Der Lockdown im Frühjahr hatte auch seine guten, produktiven Seiten. Viele Augsburger nutzten die Zeit, um Essbares auf Balkon oder Terrasse anzupflanzen. Darunter ganz häufig Tomaten. Inzwischen fehlt allerdings im Herbst die Wärme, die nötig ist, um die restlichen grünen Tomaten am Strauch erröten und reif werden zu lassen. Bevor man demnächst mit dem ersten Frost die komplette Pflanze in der Biotonne entsorgt, stellt sich die Frage: Kann man die unreifen Früchte noch sinnvoll verwerten?
Die Antwort lautet: Ja! Daniela Krehl, Ernährungswissenschaftlerin und Beraterin bei der Verbraucherzentrale Bayern hat sich mit dem Thema, zu dem es bislang nur wenige Daten gibt, intensiv befasst und ist dabei auf interessante Erkenntnisse gestoßen.
Sind grüne Tomaten giftig?
Vorweg einmal die Basics: Tomaten zählen wie Auberginen und Kartoffeln zu den Nachtschattengewächsen. In unreifem Zustand enthalten sie Solanin. Bei Tomaten heißt das Solanin Tomatin und Dexhydrotomatin. Diese Stoffe können sich gesundheitsschädlich auswirken, wenn man sie in größeren Mengen zu sich nimmt. „Zu viel davon führt zu akuten Magen- und Verdauungsproblemen wie Übelkeit und Durchfall. Bleibende Gesundheitsschäden sind aber zum Glück nicht zu befürchten“, erklärt die Verbraucherberaterin.
Ihre Recherchen ergaben außerdem: Die Gefahr einer akuten Vergiftung ist heutzutage weit geringer als früher, zumindest bei den in Supermärkten oder Discountern erhältlichen neuen Tomatensorten. Aus ihnen wurde das Solanin inzwischen weitgehend herausgezüchtet. Damit seien diese Sorten etwa 20 mal weniger giftig als beispielsweise Kartoffeln mit grünen Stellen. Wohlgemerkt: Das gilt für neue Züchtungen, nicht aber für alte Tomatensorten, wie sie häufig in der Biobranche oder am Bauernmarkt angeboten werden.
Auf der sicheren Seite ist, wer nicht mehr als 100 Gramm grüner Tomaten pro Tag isst
Allerdings sieht Daniela Krehl sowieso keine allzu große Gefahr, dass man sich über den Verzehr unreifer grüner Tomaten Schaden zufügt: „So lecker sind sie ja nicht, dass man viel davon isst. Außer sie sind fermentiert.“ Also sauer eingelegt, wie es beispielsweise in der türkischen Küche sehr beliebt ist. Wer schon einmal in einem türkischen Supermarkt eingekauft hat, hat bestimmt auch die großen Einmachgläser mit Tursu gesehen, einer appetitlichen Mischung aus allerlei Gemüsen wie Blumenkohl, Weißkohl, Möhren, Spitzpaprika, Knoblauch, Chili, Lorbeerblatt, Petersilie, Zitrone, Weißweinessig, Wasser, Salz und mehr.
Solanin, respektive Tomatin, ist zwar nicht hitzeempfindlich, sprich beim Kochen geht es nicht kaputt. Aber inzwischen weiß man, dass durch Fermentieren rund ein Drittel Solanin verloren geht, so Daniela Krehl. Wahrscheinlich bauen die Milchsäurebakterien während des Säuerungsprozesses einen Teil des schädlichen Stoffes ab.
Soweit, so gut. Grundsätzlich auf der sicheren Seite ist, wer nicht mehr als 100 Gramm grüner Tomaten pro Tag zu sich nimmt. So lautet die Empfehlung für Erwachsene. Kindern würde die Verbraucherberaterin sicherheitshalber keine grünen Tomaten geben.
Am besten baut sich das Solanin oder Tomatin bei Tomaten ab, wenn sie am Stock reifen
Ausnahme sind echte grüne Tomaten, also Tomaten, die von Haus aus grün gezüchtet sind und die kein Solanin enthalten. Wer also gerne einmal ein grünes Chutney, grüne Tomatenmarmelade oder gebratene grüne Tomaten – wie im Filmklassiker „Grüne Tomaten“ – zubereiten möchte, sollte gezielt auf Sorten wie zum Beispiel Green Tiger gehen. Manche Züchter und manche türkische Läden führen sie im Sortiment. Daran erkennen Sie den Unterschied: Original grüne Tomaten werden auch nach mehreren Tagen unter Lichteinfluss nicht rot.
Dagegen können Sie unreife Tomaten aus eigener Ernte im Haus nachreifen lassen. Dazu einfach in eine Butterbrottüte geben und in Keller, Küche oder Speisekammer ein paar Tage lang warm und trocken liegen lassen. Möglichst lose und nicht zu eng, sonst bekommen sie Druckstellen, was sie eher schimmeln lässt. Packen Sie ruhig einen Apfel mit hinein. Äpfel geben ganz natürlich das Ethylengas ab, das unterstützt den Reifungsprozess.
Am besten baut sich das Solanin oder Tomatin allerdings bei Tomaten ab, wenn sie am Stock reifen. Wenn ein bisschen davon in der Frucht bleibt, schadet es aber wohl nicht, so Daniela Krehl. Tomatin hat durchaus auch seine positiven Seiten: Es gehört zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen und wirkt unter Umständen leicht antikanzerogen, bietet also wohl einen gewissen Schutzeffekt vor Krebs.
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