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Impfungen: Diphtherie, Masern, Polio - Gefährliche Impflücken entstehen

Impfungen

Diphtherie, Masern, Polio - Gefährliche Impflücken entstehen

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    Die Stiko empfiehlt für die Masernimpfung jeweils eine Dosis im Alter von 11 und von 15 Monaten (Symbolbild).
    Die Stiko empfiehlt für die Masernimpfung jeweils eine Dosis im Alter von 11 und von 15 Monaten (Symbolbild). Foto: Friso Gentsch/dpa

    Schutzimpfungen haben viele Erkrankungen wie Masern, Diphtherie und Polio massiv zurückgedrängt. Millionen Menschen in Deutschland blieben von schwerer Erkrankung oder gar Tod verschont. Doch aktuelle Impfquoten etwa für Diphtherie und Polio zeigen: Die Bereitschaft, sich oder die eigenen Kinder impfen zu lassen, schwindet zum Teil.

    Gegen Polio sind nur 21 Prozent der Einjährigen in Deutschland vollständig geimpft, wie das RKI berichtete. Und das, obwohl die Grundimmunisierung bis zu einem Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte. Versäumte Impfungen werden zwar oft nachgeholt, trotzdem haben den Fachleuten zufolge nur 77 Prozent der Kinder in einem Alter von zwei Jahren einen vollständigen Impfschutz.

    Bei Diphtherie lag die Quote vollständiger Immunisierung bei Kindern im Alter von 15 Monaten (Geburtsjahr 2021) zuletzt nur bei 64 Prozent. Eine vollständige Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln erhielten rund 77 Prozent der Zweijährigen des gleichen Geburtsjahres. Bis zum Schulalter werde die zweite Impfung zwar oft nachgeholt. Das entspreche aber nicht der Empfehlung, laut der bis zum Alter von 15 Monaten zweimal geimpft werden sollte.

    Vergessenes Leid

    «Ein grundsätzliches Dilemma von Impfungen ist, dass sie Krankheiten verhindern, die dadurch viele heute nicht mehr kennen», sagte Reinhard Berner, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), der Deutschen Presse-Agentur. Ein Beispiel sei Diphtherie, einst «Würgeengel der Kinder» genannt. 1892 seien daran in Deutschland noch mehr als 50.000 meist junge Menschen gestorben.

    Dank der 1913 eingeführten Impfung, die heute zu den Standardimpfungen bei Säuglingen gehört, ging die Zahl massiv zurück. Dieses Jahr wurden dem RKI bislang 47 Erkrankungen (Stand 12. Dezember) gemeldet. Wie Berner erklärt, führte das weitgehende Verschwinden allerdings auch dazu, dass viele Menschen gar nicht mehr wissen, wie schmerzhaft und gefährlich diese und andere Krankheiten sind.

    Zu den möglichen Komplikationen der Bakterieninfektion Diphtherie zum Beispiel gehören Nervenlähmungen sowie potenziell tödliche Lungen- oder Herzmuskelentzündungen. Polioviren können schwere, bleibende Lähmungen der Gliedmaßen oder eine tödliche Atemlähmung verursachen. Masernviren können zu Lungen- und Hirnentzündungen führen. Gefürchtete Spätfolge ist die Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine fast immer tödlich verlaufende Entzündung des Gehirns.

    Schwer erreichbare Gruppen

    Ein weiteres Problem sei, dass bestimmte Zielgruppen nicht erreicht würden, sagte Berner. Dazu zählten etwa Menschen aus bildungsfernen Haushalten oder ohne Deutschkenntnisse. Schwer zu erreichen sind nach Angaben des Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, außerdem Menschen, die keine feste hausärztliche Anbindung haben.

    Die Standardimpfungen für Babys würden im Mittel gut wahrgenommen, häufig aber zu spät, erklärte Berner, der selbst Kinderarzt ist. Das sei problematisch, da manche Erkrankungen - zum Beispiel eine Hirnhaut- oder Kehldeckelentzündung, die durch bakterielle Infektionen ausgelöst werden - gerade im ersten Lebensjahr besonders bedrohlich seien. «Wenn wir die besonders Gefährdeten effektiv schützen wollen, müssen wir ganz früh impfen.»

    Rückschritt durch die Pandemie

    Und dann war da noch die Corona-Pandemie, die bei einigen Menschen eine generelle Skepsis gegenüber Impfungen hat heranwachsen lassen, wie Berner sagte. «Die Pandemie hat uns, was den Impfgedanken grundsätzlich angeht, wieder weit zurückgeworfen.»

    Es sei Ärzten, Wissenschaftlern und auch der Stiko nicht ausreichend gelungen, zu vermitteln, dass die Corona-Impfung sehr wohl vor einem schweren Verlauf, aber nicht generell vor einer Infektion schützt. Viele Menschen hätten sich gefragt, warum sie Corona bekommen, obwohl sie zweifach geimpft und geboostert sind - und die Wirksamkeit der Impfung angezweifelt.

    RKI-Angaben zufolge erhielten in der Saison 2023/2024 nur 16 Prozent der Menschen ab 60 Jahren die Covid-19-Impfung. Bei der Grippe waren es 38 Prozent.

    Corona ist nicht weg

    Covid sei immer noch keine normale Erkrankung, warnte der Berliner Virologe Christian Drosten kürzlich. «Viele Patienten fühlen sich sehr krank, wenn sie infiziert sind.» Leider gebe es im Internet viele Desinformationen über die Impfung. «In der Öffentlichkeit kursiert inzwischen mancherorts die Vorstellung, die Impfung sei geradezu gefährlich, oder ähnlich gefährlich wie das Virus. Das ist eine krasse Fehlinformation», so Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité Berlin.

    Die Impfung verursache natürlich Nebenwirkungen, aber diese seien in der überwältigenden Mehrheit der Fälle gut auszuhalten und vorübergehend. «Wäre die Impfung so gefährlich wie die Infektion, dann wäre sie nicht zugelassen und empfohlen», betonte Drosten.

    Hohe Krankheitslast

    Nach RKI-Daten lag die geschätzte Zahl der Corona-Erkrankungen in der Woche vom 2. Dezember bei rund 400 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Rund 8.600 von 100.000 litten an einer akuten Atemwegserkrankung. Die Zahl der Erkrankungen liegt dem Institut zufolge damit auf einem vergleichsweise hohen Niveau. In den zehn Jahren vor der Pandemie waren es im gleichen Zeitraum nie mehr als rund 7.500 Atemwegserkrankungen pro 100.000 Einwohner. Nur in der Saison 2011/2012 waren es mehr (rund 9.100). Im Jahr 2019, vor der Pandemie, waren es Anfang Dezember zum Beispiel 6.600.

    «Durch die parallele Zirkulation von Influenzaviren, RSV und Sars-CoV-2 hat sich die Krankheitslast deutlich erhöht, was die große Bedeutung des saisonalen Vergleichs und der kontinuierlichen Überwachung unterstreicht», erläuterte das RKI Ende Oktober. Bei zahlreichen Krankheiten gibt es weiterhin Nachholeffekte.

    «Es braucht ein Bewusstsein, dass Atemwegserreger langfristig zu Komplikationen führen können», sagte der Leiter der Infektiologie der Berliner Charité, Leif Erik Sander. «Wir wissen mittlerweile, dass Impfungen vor allen Dingen auch die Folgekomplikationen am Herz-Kreislaufsystem - also Herzinfarkte, Schlaganfälle, Thrombosen - deutlich reduzieren können.»

    Kleiner Unterschied - große Wirkung

    Für viele Infektionskrankheiten gilt zudem: Sobald die Durchimpfungsrate unter einen bestimmten Wert sinkt, nehmen die Erkrankungszahlen wieder stark zu. Wie schnell das gehen kann, konnte man in diesem Jahr zum Beispiel an den Masern sehen. Deutlich mehr Menschen als in den vergangenen Jahren erkrankten. Dem RKI wurden bislang 636 (Stand: 12. Dezember) Infektionen gemeldet (2023: 79; 2022: 15). «Wenn die Impfquote nur ein kleines bisschen nachlässt, da reichen ein paar Prozent, gibt es umgehend mehr Fälle», erklärte Sander.

    «Ganz viel ist gelungen», sagte Berner. «Aber ganz vieles ist halt nur fast verschwunden und kann damit auch ganz schnell wieder vor der Tür stehen.»

    Die Zahl der Atemwegserkrankungen ist mittlerweile höher als in den Jahren vor der Pandemie (Symbolbild).
    Die Zahl der Atemwegserkrankungen ist mittlerweile höher als in den Jahren vor der Pandemie (Symbolbild). Foto: Philip Dulian/dpa
    Standardimpfungen für Babys werden dem Experten zufolge oft zu spät wahrgenommen.
    Standardimpfungen für Babys werden dem Experten zufolge oft zu spät wahrgenommen. Foto: Sebastian Kahnert/dpa
    Zu den Standardimpfungen bei Säuglingen gehören unter anderem der Schutz vor Masern, Keuchhusten und Diphtherie (Symbolbild).
    Zu den Standardimpfungen bei Säuglingen gehören unter anderem der Schutz vor Masern, Keuchhusten und Diphtherie (Symbolbild). Foto: Fabian Sommer/dpa
    Viele Krankheiten seien nur fast verschwunden und könnten ganz schnell wieder vor der Tür stehen, sagt Reinhard Berner.
    Viele Krankheiten seien nur fast verschwunden und könnten ganz schnell wieder vor der Tür stehen, sagt Reinhard Berner. Foto: Sebastian Kahnert/dpa
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