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Lebensmittel: Politischer Konsum: Wenn Schokolade nicht einfach nur Schokolade ist

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Politischer Konsum: Wenn Schokolade nicht einfach nur Schokolade ist

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    Mit der Entscheidung, welche Waren man in seinen Einkaufskorb legt, kann man Werteeinstellungen nach außen tragen.
    Mit der Entscheidung, welche Waren man in seinen Einkaufskorb legt, kann man Werteeinstellungen nach außen tragen. Foto: Robert Kneschke, stock.adobe.com

    Wenn Lukas Klug durch den Supermarkt bummelt, dann landen Oreo-Kekse nicht im Einkaufswagen, weil der Hersteller Palmöl verwendet. Kinderriegel bezahlen laut dem Studenten ihre Kakao-Bauern nicht gut. Auch Ritter Sport kauft er nicht. Eine Liste der Marken, die er umgeht? „Wäre endlos“, sagt der 22-Jährige aus Augsburg. Denn Klug, der sich neben seinem Informatikstudium bei der Umweltorganisation Greenpeace engagiert, versucht in jedem Konsumbereich von Essen über Kleidung bis zum Strom darauf zu achten, wem er sein Geld gibt. Umwelt, Kinderarbeit und faire Löhne bestimmen beispielsweise seine Kaufentscheidung. Auch die politische Einstellung einer Marke kann dazu führen, dass er sich gegen sie entscheidet.

    Umweltaktivisten rufen zu Marken-Boykott auf

    Politischer Konsum ist der Name für ein Phänomen, bei dem Kunden sich aus ideellen Gründen dafür entscheiden, ein Produkt zu kaufen oder eben nicht. Ein klassisches Beispiel ist der Boykott von Nestlé-Artikeln. Grund dafür ist unter anderem die umstrittene Wasserpolitik des Schweizer Konzerns. Umweltaktivisten werfen Nestlé vor, in armen, trockenen Gebieten das dringend benötigte Wasser abzupumpen und dann in Flaschen gefüllt zu verkaufen. Allerdings handelt politischer Konsum nicht immer von Umwelt und sozialer Gerechtigkeit. Es geht nur darum, mit dem Einkaufen ein Ziel zu verfolgen. Diese Ziele können auch von der falschen Seite kommen. Ein weiteres Beispiel sind etwa antisemitische Boykottaufrufe gegen Produkte aus Israel.

    Carolin Zorell forscht an der schwedischen Universität Örebro zu politischem Konsum. Laut Zorell nimmt diese Form des bewussten Einkaufens stetig zu. Dabei boykottieren die meisten allerdings nicht einzelne Konzerne, sondern kaufen stattdessen spezifische Marken, die ihren moralischen Vorstellungen entsprechen. Diese Form des Einkaufens nennt die Wissenschaft Buycott, angelehnt am englischen Wort für kaufen (buy). „Boykott ist vergleichsweise unpopulär in der Bevölkerung, weil es mit Verzicht verbunden wird“, sagt Zorell. Buycott sei dagegen einfach umzusetzen. Vor 25 Jahren gaben nur kleine Bevölkerungsteile in skandinavischen Ländern bei Umfragen an, während des Einkaufs auf moralische Gesichtspunkte zu achten. Jetzt sind es in allen europäischen Ländern zwischen einem Drittel und 60 Prozent der Bevölkerung.

    Ökologische Werte spielen bei immer mehr Verbrauchern eine Rolle

    Inzwischen wissen viele Firmen, dass etwa ökologische Werte beim Einkauf eine Rolle spielen, weswegen die Verpackungen häufig grün wirken sollen. Menschen, die selbst durch ihren Konsum nachhaltige Produkte unterstützen wollen, empfiehlt Zorell, auf Siegel und Logos zu achten. Außerdem helfe es, „das Kleingedruckte“ und die Inhaltsstoffe zu lesen.

    Lukas Klug kauft – wie Zorell es empfiehlt – vor allem Produkte mit Siegeln, denen er vertraut. Beispielsweise FairTrade für Nahrungsmittel oder der Grüne Knopf für Kleidung. Trotzdem achtet der Student darauf, was große Firmen machen. Problemhaftes Verhalten spezifischer Marken erfährt er über klassische Nachrichten, die Skandale aufarbeiten, oder über Freunde.

    Laut Carolin Zorell sind soziale Kontakte und soziale Medien sehr beeinflussend im Einkaufsverhalten. Das Wissen über Ungerechtigkeiten sei beispielsweise über Dokumentationen und Nachrichten schon da. „Aber damit es wirklich in die Tat umgesetzt wird, ist es wichtig, was das soziale Umfeld tut“, erklärt Zorell. Nutzer in den sozialen Medien rufen immer wieder zu Boykott-Aktionen auf. So beispielsweise Anfang Januar bei Demeter, weil der Bio-Marke eine Nähe zu Querdenken nachgesagt wurde. Das Unternehmen reagierte innerhalb weniger Tage und distanzierte sich von den Corona-Skeptikern.

    Marken-Boykott: Politischer Konsum ist meistens teurer

    Kein Essen von Supermarkt-Eigenmarken, keine Klamotten von H&M. Politischer Konsum ist teurer als normales Einkaufen. „Ich merke das finanziell auf jeden Fall“, sagt Klug. Aber er käme als Student trotzdem durch. Er spart das Geld auf andere Art. Wenige Klamotten reichen ihm beispielsweise und er bereitet sich sein Essen mit Grundnahrungsmitteln selbst zu.

    Aber hat es denn einen politischen Zweck, eine andere Schokoladentafel zu kaufen? Zorell sagt, dass politische Konsumenten nicht immer gleich ein großes politisches Ziel haben. Es gehe zum einen um das eigene Gewissen. Zum anderen hätten sie die Hoffnung, Mitmenschen ebenfalls zu nachhaltigem Konsum zu animieren und Unternehmen zum Umdenken zu bringen. „Eine einzelne Person ändert nicht viel, aber ein Massenboykott kann einen Effekt haben“, sagt sie. Indirekter sei das Einkaufsverhalten aber oft auch ein Appell an Politiker zu erkennen, dass etwas in der Wirtschaft falsch läuft.

    Klugs Ziel ist es prinzipiell, sein Geld nicht Leuten zu geben, die die Erde ausbeuten. Allerdings glaubt der Student auch an den politischen Effekt seines Einkaufsverhaltens. Je nachdem, was die Gesellschaft nachfrage, reagiere auch die Politik, sagt Klug. „Ich glaube, dass wir die Macht haben, nicht nur alle vier oder fünf Jahre an der Wahlurne zu entscheiden, wo unsere Gesellschaft hingehen soll. Sondern jeden Tag am Einkaufszettel.“

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