Herr Spencer, Sie kennen die Lösung zu einem Problem, das fast jeder Haushalt hat: Sie wissen, wie Basilikum aus dem Supermarkt länger überlebt. Bitte verraten Sie, wie das geht.
DAVID SPENCER: Gerne. Basilikumkraut, das wir im Supermarkt kaufen, hat das Problem, dass das viele Einzelpflanzen sind, die in einem viel zu kleinen Topf sitzen. Sie haben viel zu wenige Platz und sind miteinander in Konkurrenz um Licht, Nährstoffe und Wasser. Dem Basilikum tut es deswegen sehr gut, wenn man ihn vereinzelt und die einzelnen Pflanzen vorsichtig aus dem Wurzelballen herausbricht und in einzelne Töpfe setzt. Das belohnt er mit einem schöneren Wuchs.
In wie viele Töpfe sollte man den Supermarkt-Basilikum denn zerteilen?
SPENCER: Mindestens in vier Töpfe. Immer etwa zwei bis drei Einzelpflänzchen mit frischer Erde in einen eigenen Topf pflanzen.
Sie haben vor kurzem ein Buch veröffentlicht. Darin geht es nicht nur um die Basilikumpflanze, sondern auch um Bananen. Sie schreiben, dass die Banane vom Aussterben bedroht ist. Was ist da los?
SPENCER: Die Bananenpflanze wird von einem Pilz bedroht. Und der kann sich recht ungehindert ausbreiten. Das liegt im Wesentlichen an zwei Faktoren. Der erste ist die Art und Weise, wie wir Bananen anbauen. Die Anbauflächen beherbergen jedes Jahr nur Bananenpflanzen, sodass die Schädlinge immer einen gedeckten Tisch vorfinden. Die Bananenbäume sind also prädestiniert dafür, von solchen Pandemien im Pflanzenreich befallen zu werden.
Und zweitens?
SPENCER: Bananen haben keine Kerne. Um sie zu vermehren, wird einer der Seitenäste der Pflanze abgebrochen und neu eingepflanzt. Alle Bananen sind demzufolge Klone voneinander. Hätten sie Kerne und würden über Samen vermehrt, hätte jeder Samen eine andere DNA, so könnten sich nach und nach über Selektion Resistenzen herausbilden. Bei Klonen geht das nicht. Das heißt, die Bananenpflanzen sind genetisch nicht divers und die Anbautechnik ist auch nicht divers. Das macht die Banane besonders anfällig für Krankheiten. Dazu kommt, dass auf der Welt überhaupt nur eine Bananen-Sorte, nämlich die Cavendish-Banane, im großen Stil angebaut wird. Das alles führt dazu, dass momentan die Banane von einer Pilzkrankheit wirklich stark bedroht ist.
Stirbt die Banane wirklich aus? Das kann man sich kaum vorstellen, im Supermarkt liegen ja ganz viele Bananen.
SPENCER: Ich glaube nicht, dass sie wirklich ausstirbt. Es gibt nämlich spannende Ansätze, um die Banane zu schützen. Einer ist die Nutzung der neuen Genschere. Mit ihr lassen sich relativ schnell resistente Sorten züchten, ohne über Samen und Kreuzungen zu gehen. Das geht im Labor, indem ein Resistenzgen in die Bananen-DNA eingebracht wird. Oder das Genom wird so verändert, dass sich die Banane wieder selbst gegen den Pilz verteidigen kann. Eine Alternative wäre, mehr zu spritzen. Aber das ist etwas, was wir nicht wollen. Meine Prognose wäre also: Wenn wir es schaffen, diese Züchtungen zu akzeptieren, dann wird die Banane kein Problem haben. Wenn nicht, müssen wir andere Methoden voranbringen, um die Banane zu retten.
Was lässt sich aus dem Fall der Banane für die gesamte pflanzliche Lebensmittelproduktion lernen?
SPENCER: Dass Sortenvielfalt sehr wichtig ist, um Ernährungssicherheit zu erhalten. Das ist vielen Menschen nicht bewusst. Wir kennen zum Beispiel viele Sorten Äpfel: Jonagold, Elstar und Boskop. Aber auch bei anderen Pflanzen gibt es verschiedene Sorten. Bei Weizen gibt es zum Beispiel über 800 verschiedene, die kennt aber kaum jemand. Wir müssen diese Sortenvielfalt vorantreiben. Sodass wir im Zweifel eine anfällige Sorte oder eine, die mit dem Klimawandel nicht so gut zurecht kommt, ersetzen können durch eine andere, die wir schon parat stehen haben.
Wer im Supermarkt eine Packung Weizenmehl kauft, weiß gar nicht, welche Weizensorte dafür verwendet wurde. Was können denn Verbraucherinnen und Verbraucher tun, um die Sortenvielfalt zu unterstützen?
SPENCER: Darauf haben wir als Verbraucher nur begrenzt Einfluss. Das sind politische Weichenstellungen. Ein Beispiel dafür ist auch Palmöl. Viele versuchen schon jetzt, Produkte mit Palmöl zu vermeiden. Aber Palmöl ist die effizienteste Ölpflanze, die wir haben. Wenn wir alle Ölpalmen durch Sonnenblumen oder Raps ersetzen würden, bräuchten wir drei bis fünfmal so viel Fläche für denselben Ertrag. Das heißt, wir können bestimmte Dinge zwar mit unseren Kaufentscheidungen lenken oder eine Richtung vorgeben. Aber die Politik sitzt an einem viel größeren Hebel. Weil sie zum Beispiel den Anteil von Palmöl im Bio-Diesel verringern kann. Oder, wenn sie – im Falle der Sortenvielfalt –, Subventionen dafür gibt, wenn ein Landwirt oder eine Landwirtin verschiedene Weizensorten kultiviert und nicht nur eine.
Sie sagen Verbraucherin oder Verbraucher haben immerhin einen begrenzten Einfluss. Wie sieht der aus?
SPENCER: Im Supermarkt selbst ist es schwierig. Wir können höchstens darauf aufmerksam machen, indem wir im Rahmen unserer Möglichkeiten unsere eigene Zutatenliste ausbauen. Also nicht immer nur Weizen, Reis und Kartoffeln essen, sondern auch mal andere Zutaten kaufen. Kichererbsen oder Süßkartoffeln. Dadurch unterstützen wir die bunte Palette an Lebensmitteln, die es gibt. Sodass irgendwann viele Sorten und Arten von Nutzpflanzen wichtig werden in unserer Ernährung und hoffentlich oben ankommt, dass wir diese Pflanzen auch brauchen, um die Ernährungssicherheit weiter zu garantieren.
Welche Utopie steckt dahinter? Also was würde am Ende passieren, wenn wir nicht mehr vor allem Mais, Reis, Weizen und Kartoffeln äßen?
SPENCER: Ich bin gar nicht dafür, dass in Zukunft Mais, Weizen oder Reis von der Bildfläche verschwinden. Aber es ist nicht sinnvoll, dass wir 95 Prozent unserer Ernährung auf diesen drei Kulturen basieren. Wir Pflanzenforscher hoffen natürlich, dass es noch Pflanzen gibt, für die wir heute noch gar keine Namen haben. Wir wissen, dass man ein Gras so evolutionär gezüchtet hat, dass Weizen oder Mais daraus geworden sind. Beides waren mal Gräser, deren Wildformen wir nicht wiedererkennen würden. Da wir den Züchtungsprozess jetzt verstehen, können wir sehr kreativ sein und gucken: Was gibt es noch für Pflanzen und welche hat vielleicht Potenzial für die Zukunft der Ernährung.
In Ihrer Antwort und auch in dem Buch klingt durch, dass Sie auch Hoffnung in die Gentechnik setzen, die ja viele Menschen sehr kritisch sehen. Müssen wir den schlechten Ruf der Gentechnik überdenken?
SPENCER: Das sollte man unbedingt überdenken. Es ist so, dass die neuen Methoden wie die Genschere nichts anderes machen als klassische Kreuzungen und Züchtungen. Aber sie sind viel schneller und genauer. Das heißt, wir können gezielte Mutationen auslösen im Erbgut von Pflanzen. Und Mutationen gab es schon immer. Unser komplettes Obst- und Gemüsesortiment ist von Menschen so geformt, wie es jetzt ist. Ich finde, wir sollten diese Chance nutzen. Gentechnik ist eine von vielen coolen Ideen, die es gibt. Und wir sind in einem Jahrzehnt, in dem es wirklich darauf ankommt, die Klimakrise so gut es geht zu bekämpfen, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und die Treibhausgasemissionen durch die Landwirtschaft so tief es geht zu drücken. Und da brauchen wir neue Züchtungsideen und Methoden, um schnell diese Ziele zu erreichen.
Sie haben vorhin gesagt, eine begrenzte Möglichkeit, beim Einkaufen Einfluss auf die Artenvielfalt zu nehmen, ist, den eigenen Speiseplan zu erweitern. Was würden Sie empfehlen, das jeder probieren kann?
SPENCER: Die Physalis zum Beispiel. Die schmeckt genauso exotisch wie eine Mango und hat sehr viele Vitamine. Aber: Sie kommt auch mit den Bedingungen in unseren Breitengraden zurecht. Ein anderes Beispiel: Es gibt tolle Forschungsprojekte zu Salzpflanzen oder Tieren, die im Salzwasser leben. Zum Beispiel zum Meeresspargel, auch Queller genannt. Den könnte man in Aquaponik – also in einer Mischkultur zusammen mit Quallen anbauen. Und Quallen kann man auch essen. Das klingt beides erst einmal befremdlich, aber es ist beides total lecker. Und es hat den Vorteil, dass man weder Trinkwasser für die Aufzucht braucht, noch Fläche auf einem Acker.
Wenn ich aus dem Fenster schaue, dann sehe ich vor allem Raps und Weizenfelder – also klassische Pflanzen, die auf dem Acker wachsen. Wie weit sind wir auf dem Weg zur innovativen Landwirtschaft?
SPENCER: Wie Sie sehen, sind wir noch nicht so weit (lacht). Aber was Sie auch sehen, wenn Sie aus dem Fenster gucken, ist hoffentlich ein Blühstreifen. Das gab es vor zehn Jahr noch nicht. Dieses Bewusstsein, dass es eine Biodiversität auf dem Acker gibt und man die auch erhalten muss, ist jetzt da. Einfach aus dem egoistischen Grund heraus, dass man die Bestäuberinnen braucht. Ich glaube, was die Form der Landwirtschaft angeht, tut sich gerade einiges. Die Ampelkoalition hat sich zum Beispiel vorgenommen, die Landwirtschaft nachhaltiger und intensiver zu machen. Also auf der bestehenden Fläche noch mehr zu produzieren, aber gleichzeitig sollen weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Diese Rechnung geht ja nur auf, wenn man andere Technologien oder Methoden voranbringt.
Was kann denn jeder Mensch, der einen Garten oder Balkon hat, dazu beitragen, die Biodiversität zu erhöhen?
SPENCER: Der Balkon und auch der Garten in der Stadt sind kleine Oasen für die Natur. Kleine Raststätten für einen Schmetterling oder Wollschweber, der gerade vom Stadtpark in die Außenbezirke der Stadt unterwegs ist. Der freut sich, wenn er an einem Balkon mit vielen Blühpflanzen vorbeikommt. Jetzt gerade, in dieser Zeit, haben die Insekten manchmal gar nicht so viel zu fressen. Wenn der Raps verblüht ist, dann gibt es von einem Tag auf den anderen für die Insekten dort gar nichts mehr zu fressen. Wir müssen in der Stadt Oasen schaffen für die Biodiversität. Das tun wir, indem wir unsere Gärten nicht mit Kies oder mit dem Rasenmäher platt und möglichst gerade machen, sondern immer auch ein bisschen Wildwuchs zulassen.
Zur Person
David Spencer ist Pflanzenforscher. Er promoviert gerade an der RHTW Aachen und hat jüngst das Buch "Alles bio - logisch?! Die Superkräfte der Pflanzen nutzen,klimafreundliches Gemüse essen und die Welt retten." geschrieben.