Ärzte und Kliniken sind überlastet, Arznei wird knapp. Und trotzdem müssen fast 41 Millionen Kassenpatientinnen und -patienten deutlich mehr Geld für ihre Absicherung zahlen: Rund die Hälfte der 97 gesetzlichen Krankenkassen hat zum Jahreswechsel ihren Zusatzbeitrag erhöht, weitere könnten noch folgen. Für Arbeitnehmer bedeutet das Mehrkosten von bis zu 347 Euro im Jahr, für Selbstständige bis zu 693 Euro, wie das Vergleichsportal Check24 vorrechnet.
Nur 20 Kassen, darunter der Branchenriese Techniker TK, halten bislang ihre Prämien konstant, drei haben abgesenkt. Die Verteuerung dürfte viele Versicherte kalt erwischt haben: Sie greift erstmals ohne Ankündigung per Post. "Wer die Erhöhung nicht mitmachen will, sollte die Kasse wechseln", rät Stefan Schemm von der Verbraucherzentrale Bayern. Das kann sich lohnen: Woanders kann sogar eine bessere Versorgung für weniger Geld drin sein.
Warum kommt die Verteuerung auf leisen Sohlen?
Millionen Versicherte dürften die Erhöhungen erst einmal noch gar nicht bemerkt haben. Denn: Die Kassen schreiben ihre Mitglieder erstmals nicht persönlich an. Grund: Die Informationspflicht über Beitragsanhebungen wurde ausgesetzt – bis 30. Juni 2023. Allgemeine Ankündigungen, etwa auf Internetseite der Kasse oder in Mitgliederzeitschriften, reichen aus. Gut 100 Millionen Euro an Kosten für Papier und Versandkosten sollen dadurch eingespart werden. "Versicherte sollten im Januar genau auf ihre Gehaltsabrechnung schauen und prüfen, wie viel Krankenkassenbeitrag ihnen abgezogen wird“, empfiehlt Thomas Adolph, Geschäftsführer von gesetzlichekrankenkassen.de, einem Online-Portal, das auf den Vergleich von Kassenleistungen spezialisiert ist.
Wie teuer wird es?
Das hängt davon ab, bei welcher Kasse jemand versichert ist und wie hoch das Einkommen ist. Der Grundbeitrag bei allen Kassen liegt bei einheitlich 14,6 Prozent. Dazu kommt ein Aufschlag, der sogenannte Zusatzbeitrag. Der steigt im Schnitt von 1,3 auf 1,6 Prozent – das ist neuer Rekord. Addiert bedeutet das: Versicherte müssen 2023 im Schnitt 16,2 Prozent vom Bruttoeinkommen für ihre gesetzliche Krankenversicherung zahlen – was im Maximum fast 808 Euro Krankenkassenbeitrag pro Monat ausmachen kann, ohne Pflegeversicherung. Wie teuer es wird, tüftelt jede Kasse für sich aus.
Wie lässt sich sparen?
"Der beste Weg, Kosten im Griff zu halten, ist der Wechsel der Krankenkasse, egal, ob jemand angestellt, frei tätig oder Rentner ist", betont Schemm. Schon der kleine Beitragsunterschied von nur 0,2 Prozentpunkten zwischen zwei Kassen kann eine Ersparnis von bis zu 120 Euro jährlich bedeuten. Wie viel jemand spart, hängt auch vom Einkommen ab. Je höher es ist, desto größer ist die Sparchance. Nach Berechnungen von Check24 können Arbeitnehmer durch einen Wechsel bis zu 299 Euro im Jahr einsparen, Selbstständige, die den Arbeitnehmer- wie auch den Arbeitgeberanteil tragen, bis zu 598 Euro.
Wie komme ich raus aus der bisherigen Kasse?
Wenn die Kasse den Zusatzbeitrag erhöht hat, besteht für den Versicherten ein Sonderkündigungsrecht – bis Ende Januar. Selbst wer diese Monatsfrist verpasst, kann schon wenig später raus. Denn: Wer mehr als zwölf Monate Mitglied ist, darf jederzeit mit einer Frist von zwei Monaten wechseln. Umsteigen ist einfach und klappt so: Eine neue Krankenkasse aussuchen und ihr mitteilen, dass man gern hinein möchte. Das geht häufig auch per Onlineantrag. Die neue übernimmt automatisch die Kündigung bei der alten. Konkret bedeutet das: Wer im Januar den Umstieg angeht, ist nach zwei Monaten, also zum 1. April in der neuen Kasse. "Ein Wechselrisiko gibt es nicht", betont Schemm.
Können auch Kranke wechseln?
Ja. Auch erkrankte oder betagte Menschen können grundsätzlich jederzeit wechseln. Gesetzliche Versicherer müssen jeden Wechselwilligen aufnehmen. Altersbeschränkung und Gesundheitsprüfung gibt es nicht. Damit können auch Greise oder chronisch Kranke ihrer bisherigen Kasse den Rücken kehren, sollten sie mit ihr unzufrieden sein und Geld sparen wollen. "Keine Kasse darf Interessenten abwimmeln oder hinhalten", betont Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Nur eins gilt es zu beachten: Wer gerade erst eine Leistung genehmigt bekam, wie etwa Psychotherapie, Reha, einen Rollstuhl oder ein Pflegebett, sollte nicht ausgerechnet kurz vor Behandlungsbeginn wechseln. Die nächste Kasse ist nicht an die alte Genehmigung gebunden. Hat die Behandlung beim Wechselprozess schon begonnen, ist ein Abbruch dagegen eher unwahrscheinlich.
Was ist beim Umstieg entscheidend?
Wechselwillige sollten herausfinden: Was hat eigentlich meine eigene Kasse an medizinischer Versorgung zu bieten und bringt die Konkurrenz vielleicht noch mehr? Vielleicht sogar für weniger Geld? Zwar sind etwa 95 Prozent der Leistungen bei allen Kassen identisch. Bei den restlichen fünf Prozent, den freiwilligen Extras, gibt es jedoch Unterschiede. Und die können bares Geld wert sein. Etwa, wenn Kurse wie Rückenschule, Raucherentwöhnung oder Aqua-Jogging von einer anderen Kasse gezahlt oder bezuschusst werden, von der eigenen aber nicht. Manche Kassen sind zudem großzügiger, wenn es um teure Ausgaben rund um Kinderwunsch oder Geburt geht. Andere zahlen mehr Ultraschalluntersuchungen für Schwangere, mehr Früherkennungschecks für Kinder, bieten Rat via Hotline. Oder sie spendieren die Haushaltshilfe bei Krankheit, Osteopathie-Behandlungen, Kosten für alternative Medizin. Einige Kassen zahlen für die professionelle Zahnreinigung. Vergleichen und die besten Angebote herauspicken ist also möglich und empfehlenswert. Wer im Alter mehr persönlichen Kontakt zur Kasse möchte, sollte sich einen Anbieter mit Geschäftsstellen in der Nähe suchen, empfiehlt Schemm.
Wie finde ich eine neue Kasse?
Weil es auf eigene Faust unmöglich ist, einen Überblick über die vielen Extras aller 97 Kassen zu bekommen, sollten sich Wechselwillige von den Verbraucherzentralen vor Ort helfen lassen. Unterstützung bei der Kassensuche bietet auch die Marktübersicht von Stiftung Warentest gegen Gebühr. Kostenfreie Rechner von Online-Vermittlungsportalen wie etwa gesetzlichekrankenkassen.de, verivox.de oder check24.de helfen ebenfalls beim Aufspüren einer günstigeren Wunschkasse.