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Interview: Psychologin rät zu viel Bewegung: Warum Sport Balsam für die Seele ist

Interview

Psychologin rät zu viel Bewegung: Warum Sport Balsam für die Seele ist

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    "Es geht uns psychisch besser, wenn wir regelmäßig Sport machen", sagt Psychologin Dorothee Alfermann.
    "Es geht uns psychisch besser, wenn wir regelmäßig Sport machen", sagt Psychologin Dorothee Alfermann. Foto: Ulrich Wagner (Symbol)

    Frau Alfermann, jeder weiß, dass Sport gut für den Körper ist. Als Sportpsychologin kennen Sie auch die Auswirkungen auf unsere Psyche. Was genau passiert beim Sport mit unserem Gehirn?
    Dorothee Alfermann: Unter anderem werden die Botenstoffe Serotonin und Dopamin ausgeschüttet. Serotonin ist wichtig für unsere Stimmung und hat einen positiven Effekt auf unsere Entspannungsfähigkeit. Deshalb geht es uns psychisch besser, wenn wir regelmäßig Sport machen. 

    Wie viel Sport braucht denn unser Gehirn? Reicht zwei Mal pro Woche?
    Alfermann: Nein, am besten wäre es jeden Tag eine halbe Stunde etwas zu machen. Zum Beispiel gehen oder joggen.

    Oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren?
    Alfermann: Genau, damit ist schon viel gewonnen. Laufen oder Fahrrad fahren kann jeder, damit kann man gut anfangen. Beim erstmaligen Auftreten von Depressionen wird so ein regelmäßiger Ausdauersport als Therapieform empfohlen. Erst wenn das keine Effekte zeigt, versucht man eine Kombination mit Medikamenten und Psychotherapie.

    Burnout – was ist das?

    Die Bezeichnung Burnout umschreibt keine fest definierte Krankheit, sondern eher einen Zustand der Erschöpfung.

    Das englische Verb „burn out“ bedeutet wörtlich übersetzt „ausbrennen“.

    Geprägt hat den Begriff Burnout in den 1970er Jahren der US-amerikanische Psychotherapeut Herbert Freudenberger.

    Er hatte selbst bis zum Zusammenbruch gearbeitet, schrieb über seinen Zustand und nannte ihn „Burnout“.

    Sport hilft auch gegen Stress. Heißt das je mehr Stress man hat, desto mehr Sport sollte man machen?
    Alfermann: Das kann ich nicht auf Anhieb bestätigen. Aber bei Stress sind die Menschen aufgeregt, Blutdruck und Puls gehen nach oben. Mit Ausdauersport lässt sich das reduzieren. Menschen können dadurch mit psychischen Belastungen besser fertig werden. Außerdem schläft man besser, wenn man sich am Tag körperlich angestrengt hat.

    Können wir Burn-Out vorbeugen, wenn wir nach jedem Arbeitstag eine Runde joggen gehen?
    Alfermann: Burn-Out ist oft eine Form von Depression. Regelmäßige Bewegung hilft da auch präventiv.  

    Gibt’s ein Glücksrezept? Boxen gegen Aggressionen, laufen für die Ausgeglichenheit, tanzen für die Freude?
    Alfermann: Ich kann nicht bestätigen, dass Kampfsport hilfreich ist für den Frustabbau. Aber generell wählen Menschen für sich selbst einen Sport, der ihrer Persönlichkeit entspricht. Manchen macht es nichts aus, öfter allein zu sein. Das sieht man auch während Corona, dass es für manche weniger schlimm ist als für andere. Die gehen dann alleine joggen oder Fahrrad fahren. Wer lieber Menschen um sich herum hat, macht besser Gruppensportarten wie Fußball oder Basketball.

    Ist es besser, neue Bewegungsabläufe zu lernen, zum Beispiel beim Tanzen, oder die Psyche beim Laufen nicht zu sehr anzustrengen?
    Alfermann: Wer geistige Entspannung braucht, ist im Ausdauersport gut aufgehoben. Komplexere Bewegungsabläufe helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Wer nicht an Liebeskummer oder andere Sorgen denken möchte, kann beim koordinativen Sport versuchen neues zu lernen.

    Die Natur hat auch einen guten Einfluss auf unsere Psyche. Also am besten gleich draußen Sport machen?
    Alfermann: Wenn man Spaß hat an einem Sport, den man draußen machen kann, ist das sinnvoll. Die Abwechslung tut gut und Freude am Sonnenuntergang, guter Luft oder der schönen Landschaft auch.

    Was ist, wenn kein Sport Spaß macht? Wenn man nur joggen geht, weil es dem Körper guttut?
    Alfermann: Dann hat es leider keine positiven, psychischen Effekte. Ich kann nicht empfehlen, joggen zu gehen, wenn man das gar nicht mag.

    Kann Sex Sport ersetzen?
    Alfermann: Da bin ich überfragt.

    Wenn jemand keinen Sport findet, an der er Spaß hat, wie baut man dann Stress ab?
    Alfermann: Ein Entspannungstraining hat ähnliche Effekte für den Herzkreislauf und den Blutdruck. Da wird zum Beispiel abwechselnd die Faust geballt und dann wieder geöffnet. So werden verschiedene Gliedmaßen im Körper angespannt und wieder entspannt. Das nennt man progressive Muskelrelaxation. Oder autogenes Training. Ähnlich wie beim Meditieren stellt man sich zum Beispiel vor, dass der Arm ganz schwer wird. Da ist Fantasie gefragt.

    Kann Sport auch negative, psychische Effekte haben?
    Alfermann: Ja. Wenn man eine Sportsucht entwickelt. Und auch der Wettkampfsport ist gefährlich, wenn man sich dabei selbst überfordert. Es kann psychisch deprimieren, wenn man nicht mithalten kann.

    Zur Person: Dorothee Alfermann ist Sportpsychologin an der Universität in Leipzig. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist: „Wirkungen von Sport und Bewegung auf Selbstkonzept und Wohlbefinden.“

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