Frau Hansen, Sie haben zunächst ökologische Landwirtschaft studiert. Wie kam es dazu, dass Sie jetzt Paare mit Kinderwunsch coachen?
CORA HANSEN: Schon in meinem Landwirtschaftsstudium hat mich das Zwischenmenschliche sehr interessiert. Dann habe ich an der Uni Salzburg einen Coaching-Master gemacht und währenddessen selbst unter meinem unerfüllten Kinderwunsch gelitten. Ich hatte zwei frühe Fehlgeburten und habe dann meine Masterarbeit über die Stressbelastung von Frauen, die unter ihrem Kinderwunsch leiden, geschrieben. Zu der Zeit habe ich angefangen, Einzelpersonen zu ihrem Kinderwunsch zu beraten und auch Vorträge zum Thema gehalten. Als sich dann viele Paare bei mir gemeldet haben, habe ich mich entschieden, mich im Bereich emotionsfokussierte Paartherapie weiterzubilden. Da liegt mein Schwerpunkt jetzt.
Was haben Sie auf Ihrem eigenen Weg zum Wunschkind erlebt?
HANSEN: Ich bin mit einer Frau verheiratet. Wir haben also schon von vornherein bestimmte Voraussetzungen nicht. Wir brauchen mindestens eine dritte Person, um schwanger zu werden. Wir haben uns unseren Kinderwunsch erfüllt durch einen Freund, der sich dafür entschieden hat, uns zweimal eine private Spende zu geben. Und jetzt haben wir zwei Kinder, die sind zwei und sechs.
Wie unterscheidet sich ein Kinderwunsch bei einem heterosexuellen und einem queeren Paar?
HANSEN: Es ist eine gesellschaftliche Thematik, auch in Bezug auf Diskriminierungserfahrungen. Die hat ein heterosexuelles Paar natürlich nicht. In Deutschland ist es momentan noch so, dass in den meisten Fällen bei heterosexuellen Paaren, insofern ein medizinischer Grund vorliegt, die Kinderwunschbehandlung bis zu drei Versuche lang von der Krankenversicherung finanziert wird. Das ist bei queeren Paaren nicht so, die müssen das selbst finanzieren. Das sind natürlich immense Kosten. Und immer noch gibt es viele kritische Stimmen, die dann sagen: „Zwei Mütter oder zwei Väter, was tut man da dem Kind an? Das darf man doch nicht.“ Das ist, glaube ich, der Hauptunterschied. Beide Paare haben großen Stress und großen Leidensdruck, bei queeren Paaren kommt oft noch dieses Finanzielle und dieser gesamtgesellschaftliche Druck obendrauf.
Gab es einen Punkt, an dem Sie Ihren Wunsch hinterfragt haben?
HANSEN: Ja. Ich habe recht spät gemerkt, dass ich mich auch in Frauen verliebe. Und dann hatte ich das Thema Familie eigentlich abgehakt für mich. Ich dachte, wenn ich mit einer Frau zusammen bin, dann kann ich keine Kinder bekommen. Erst später kam es - vor allem durch Vorbilder, dadurch, dass ich über andere Frauenpaare gelesen habe, die diesen Weg gegangen sind -, dass ich dachte: Das wäre vielleicht auch für mich eine Option.
Angenommen ein Paar entscheidet sich, eine Familie zu gründen. Über welche Dinge sollten sich beide unbedingt einig sein?
HANSEN: Es ist immer gut, schon mal über das eigene Aufwachsen gesprochen zu haben. Was waren Werte in deiner Familie? Was würdest du gerne übernehmen? Was würdest du gerne ablegen? So kann man ins Gespräch darüber kommen, was man unter der Begleitung von Kindern versteht, was man seinen Kindern mitgeben will. Das kann auch die Beziehung schön vertiefen, wenn man sich über die eigene Kindheit unterhält und darüber, was gut gelaufen ist oder eben nicht. Und dann natürlich auch ganz praktisch: Wie wollen wir uns aufteilen? Wer von uns nimmt Elternzeit? Wie wollen wir Carearbeit teilen? Bekommt die Person, die mehr Sorge trägt, einen finanziellen Ausgleich? Wie können wir uns absichern im Fall von Scheidung, von Tod, von Trennung?
Haben Sie Tipps, wie man als Paar über die Familiengründung hinaus die Beziehung schützen kann?
HANSEN: Ich habe viele Paare mit Kindern in Beratung, die dann merken: Es gibt einfach viel zu wenig Zeit füreinander. Die vermissen die Paarzeit und verlieren dadurch das Verständnis füreinander. Diesen Paaren gebe ich mit: Versucht auch eurer Beziehung einen Raum zu geben. Schafft euch einen Raum, euch einander zuzuwenden, wenn es auch nur ein oder zwei Stunden sind, in denen man ganz in Ruhe miteinander sprechen kann, ohne Kinder. Das ist ein großes beziehungsschützendes Instrument.
Viele kinderlose Frauen werden mit unangenehmen Kommentaren konfrontiert. Je älter die Frauen werden, desto drängender und distanzloser werden die Fragen nach Nachwuchs. Was raten Sie Frauen im Umgang mit solchen Kommentaren?
HANSEN: Wie konfrontativ man damit umgehen möchte, ist Persönlichkeitssache. Generell finde ich: Kinderwunsch ist kein Smalltalk-Thema. Es kann so viel Schmerz dahinter sein, so viel Leid. Vielleicht gab es eine Fehlgeburt oder der Kinderwunsch ist schon lange unerfüllt. Wenn man die Ressourcen hat, kann man sagen: ‚Hey, es ist gerade ein schmerzliches Thema und ich wünsche mir da ein bisschen mehr Sensibilität.‘
Wie können Freundinnen und Freunde oder die Familie einem Paar mit Kinderwunsch helfen?
HANSEN: Auch hier ist Sensibilität gefragt. Man sollte nicht einfach so platt fragen: Na, wann kommt denn jetzt endlich das Kind? Das ist ein Balanceakt. Man will nicht zu aufdringlich sein, aber man möchte auch einen Raum eröffnen, damit das Paar darüber sprechen kann. Das kann entlastend sein und dem Paar das Gefühl geben, gesehen zu werden.
Auch wenn man empathisch mit dem Kinderwunschpaar spricht, kann das großen Kummer verursachen. Was hilft gegen den Schmerz?
HANSEN: Keine Tipps geben. Das Umfeld sollte sich Sprüche verkneifen wie: Fahr mal in den Urlaub! Bei XY hat dieser Tee geholfen! Das Kinderwunschpaar hat vielleicht eh das Gefühl, es schafft eine Anforderung nicht. Viele Menschen kriegen ja scheinbar problemlos Kinder. Da fragt man sich als Kinderwunschpaar schnell: Was ist falsch mit uns? Wenn nicht danach gefragt wird, dann gibt man als Außenstehender keine Tipps.
Zur Person
Cora Hansen ist studierter Mentalcoach und betreut Paare online und in Augsburg. Als Frau Courage widmet sie sich den Themen Paartherapie außerdem in einem Podcast und auf einem Youtube-Kanal. In ihren Coachings geht es um Kinderwunsch, Selbstfürsorge, Paarbeziehung, das Leben unter dem Regenbogen und Achtsamkeit.
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