Pflege ist teuer. Ja, aber ist sie zu teuer oder womöglich bald unbezahlbar? Zumindest die AOK Sachsen-Anhalt zeigt sich besorgt. Bei einer Verwaltungsratssitzung am 12. Juni 2024 ging es um immer weiter steigende Pflegefallzahlen, steigende Leistungen und explodierende Kosten insbesondere in Pflegeheimen. Einer Pressemitteilung zufolge blickt die AOK mit "größter Sorge" auf die Finanzsituation der Pflegekasse, außerdem müssten Pflegebedürftige finanziell entlastet werden. Wie groß ist das Problem und welche Lösungen fordert die AOK?
Explodierende Kosten im Pflegeheim: Wie hoch ist der Eigenanteil?
Das Pflegeheim zahlt nicht allein die Pflegeversicherung. Die Kosten setzen sich der Verbraucherzentrale zufolge aus verschiedenen Posten zusammen; nur für Pflege und Betreuung kann der Leistungsbetrag für die vollstationäre Pflege eingesetzt werden, den Rest müssen Pflegebedürftige selbst stemmen. Speziell die stark steigenden Eigenanteile in Pflegeheimen sind aus Sicht der AOK aber ein Problem. Zwar sei versucht worden, mit dem 2022 eingeführten Leistungszuschuss die Eigenanteile zu begrenzen, trotzdem lag 2023 in Sachsen-Anhalt der durchschnittliche Eigenanteil bei 1800 Euro pro Monat - 16 Prozent mehr als noch 2022. Ein weiterer Anstieg im Jahr 2025 sei wahrscheinlich und kaum noch aufzuhalten.
Die Lage vieler Pflegebedürftiger sei prekär. "Es kann nicht sein, dass Menschen über viele Jahre ihres Berufslebens hinweg in die Pflegekasse einzahlen und letztlich beim Sozialamt um Unterstützung bitten müssen, um beispielsweise die Eigenanteile in den Pflegeheimen zu stemmen. Das ist demütigend", sagt Susanne Wiedemeyer, Vorsitzende des AOK-Verwaltungsrats.
Nicht nur im Pflegeheim, sondern über die gesamte Pflegebranche hinweg warnt die AOK vor besorgniserregenden Kostensteigerungen. 2023 seien allein bei der AOK Sachsen-Anhalt Ausgaben in Höhe von 1,2 Milliarden Euro geflossen - im Vergleich zu 2017 eine Steigerung um 46,9 Prozent.
Für das kommende Jahr zeichnet sich der AOK zufolge schon jetzt ein Defizit ab. Zum einen sei mit der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade im Jahr 2017 sowie dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff die Zahl pflegebedürftiger Menschen gestiegen - allein in Sachsen-Anhalt um 50 Prozent auf aktuell über 166.000 Personen. Hinzu kämen Kosten für zusätzliche Pflegeleistungen sowie die mit der Pflegereform 2023 geplanten Leistungserhöhungen ab 2025 - es sollen etwa das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen steigen. Für Beitragszahler ist damit laut der AOK schon jetzt absehbar, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung weiter steigen wird.
AOK fordert: "Pflege bezahlbar machen" - aber wie?
In Anbetracht der enormen Kostensteigerungen braucht es der AOK zufolge eine Entlastung der Pflegebedürftigen - insbesondere in Pflegeheimen. Aus Sicht der Pflegekasse könnte etwa der Eigenanteil reduziert werden, indem die Ausbildungskosten für Pflegekräfte aus den auf Bewohnerinnen und Bewohner umgelegten Kosten gestrichen würden. Außerdem plädiert die AOK dafür, die Investitionskosten der Pflegeheime nicht länger den Pflegebedürftigen aufzubürden. "Sie sollten als Teil der Daseinsvorsorge vollständig von den Ländern getragen werden", schreibt die AOK.
Welche Auswirkungen das auf den Eigenanteil hätte, schreibt die AOK nicht. Wirft man allerdings einen Blick auf die jüngste Auswertung des Verbands der Ersatzkassen (VDEK) zum Eigenanteil im Bundesdurchschnitt, würde sich allein durch die wegfallenden Investitionskosten eine Kostensenkung von über 400 Euro pro Monat ergeben. Im Bundesdurchschnitt lagen die Investitionskosten am 1. Januar 2023 bei 472 Euro und am 1. Januar 2024 bei 485 Euro. Für Sachsen-Anhalt gibt der VDEK 307 Euro (Januar 2023) und 314 Euro (Januar 2024) an.
Beim Themen Kostensenkung sieht die AOK vor allem die Politik in der Verantwortung zu reagieren. Neben den genannten Möglichkeiten zur Senkung des Eigenanteils im Pflegeheim fordert die Pflegekasse unter anderem, kostendeckende Beiträge für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld einzuführen.