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Dry January: Was passiert im Körper bei einem Monat Alkoholverzicht?

Interview

Was im Körper passiert, wenn man einen Monat auf Alkohol verzichtet

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    Alkoholkonsum hat Auswirkungen auf den Körper.
    Alkoholkonsum hat Auswirkungen auf den Körper. Foto: Finn Winkler, dpa (Symbolbild)

    Herr Polak, im "Dry January" verzichten Menschen einen Monat lang komplett auf Alkohol. Ist das ein guter Trend?

    Dr. Thomas Polak: Ich kenne es, dass viele Menschen zwischen Fasching und Ostern auf bestimmte Sachen verzichten, häufig auch auf Alkohol. Den Trend, im Januar auf Alkohol zu verzichten, kannte ich bisher noch nicht. Ich finde die Aktion aber sehr gut.

    Welche gesundheitlichen Folgen kann Alkoholkonsum für den Körper haben?

    Polak: Es gibt über 200 Folgeschäden des Alkoholkonsums – psychologisch, biologisch und sozial. Zum Beispiel entwickeln sich Magengeschwüre, Bauchspeicheldrüsenentzündungen und Tumore im Mund-Magen-Darmtrakt. Viele Menschen, die mit einer Alkoholabhängigkeit zu uns kommen, haben sehr hohe Leberwerte und entwickeln eine Leberzirrhose bis hin zum Leberversagen, was dann tödlich ist. Auch die Nerven und das Gehirn werden geschädigt. Auf Röntgenaufnahmen des Gehirns sieht man, dass bei Menschen, die über eine längere Zeit viel Alkohol getrunken haben, das Gehirn geschrumpft ist, es kann sich eine Alkohol-Demenz entwickeln, sodass die Betroffenen pflegebedürftig werden.

    Nicht alle Menschen trinken regelmäßig große Mengen an Alkohol. Ist es auch für den durchschnittlichen "Genusstrinker" sinnvoll, einen Monat lang ganz zu verzichten?

    Polak: Absolut, es geht in erster Linie darum, der Abhängigkeit vorzubeugen. Alkohol ist ein natürliches Produkt, das beispielsweise in vergorenen Früchten zu finden ist. In der Natur gibt es keine Abhängigkeit, irgendwann sind die vergorenen Früchte alle. Wir Menschen sind die Einzigen, die das gesamte Jahr über Alkohol zur Verfügung haben, nur so kann Sucht überhaupt entstehen. Unter diesem Aspekt bringt es sehr wohl etwas, einen Monat komplett darauf zu verzichten, damit es eben nicht zu einer Abhängigkeit kommt.

    Viele trinken ab und an Bier oder Wein. Ist ein bisschen Alkohol okay?

    Polak: Es ist ratsam, komplett auf Alkohol zu verzichten. Es gibt den schädlichen Konsum. Da liegen die aktuellen Zahlen bei zwölf Gramm reinem Alkohol für Frauen und bei 20 Gramm für Männer. Diese Menge gilt noch als nicht gefährlich, ist aber schnell erreicht. In 0,5 Liter Bier oder 0,25 Liter Wein sind circa 20 Gramm Alkohol. Allerdings, diese Grenzwerte gelten nicht für Menschen, die eine Abhängigkeit entwickelt haben: Sie sollten komplett auf Alkohol verzichten. Viele Menschen fangen irgendwann mal an, Alkohol zu trinken, einige trinken irgendwann immer mehr. Das hat ganz sicher nichts mit der Willensstärke zu tun. Zu 40 bis 60 Prozent ist das genetische Veranlagung. Wer diese Veranlagung hat, ist auch schon bei geringen Mengen an Alkohol gefährdet. Wer zu welcher Gruppe gehört, lässt sich allerdings nicht im Vorfeld feststellen.

    Suchtmediziner Dr. Thomas Polak erklärt, welche positiven Auswirkungen ein zeitweiser Alkoholverzicht hat.
    Suchtmediziner Dr. Thomas Polak erklärt, welche positiven Auswirkungen ein zeitweiser Alkoholverzicht hat. Foto: Mario Weber

    Was passiert im Körper, wenn man einen Monat komplett auf Alkohol verzichtet?

    Polak: Was wir sagen können, ist, dass der ganze Körper und der Geist sich regenerieren. Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass Alkohol im menschlichen Körper beinahe jedes Gewebe von Kopf bis Fuß angreift. Beim Zigarettenrauchen gibt es sehr gute Untersuchungen, die sagen: 20 Minuten nach der letzten Zigarette sinkt der Blutdruck, nach acht Stunden ist kein Kohlenmonoxid mehr im Blut, nach 24 Stunden beginnt das Herzinfarktrisiko zu sinken. Solche detaillierten Untersuchungen zum Alkohol sind mir nicht bekannt. Dennoch setzen Erholungsprozesse im Körper ein, die sehr deutlich sind.

    Fünf Tipps, wie der Alkoholverzicht leichter fällt

    Das Blaue Kreuz steht Betroffenen und Angehörigen in Suchtfragen zur Seite. Ziel des christlichen Verbandes ist es, Menschen in ein suchtfreies Leben zu begleiten – durch Selbsthilfegruppen, Beratungen, Prävention und betreutes Wohnen für Abhängigkeitskranke. Karina Bauer, Suchttherapeutin beim Blauen Kreuz Würzburg, gibt folgende Tipps für alle, die auf Alkohol verzichten wollen:

    1. Sich an die Vorsätze erinnern: Durch sichtbar angebrachte Zettel in der Wohnung vergisst man die guten Vorsätze nicht so leicht. Es hilft auch, die Vorteile von Alkoholverzicht zu notieren oder selbst gesteckte Ziele zu formulieren.

    2. Sich belohnen: Belohnungen sind wichtig und helfen, Ziele mittel- und langfristig durchzuhalten. Das können besondere Säfte sein, die man sich sonst nicht kauft, oder alkoholfreie Cocktails. Es hilft auch, sich das gesparte Geld beiseite zu legen, um sich anschließend etwas zu gönnen.

    3. Alte Rituale abwandeln: Statt des Glases Wein oder Bier am Abend, nach einem stressigen Tag, tut es auch ein Glas Tee oder heißer Kakao. Oft kommt die Entspannung durch das Ritual selbst und nur zu geringen Teilen durch den Alkohol.

    4. Freunde in die Pläne einweihen: In geselligen Runden auf Alkohol zu verzichten, fällt oft schwer. Es kann helfen, Freunde vorher in die Pläne einzuweihen und sich bereits im Vorfeld zu überlegen, wie man auf Nachfragen von Freunden und Bekannten reagiert. Wichtig ist, sich klare Grenzen zu setzen: "Ich trinke heute Abend nicht, ich möchte mich dafür aber nicht rechtfertigen."

    5. Emotionen teilen: Statt nach einer Trennung oder einem Streit zum Alkohol zu greifen, sollte man mit Freunden oder Familie über seine Gefühle sprechen. Das hilft bei der Selbstreflexion, der persönlichen Weiterentwicklung und man erhält im besten Fall Ratschläge und Tipps.

    Alkohol ist eine Droge und trotzdem gesellschaftlich akzeptiert und weit verbreitet. Tut ein Umdenken not?

    Polak: Alkoholkonsum lässt sich durch die gesamte menschliche Geschichte nachverfolgen. Es hat auch sehr lang gedauert, bis die Alkoholsucht als Krankheit anerkannt wurde. Erst 1967 haben die Krankenkassen begonnen, die Behandlungskosten für Folgeschäden von Alkoholkonsum zu übernehmen. Ein gesellschaftliches Umdenken wäre angebracht, ist aber auch schon im Gange. Ich beobachte eine Entwicklung, die sich vom Alkohol wegbewegt. Das ist positiv.

    Zur Person: Dr. Thomas Polak, stellvertretender Vorsitzender des Interdisziplinären Zentrums für Suchtforschung an der Uni Würzburg.

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