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Interview: Was hilft gegen den Neujahrsblues, Frau Hennig?

Für viele Menschen ist der Jahreswechsel eine Zeit, die mit ihrer Dunkelheit und vielen Emotionen oft melancholisch stimmt und belastend sein kann. Über den Neujahrsblues sprach Peter Stöbich mit der Augsburger Diplom-Psychologin Christiane Hennig.

Wie kommt es zum Neujahrsblues?

Christiane Hennig: Im Großen und Ganzen gibt es drei Hauptgründe:

  1. Das besinnliche Weihnachts- und Familienfest:Wenn wir ein Bild von Weihnachten im Kopf haben, welches nicht der erlebten Realität entspricht, sind wir enttäuscht. Die perfekte Weihnacht sollte weiß, besinnlich und das Fest einer glücklichen Familie sein. Kommt dann noch der Eindruck hinzu, dass alle anderen diese Werbeweihnacht feiern, nur man selber nicht, ist der Blues schon im Entstehen.
  2. Rückblick und neue Vorsätze: Die Tradition verlangt, sich zum Jahreswechsel Ziele zu setzen und im neuen Jahr zu verwirklichen. Dabei blickt man auch zurück auf die Vorsätze des vergangenen Jahres. Stellen wir dabei fest, dass sich Wünsche oder Hoffnungen nicht erfüllt haben, stimmt uns das traurig; oder müssen wir uns eingestehen, dass wir die an uns selbst gestellten Erwartungen nicht umsetzen konnten, verstärkt sich zunehmend das Bluesgefühl.
  3. Die dunkle Jahreszeit: Der Lichtmangel (Zeit und Intensität) macht vielen Menschen zu schaffen, drückt auf die Stimmung und führt zu einem geringeren Antrieb- und Aktivitätsniveau.

Was unterscheidet den sogenannten Blues von einer Depression?

Hennig: Der Neujahrswechsel schlägt vielen Menschen aufs Gemüt. Daher spricht man auch vom Neujahrsblues. Es handelt sich dabei um eine emotionale Phase, die oft schon während der Weihnachtsfeiertage beginnt und in den ersten Wochen des Jahres wieder vergeht. Betroffene fühlen sich traurig, entmutigt, frustriert, haben Ängste, Sorgen oder Zukunftsängste. Diese vorübergehende Niedergeschlagenheit ist nicht mit einer depressiven Erkrankung zu verwechseln. Eine Depression erfasst über einen längeren Zeitraum den gesamten Menschen in seinem Denken, Fühlen und Handeln und verursacht erhebliches Leid. Erkrankte Menschen können sich selten allein von ihrer gedrückten Stimmung, Antriebslosigkeit und ihren negativen Gedanken befreien und sollten psychotherapeutisch begleitet werden.

Neujahrsblues: "Der beste Schutz ist Einstellungssache"

Gibt es Menschen, die davon besonders betroffen sind?

Hennig: Die sogenannte Bluesstimmung kann jeden treffen beziehungsweise hat wohl jeden von uns schon mal erwischt. Wir erleben alle Jahre, die erfolgreich oder großartig waren, und wir haben eben auch traurige oder frustrierende und anstrengende Zeiten. Es gibt Jahre, in denen wir jemanden verloren haben oder an etwas gescheitert sind. Auch wenn sich große Wünsche und Ziele (noch) nicht realisiert haben, sind wir besonders anfällig für den Neujahrsblues.

Christiane Hennig ist Diplom-Psychologin mit eigener Praxis in Augsburg.
Christiane Hennig ist Diplom-Psychologin mit eigener Praxis in Augsburg. Foto: Peter Stöbich

Wie kann man damit umgehen?

Hennig: Ich würde sagen, der beste Schutz ist Einstellungssache: Wenn ich grundlegend davon ausgehe, dass im Leben nicht nur Positives oder nur Erfolge enthalten sind, sondern auch Misserfolge oder Trauriges, bin ich nicht so bestürzt, wenn es nicht gut läuft.

Wer suchet, der findet: Ich werde immer Dinge finden, die nicht wie geplant geklappt haben. Ich werde aber auch immer Sachen entdecken, die gut waren oder mich glücklich gemacht haben. Wir sollten uns alle trainieren, nicht nur das Schlechte oder das Fehlende zu betrachten, sondern den Fokus auch auf Positives lenken. Bewegung, frische Luft, gesellige Runden, Lachen oder gute Gespräche helfen auch in der dunklen Jahreszeit, aktiv und positiver gestimmt zu bleiben. Die Macht der Gedanken können wir nutzen: Wenn ich mit Zuversicht in die Zukunft blicke und mit der Gewissheit, dass Probleme oder Hürden zwar auftauchen, ich mich ihnen aber stelle, schwindet die Angst und das Gefühl der Ohnmacht.

"Vorsätze nicht als schwierige Aufgabe vorstellen

Sind gute Vorsätze fürs neue Jahr sinnvoll oder eher kontraproduktiv?

Hennig: Die Frage ist, was sind „gute“ Vorsätze? Gut ist, sich Klarheit zu verschaffen über Dinge, die ich im privaten oder beruflichen Leben erreichen möchte. Denn ein klares Bild gibt uns eine Richtung vor und hilft uns, auftauchende Probleme besser zu bewältigen.

Gut ist, sich die Vorsätze nicht als schwierige Aufgabe vorzustellen, sondern wie sich der Erfolg nach der Umsetzung anfühlt. Zum Beispiel: Ich nehme zehn Kilo ab und stelle mir vor, wie stolz ich auf mich bin, wenn ich vom Sport nach Hause fahre; es Spaß macht, sich gesundes, leckeres Essen zu kochen; oder wie es sich anfühlt, wenn jemand zu mir sagt, „Wow, hast Du abgenommen“?

Kontraproduktiv können Vorsätze sein, die zu ambitioniert sind, die Zeit brauchen, deren Umsetzung als anstrengend empfunden wird oder wenn man es sich eigentlich gar nicht zutraut. Hier entsteht ein Einfallstor für neuen Blues.

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