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Interview: Kapitalexperte: "Man muss eine halbe Million Euro ansparen"

Interview

Kapitalexperte: "Man muss eine halbe Million Euro ansparen"

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    Pro 250.000 Euro Vermögen kann man im Alter 1000 Euro im Monat entnehmen, damit das Geld längere Zeit ausreicht, rechnet Finanzfachmann und Autor Sandro Fetscher vor.
    Pro 250.000 Euro Vermögen kann man im Alter 1000 Euro im Monat entnehmen, damit das Geld längere Zeit ausreicht, rechnet Finanzfachmann und Autor Sandro Fetscher vor. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Herr Fetscher, Oma Frieda hat ein Leben lang geschuftet und gespart. Und jetzt merkt sie im Alter, dass sie nur wenig Rente hat. Diesen Fall schildern Sie in Ihrem Buch. Was ist da schiefgelaufen?

    Sandro Fetscher: Nach über 5000 Finanz-Beratungsgesprächen habe ich einen guten Überblick, wie die Leute finanziell denken. Bei rund 80 Prozent der Deutschen zeigt sich ein Muster: Wir sparen uns arm. Oma Frieda ist nur ein fiktives Beispiel. Es könnte auch die Familie von nebenan sein, egal. Manche Fehler wiederholen sich immer wieder. Beispiel Lebensversicherungen: Es gibt in Deutschland 90 Millionen Verträge. Ich kenne Handwerker, die zur Altersvorsorge über zehn Verträge abgeschlossen haben und dafür rund 1200 Euro im Monat einzahlen! Wenn man aber nachrechnet, was am Ende rauskommt, bekommt man das große Grausen.

    Was ist so falsch an Lebensversicherungen?

    Fetscher: Lebensversicherungen bündeln Altersvorsorge und eine Todesfallabsicherung. Viele denken, der gesamte eingezahlte Beitrag wird für die Altersvorsorge verzinst. Tatsächlich gibt es aber nur Zinsen auf den Sparanteil. Und der ist deutlich geringer als die Einzahlung. Nicht selten fallen bis zu 30 Prozent des eingezahlten Betrags für die Risikoabdeckung, für Abschluss- und Verwaltungskosten an. Am Ende ist die Auszahlung häufig nicht höher als der eingezahlte Betrag, wenn man Inflation mit berücksichtigt. Eine Katastrophe!

    Aber braucht man nicht eine Absicherung für den Todesfall?

    Fetscher: Dies kann man separat viel günstiger versichern – mit einer reinen Risikolebensversicherung.

    Was kann man denn besser machen als Oma Frieda?

    Fetscher: Das größte Problem ist, dass viele Bundesbürger in finanziellen Dingen tatenlos bleiben. Sie trauen sich bei Finanzen wenig zu. Und den Beratern trauen sie auch nicht mehr. Überteuerte Versicherungen, geschlossene Beteiligungen und dergleichen mehr haben dazu geführt, dass die Leute keine Lust mehr haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Finanz-Bildung ist aus meiner Sicht in Deutschland auf einem Tiefpunkt. Viele Leute verhalten sich heute passiver denn je und lassen ihr Geld auf dem Konto liegen, wo es keine Zinsen bringen. Obwohl sie wissen, dass sie das Thema anpacken müssten.

    Was ist denn der häufigste Fehler der Geldanlage?

    Fetscher: Viele nutzen zum Beispiel das Girokonto zur Geldanlage. Angenommen, Sie sparen 20.000 Euro auf dem Girokonto. Das Ziel der EZB ist eine Inflationsrate von zwei Prozent. Gefühlt sind es vielleicht eher drei Prozent, weil Lebensmittel, Tanken oder Wohnen stärker im Preis steigen. Nach 23 Jahren wären damit real noch 10.000 Euro da. Denn auf dem Girokonto gibt es null Prozent Zins. Auch die Zinsen auf dem Tagesgeldkonto sind zu gering, um die Inflation auszugleichen. In unserem Beispiel sind es rund 50 Euro, die jeden Monat die Toilette heruntergespült werden. Dieses gute Geld ist einfach weg. 

    Kommen wir zurück zu Oma Frieda... Wie viel Kapital muss man sparen, um im Alter gut leben zu können?

    Fetscher: Über Rentenrechner lässt sich schnell checken, wie meine aktuelle Lage aussieht. Genauso wie die Leute ihren Urlaub planen oder ihren Autokauf, sollten die Leute einmal etwas Zeit für ihre Finanzplanung aufwenden. Dazu braucht man nicht einmal einen Berater. Die erste Frage, die sich jeder stellen sollte: Wird mein Einkommen im Ruhestand ausreichen? Das kann fast jeder mit Nein beantworten. Angenommen, Sie haben 2000 Euro Nettolohn und gehen morgen in den Ruhestand, dann bekommen vielleicht nur noch 1000 Euro gesetzliche Rente. Die Lücke von 1000 Euro muss man irgendwo herbekommen. Dazu muss man den Inflationsausgleich berücksichtigen. Statt 1000 Euro braucht man in 25 bis 30 Jahren bei zwei bis drei Prozent Inflation also 2000 Euro. Für eine Entnahme von 2000 Euro im Monat muss man aber ungefähr eine halbe Million Euro angespart haben. Die Daumenregel lautet: Pro 250.000 Euro Vermögen, kann man pro Monat gut 1000 Euro entnehmen, damit das Geld längere Zeit ausreicht.

    Sandro Fetscher
    Sandro Fetscher Foto: Sandro Fetscher

    Eine halbe Million ist viel Geld...

    Fetscher: Ja, für die meisten ist es unvorstellbar viel Geld. Vor allem, weil wir nicht wissen, wie wir in der Nullzins-Welt, solche Summen auf die Seite schaffen sollen.

    Gibt es überhaupt eine Chance, trotzdem das Ziel zu erreichen?

    Fetscher: Erst wer sein Zielvermögen – also das Fundament – kennt, kann den zweiten Schritt einleiten. Nämlich, mit welchem monatlichem und einmaligem Betrag dieses Ziel erreicht werden kann. An diesem Punkt wird vielen erst klar, wo sie stehen und dass sie sich um die Geldanlage kümmern müssen.

    Welches sind die Wege, einen Kapitalstock aufzubauen?

    Fetscher: Die Leute brauchen ein Tagesgeldkonto mit zwei bis drei Monatsgehältern darauf als Sicherheit für überraschende Ausgaben. Und sie brauchen ein Depotkonto. Das aber haben aktuell nur 13 Prozent in Deutschland. In Augsburg zum Beispiel ist die Lage noch schlechter: Wir sind Schlusslicht in Bayern zusammen mit Hof. Wir haben vier Prozent Aktienbesitzquote und sieben Prozent Fondsbesitzquote. Unsere Nachbarn – die Münchner – haben dagegen 17 Prozent Aktienquote und 50 Prozent Fondsbesitzquote! Das Depotkonto sollte dann mit einer klaren Anlagestrategie mit entsprechenden Anlageprofil aus aktiv gemanagten Fonds oder Indexfonds, kurz ETFs, bestückt sein. Die Gebühren liegen bei gemanagten Fonds bei eineinhalb bis zwei Prozent pro Jahr, bei

    Was halten Sie denn von Immobilien? Viele stecken ja die 300.000 Euro, die sie angespart haben, in ein Haus...

    Fetscher: Das wird kontrovers diskutiert. Die letzten Jahre hätte man nichts besseres machen können und in Ballungsräumen zehn Prozent pro Jahr und mehr verdient. Im Bundesdurchschnitt ist Wohnraum in den letzten 30 Jahren nur knapp über der Inflationsrate an Wert gestiegen. Erst die Nullzins-Politik der EZB hat den jüngsten Boom angefacht.

    Wann glauben Sie, dass die Zinsen wieder steigen?

    Fetscher: Die Antwort ist ganz klar: Nie! Zumindest, wenn wir über vier bis fünf Prozent reden. Wir werden sehr, sehr lange keine bis niedrige Zinsen haben. Ein Beispiel: Immobilienkäufer, die ihre Wohnung mit einem Kredit gekauft haben, könnten bei signifikanten Anstieg der Zinsen, ihre Rate nicht mehr bedienen und würden die Immobilie an die Bank verlieren. Den Staaten geht es ähnlich: Deutschland könnte höhere Zinsen vertragen, Griechenland, Frankreich und Italien nicht. Keiner in Politik und Zentralbank will dieses Risiko eingehen. Wir bekommen wahrscheinlich japanische Verhältnisse. Japan ist im 23. Jahr der Nullzinspolitik. Vielleicht gibt es in Europa irgendwann Zinsen von plusminus 0,5 Prozent. Aber vier oder fünf Prozent halte ich für absolut unwahrscheinlich.

    Haben Sie nicht auch schon einmal Geld in Aktien verloren?

    Fetscher: Ja sicher.

    Das ist doch die Sorge vieler Anleger...

    Fetscher: Das Problem ist, dass die meisten ohne Strategie arbeiten. Man versucht es – und macht seine Erfahrungen. Wichtig ist aber, zu investieren, nicht kurzfristig zu spekulieren. Ein Beispiel dazu: Was wurde aus einem Dollar in den letzten 217 Jahren?

    Was wurde daraus?

    Fetscher: Ganze vier Cent, da die Inflation voll zugeschlagen hat. Jede Papierwährung tendiert Richtung Null. Wer in Gold anlegte, hatte am Ende einen Gegenwert von vier Dollar, das entspricht einer Rendite von 0,6 Prozent pro Jahr. Am Geldmarkt – also mit Sparanlagen – wurden daraus über 200 Dollar, Anleihen brachten knapp 800 Dollar. Und in Aktien wurden daraus 1,5 Millionen Dollar – alles nach Inflation. Das entspricht der Rendite global agierenden Unternehmen von knapp sieben Prozent. Als Aktionär wird man Teilhaber der Weltwirtschaft und bleibt nicht nur Konsument. 

    Zur Person: Sandro Fetscher, 40, ist Investmentexperte in Augsburg. Er hat 17 Jahre Erfahrung im Bereich Finanzen und studierte Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Pforzheim. Von ihm stammt die Comic-Finanzgeschichte „Hilfe, wir sparen ins arm“, FBV, 16,99 Euro. Im September hält er Vorträge in Augsburg.

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