behandlungsmethode. Die Bakteriophagen können nämlich nicht nur als Reporterphagen zur Diagnose eingesetzt werden, auch als Bekämpfung der Erreger sind sie hilfreich. Denn anders als Antibiotika, die in einer Art Rundumschlag alle möglichen Bakterien im Körper angreifen, sind die Bakteriophagen sehr spezifisch auf Erreger einsetzbar. So kann ohne Kollateralschäden eine Infektion beseitigt werden.
Antibiotikaresistenz ist bei der Behandlung mit Bakteriophagen nicht von Bedeutung, da die Bakteriophagen über eine ganz andere Art die Erreger angreifen. Diese sind zwar manchmal resistent gegen die ursprünglichen Bakteriophagen, mithilfe von genetic engineering, also der genetischen Manipulation, können die Bakteriophagen aber so verändert werden, dass sie gegen die Erreger wirksam sind.
Wann wird die Behandlung einsetzbar sein?
Aktuell sind Phagentherapien in der EU noch nicht zugelassen, bis vor kurzem spielten sie in der Medizin nur eine Nischenrolle. Das Forscherteam aus Zürich ist jedoch zuversichtlich, dass mit mehr Forschung und klinischen Studien die Akzeptanz gegenüber Phagentherapie steigen und einen breiten Einsatz ermöglichen wird.