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Nachhaltigkeit: Mit dieser App soll Lebensmittelverschwendung verhindert werden

Nachhaltigkeit

Mit dieser App soll Lebensmittelverschwendung verhindert werden

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    Per App Nahrungsmittel kaufen, die sonst weggeworfen werden – Gerhard Schenk von der Konditorei Schenk macht mit. Unsere Autorin Lea Binzer hat sich das Konzept angesehen.
    Per App Nahrungsmittel kaufen, die sonst weggeworfen werden – Gerhard Schenk von der Konditorei Schenk macht mit. Unsere Autorin Lea Binzer hat sich das Konzept angesehen. Foto: Ulrich Wagner

    In der Konditorei Schenk in Augsburg gibt es Ware, die am Abend weggeworfen wird, da sie am nächsten Tag nicht mehr den Verkaufsstandards entspricht. Doch zum Wegschmeißen sind die frischen Produkte wie Kuchen, Croissants oder Brioches eigentlich zu schade. Die App "Too Good To Go" (englisch für: "Zu gut zum Wegwerfen") soll helfen. Denn: Verbraucher können die App – ein Programm auf dem Smartphone – nutzen, um verbilligt Lebensmittel vom gleichen Tag zu kaufen, die sonst in der Tonne landen würden. Natürlich nicht nur in der

    Im Detail handelt es sich bei "Too Good To Go" um eine App zur Lebensmittelrettung, die gastronomische Betriebe mit Kunden vernetzt, wie Victoria Prillmann, Pressesprecherin von "Too Good To Go" in Deutschland, erklärt. "Über die App können überproduzierte Lebensmittel von Betrieben zum reduzierten Preis an Kunden vermittelt werden." Aber wie funktioniert das?

    Vor allem Restaurants und Bäckereien wollen die Lebensmittelverschwendung verringern

    Zunächst müssen Betrieb und Kunde die App herunterladen und sich registrieren. Das geht kostenlos über den App Store für Apple-Geräte und über Google Play für Android. Gemeinsam mit dem Partnerladen erstellt "Too Good To Go" das Profil, das für Kunden zu sehen ist. Auf Anbieterseite "kann jeder Laden mitmachen, der Lebensmittel überproduziert und diese nicht wegschmeißen will", sagt Prillmann. Überwiegend sind das Restaurants, Bäckereien, Cafés, Hotels oder Supermärkte. Sie können ihr übrig gebliebenes Essen zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer anbieten. Der Kunde kann einen Laden in der Umgebung aussuchen, filtern, worauf er gerade Lust hat sowie die Ware im Vorfeld über die App bestellen und auch bezahlen – per Kreditkarte, Paypal oder Sofortüberweisung. Das Essen holt er dann in einem vorgegebenen Zeitfenster im Laden ab, wo die Bestellung auf dem Handy entwertet wird.

    Zahlen und Fakten zum Start-up „Too Good To Go“

    Idee: Die Idee zur App stammt von den Dänen Stian Haanes Olesen, Thomas Bjørn Momsen, Adam Sigbrand, Brian Christensen und Klaus Pedersen. Die fünf Freunde waren in einem Restaurant in Dänemark essen. Kurz vor Ladenschluss bemerkten sie, dass das Buffet noch voll bestückt war. Auf Nachfrage erfuhren sie, dass es gängige Praxis in gastronomischen Betrieben ist, das überproduzierte Essen am Ende des Betriebstages zu entsorgen. Das wollten die App-Erfinder so nicht akzeptieren und beschlossen, etwas gegen diese Verschwendung zu tun.

    Anfänge: 2015 startete das Start-up in Dänemark, 2016 dann in Deutschland.

    Verbreitung: Mittlerweile gibt es „Too Good To Go“ in 13 europäischen Ländern und soll Mitte dieses Jahres auch in den USA anlaufen, zunächst in New York und Boston.

    Gerettete Mahlzeiten: Seit Beginn konnten europaweit fast 31 Millionen Mahlzeiten gerettet werden, davon deutschlandweit über 3,5 Millionen, wovon allein 2,1 Millionen auf vergangenes Jahr fielen. Der Grund: „Das Thema Lebensmittelverschwendung hat 2019 großen Aufwind bekommen“, sagt Victoria Prillmann, Pressesprecherin von „Too Good To Go“ in Deutschland.

    Partner: Allein in Deutschland machen fast 4300 gastronomische Partner (etwa 40 000 in Europa) in 910 Städten mit. Auch in Schwaben und Oberbayern machen in vielen Orten Betriebe mit, darunter Bäckereien, Imbisse und Cafés.

    Nutzer: Etwa 3,2 Millionen Nutzer verzeichnet die App in Deutschland, in Europa knapp 20 Millionen.

    Mitarbeiter: Über 500 Mitarbeiter sind in Europa – davon 50 in Deutschland – für das Start-up tätig, das seinen Sitz in Kopenhagen in Dänemark hat. Die deutsche Niederlassung befindet sich in Berlin.

    Gerhard Schenk ist zusammen mit seinem Bruder Roland Geschäftsführer der 1970 gegründeten Augsburger Konditorei Schenk und begeistert von dem App-Konzept: "Es ist völlig unkompliziert, benutzerfreundlich und einfach in den Alltag zu integrieren." Im Schokoladensalon in der Maximilianstraße 38 werden neben Schokolade, Pralinen oder Dauergebäck in allen Formen, Farben und Geschmacksrichtungen auch kleine, frische Backwaren angeboten. Gerade Letztere würden nach einem Tag oft in der Tonne landen. Momentan wird nur Ware aus der

    18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jährlich im Müll

    Lebensmittelverschwendung sei seit geraumer Zeit ein Thema, das angegangen werden müsse, erklärt Schenk. Laut einer Studie des World Wide Fund for Nature (WWF) aus dem Jahr 2015 landen in Deutschland jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Davon wären etwa zehn Tonnen vermeidbar. Eine Studie von der Universität Stuttgart, die sich auf das Jahr 2015 bezieht, geht von knapp 13 Millionen Tonnen pro Jahr aus, wovon 40 Prozent unter anderem durch richtige Lagerung von Obst, Gemüse oder Brot verhindert werden könnten.

    Über einen Kollegen in Berlin erfuhr Gerhard Schenk von der App, sprach anschließend auch mit Bäckern in München, die schon mit dabei sind. Zudem stellten Vertreter von "Too Good To Go" vergangenes Jahr in Wiesbaden bei der Bundestagung des Deutschen Konditorenbunds, dessen Präsident Schenk ist, die App vor. Der 55-Jährige war so begeistert, dass er beschloss, die Anwendung auszuprobieren.

    Die Lebensmittel sind deutlich günstiger

    Das war im November 2019. Seitdem hat die Konditorei bereits 367 Portionen gerettet, die sonst in der Tonne gelandet wären. "Ein tolles Produkt wegzuwerfen, tut weh", sagt Schenk. Von Gewinn aber könne nicht gesprochen werden, der Materialaufwand werde gedeckt. Denn: Für eine Box, deren Inhalt einen Ladenverkaufswert von zehn Euro hat, verlangt Schenk drei Euro. Davon fließt noch ein Teil an die Betreiber der App, die sich somit und durch eine Servicegebühr von jährlich 39 Euro pro Betrieb finanziert. In der Regel beträgt der Preis einer Portion maximal die Hälfte, meistens sogar nur noch ein Drittel des Originalpreises und im Schnitt 3,50 Euro, sagt Prillmann.

    "Too Good To Go"-Essen aus einem Augsburger Restaurant.
    "Too Good To Go"-Essen aus einem Augsburger Restaurant. Foto: Tim Frehler (Archivbild)

    Gestartet hat Schenk mit vier Portionen pro Tag, was aber zu wenig war. Die sechs Portionen, die die Konditorei täglich zwischen 18.40 und 18.55 Uhr nach Ladenschluss in der Maximilianstraße anbiete, seien rasch ausverkauft. "Wenn ich sehe, dass an einem Tag noch mehr oder doch weniger an Ware als gedacht übrig bleibt, kann ich das in der App ganz einfach anpassen." Die Kunden würden benachrichtigt und das bereits überwiesene Geld gegebenenfalls zurückerstattet werden. Denn exakt zu kalkulieren, was bis abends verkauft werde, funktioniere nicht. Der Gast sei ein Risikofaktor, bei dem sich immer die Frage stelle: Kommt er, kommt er nicht? "Man muss alles auf Vorrat haben", sagt der 55-Jährige.

    Der Kunde weiß nicht, welche Lebensmittel sich in der Box befindet

    Ein Risiko, das der Kunde mit der App eingeht, ist, dass er nicht weiß, was sich in der bestellten Box befindet. Das entscheidet der Betrieb. In die Box der Konditorei Schenk kommen frische Produkte rein wie Kuchen, Croissants oder Brioches. Sie werden auf einem Pappteller mit Papier umwickelt übergeben. Vor allem Studenten seien Abnehmer, die sich die Produkte zum regulären Preis nicht leisten könnten, aber dennoch Wert auf gute Qualität legen, sagt Schenk. Oder einfach gegen Lebensmittelverschwendung sind.

    Und den Erfolg von "Too Good To Go" beweisen die Zahlen: Statt 90 Liter Speisereste, die vor der Einführung der App im November 2019 jede Woche in der Konditorei Schenk an beiden Standorten in der Tonne landeten, fallen seitdem nur noch 30 bis 40 Liter an. Dabei handelt es sich vor allem um Kaffeesatz oder Obstreste. Abfall, wie Schenk erklärt, der sich trotz einer App zur Lebensmittelrettung in einem Café einfach nicht vermeiden lässt.

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