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Honig: Herr über 40 Völker: So arbeitet ein Bio-Imker in der Region

Honig

Herr über 40 Völker: So arbeitet ein Bio-Imker in der Region

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    Auf diesem Bild ist die Bienenkönigin mit einem Farbklecks markiert. Markus Gail besitzt 40 Bienenköniginnen. Die dazugehörigen Völker umfassen jeweils bis zu 50.000 Bienen.
    Auf diesem Bild ist die Bienenkönigin mit einem Farbklecks markiert. Markus Gail besitzt 40 Bienenköniginnen. Die dazugehörigen Völker umfassen jeweils bis zu 50.000 Bienen. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Seine Freizeit kann man als junger Mensch so oder so verbringen: Entweder man putzt sein Moped, geht ins Training, macht Party – oder kümmert sich um seine Königinnen (was ganz schön zeitintensiv sein kann, aber dazu später mehr). Etwa vierzig Stück hat Markus Gail aus Sulzbach im Landkreis Aichach-Friedberg momentan, plus die dazugehörigen Völker mit jeweils bis zu 50.000 Wald- und Wiesen-Bienen.

    Wenn sein Plan aufgeht, werden es im nächsten Frühjahr fast doppelt so viele Völker sein. Dazu zieht der 25-jährige Student zur Zeit auf einer Blumenwiese in einem Nachbarort Ableger. Wie das funktioniert, sehen wir beim Ortstermin: Inmitten von Apfelbäumen und hüfthohen Blumen und Gräsern tragen junge Bienen fleißig Nektar und Pollen in große Kisten, bauen Waben und füttern die Brut, die aus den Eiern selbst gezogener Königinnen stammt.

    Schlechte Versorgung für Bienen: Imker kritisiert Monokulturen am Land

    Vorsichtig öffnet Markus Gail mit dem orangefarbenen Stockmeißel den Deckel so einer Kiste und lässt uns hineinschauen, nicht ohne vorher mit dem Smoker, einer Art Räucherkanne, beruhigenden Tannennadelrauch über dem Stock verteilt zu haben. Das wirkt – wie wohl auch Markus Gails ruhige gelassene Art im Umgang mit den Tieren. Die Bienen sind friedlich und lassen sich durch unsere Anwesenheit nicht bei der Arbeit stören. „Natürlich sticht auch mich hin und wieder eine, aber das tut selten weh. Vielleicht ist es Veranlagung, vielleicht hat sich mein Körper im Laufe der Zeit auch an das Bienengift gewöhnt“, überlegt er. Zufrieden stellt der Imker fest, dass sich die jungen Völker prima entwickeln, die Bienen gut gewachsen sind und gesund aussehen. Voraussetzung, um den Winter gut zu überstehen.

    Für den Imker hat aktuell das neue Bienenjahr begonnen. Die Bienen müssen winterfest gemacht und gegen die gefürchtete Varroa-Milbe behandelt werden. Die diesjährige Ernte ist eingebracht (die große Honigschleuder ist bei der Oma in der Garage geparkt), der Keller seines Elternhauses ist voller Honiggläser, etwa 30 Kilo pro Volk. Vier Sorten bringt Markus Gail über Bio-Läden wie Basic und seinen selbst aufgesetzten Internetshop an den Mann: weiße cremige Frühlingsblüte, würzigen Waldhonig, eine Sommerblüte sowie ganz neu eine spezielle aromatische Sommerblüte vom Augsburger Stadtwald. Dort hat er dieses Jahr zum ersten Mal acht Kästen postiert und festgestellt: „In der Stadt finden Bienen mehr Tracht als bei uns draußen am Land.“ In der Stadt konnten sie sich sowohl im Wald wie an vielen unterschiedlichen Blühpflanzen laben, während die Monokulturen in der Landwirtschaft zu Tracht-Lücken und einer schlechteren Versorgungslage für Bienen führen können, so Gail.

    Die Honigbiene

    Zu einem Bienenstock gehören 30.000 bis 60.000 Bienen, in einigen Fällen sogar bis zu 80.000 Tiere. Den Großteil des Bienenvolkes bilden die so genannten "Arbeiterinnen".

    Männliche Bienen, die Drohnen genannt werden, haben im Leben nur eine Aufgabe: Fortpflanzung. In einem Stock leben zwischen 500 und 2.000 von ihnen. Haben sie ihren Zweck erfüllt und die Königin befruchtet, werden sie im Herbst in der "Drohnenschlacht" aus dem Stock geworfen. Da sie keinen Giftstachel haben, sind sie macht- und harmlos.

    Jeder Bienenstock hat eine Königin. Sie legt nicht nur als einzige die Eier. Nach ihrem Hochzeitsflug mit den Drohnen trägt sie auch noch für drei bis vier Jahre den Spermienvorrat in sich, mit dem die Eier befruchtet werden können.

    Auch die Bienenkönigin hat nicht viele Aufgaben: Sie muss nur für den Nachwuchs sorgen. Etwa 2.000 Eier legt eine Königin täglich, bis zu 120.000 im Jahr. Unterstützt wird die Mutter aller Bienen dabei von Arbeiterinnen, die die Kleinen füttern, putzen und umsorgen.

    Eine Arbeitsbiene fliegt pro Tag etwa 4000 Blüten an. Mit ihrem Saugrüssel saugt sie süßen Nektar aus den Blütenkelchen und lagert ihn in ihrem Magen ein. Beim Blütenbesuch bleibt Pollen an ihren Hinterbeinen kleben, den sie so weitertransportiert. Dadurch kommen Pollen, das männliche Produkt der Staubgefäße, mit der Narbe des Stempels, dem weiblichen Teil der Blüte, in Kontakt.

    Rund 80 Prozent aller Blütenpflanzen sind auf die Insektenbestäubung angewiesen. Im Obstanbau übernehmen die Bienen sogar rund 90 Prozent der Bestäubung. Der Nutzwert der Tiere liegt in Deutschland bei etwa vier Milliarden Euro. Damit ist die Biene nach Rindern und Schweinen das drittwichtigste Nutztier.

    Für ein halbes Glas Honig müssen Bienen rund 40.000 Mal ausfliegen und dabei vier Millionen Blüten besuchen. Durchschnittlich sind die Blüten einen Kilometer vom Bienenstock entfernt. Das bedeutet: Die Bienen müssen 40.000 Kilometer zurücklegen - quasi einmal rund um die Erde für ein halbes Glas Honig.

    Bienen schützen sogar afrikanische Plantagen und Dörfer vor trampelnden Elefanten. Die britische Biologin Lucy King entwarf eine Umzäunung mit Bienenkörben, deren Bewohner ausschwärmen, sobald ein Elefant den Draht berührt. Und tatsächlich: Die Elefanten nehmen vor den kleinen Insekten Reißaus.

    Bienen sind unglaublich nützlich, allerdings auch stark bedroht. Die Gründe für das schon Jahre andauernde Bienensterben sind vielfältig: Monokulturen beim Mais- und Rapsanbau, Schädlingsbefall und Pestizide sind vermutlich für das Massensterben der Bienen verantwortlich.

    Wer Bienen helfen will, sollte ihnen einen Blütenvielfalt im Garten oder auf dem Balkon bieten. Es gibt sogar spezielle Blumenwiesen-Saatmischungen, die auf die Bedürfnisse von Bienen abgestimmt sind. Sie liefern hochwertigen, eiweißreichen Pollen und ein gutes Nektarangebot.

    Selbst auf einem Balkon können Sie Bienen etwas Gutes tun. Verabschieden Sie sich von den meisten Blumen, die eine gefüllte Blüte haben, wie Geranien und Pelargonien. Pflanzen Sie Kräuter wie Schnittlauch, Basilikum und Thymian.

    Verzichten Sie in Ihrem Garten auf bienenschädliche Pflanzenschutz-, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel! Sogenannte Pestizide, Herbizide und Biozide stehen im Verdacht, das massenhafte Bienensterben zu verursachen.

    Seine Grundausstattung kostete den Bio-Imker etwa tausend Euro

    Seit vier Jahren besitzt der Aichacher eigene Völker. Auslöser war ein WWOOFing, also ein internationales Praktikum auf einer Bio-Farm im schwedischen Småland, auf der auch Bienen gehalten werden. „Ihr Honig war einfach super“, schwärmt er. Und dass ein Bienenvolk im Grunde ein Organismus ist und das Wachs so etwas wie sein Herz. Dieses Wunderwerk der Natur ließ den Informatiker nicht mehr los. Seit dieser Zeit hat er sich selbst viel Wissen über den Umgang mit Bienen beigebracht, über Bücher und das Internet sowie bei einem von der EU bezuschussten Lehrgang für Einsteiger am Lehr-Imkerstand in Friedberg. Dort lernte er auch seinen Imkerpaten aus dem Nachbarort Obergriesbach kennen, den er jederzeit um Rat fragen kann.

    Imker Markus Gail besucht seinen Bienen-Nachwuchs auf der Blumenwiese natürlich regelmäßig.
    Imker Markus Gail besucht seinen Bienen-Nachwuchs auf der Blumenwiese natürlich regelmäßig. Foto: Andrea Schmidt-Fort

    Für die Grundausstattung legte Markus Gail etwa tausend Euro hin. Inzwischen schreibt sein Business schwarze Zahlen, weil er so viel wie möglich selbst baut. Alles in allem ein recht zeitintensives Hobby. Vor allem in den Sommermonaten Mai und Juni muss er besonders oft nach den Völkern sehen, weil dann manche Königinnen gern ausschwärmen, um sich an anderer Stelle niederzulassen. Außerdem hat der Jungimker beschlossen, umzusatteln und sich doch noch einen alten Traum zu erfüllen: Seit einem Jahr studiert er wieder, und zwar diesmal Landwirtschaft mit dem Ziel, die Imkerei „organisch immer weiter wachsen zu lassen“. Bislang ist ihm das gelungen, selbst wenn er im Frühjahr beklaut wurde: „Mitten im Corona-Lockdown waren eines Tages plötzlich drei Kästen fort. Das muss jemand gemacht haben, der sich auskannte“, sagt er.

    Was Bio-Imker von konventionellen Imkern unterscheidet

    Der Unterschied bei den Imkern liegt bei den Haltungsbedingungen, die in der EU-Öko-Verordnung und der dazugehörigen Durchführungsverordnung geregelt sind.

    Bio-Imker achten darauf, dass ihre Bienen im Umkreis von drei Kilometern möglichst Wald und biologisch bewirtschaftete Felder vorfinden. So dürfen die Kästen nur aus Naturmaterial wie etwa Holz, Stroh oder Lehm bestehen.

    Das Wachs für Mittelwände muss „bio“ sein und darf nur einmal eingeschmolzen und für Mittelwände wiederverwendet werden, weil sich im Wachs Chemikalien wie Pestizide absetzen, die die Bienen mit dem Nektar eintragen.

    Außerdem werden die Königinnen nicht künstlich besamt oder durch das Beschneiden ihrer Flügel am Schwärmen gehindert.

    Ab Juli lassen Bio-Imker den Bienen den Nektar und die Pollen, die sie sammeln. Damit sollen sie, nur durch Bio-Zucker ergänzt, durch den Winter kommen.

    Gegen die Varroamilbe setzen Bio-Imker ausschließlich auch in der Natur vorkommende Substanzen wie etwa Oxalsäure (z. B. aus Rhabarber) ein.

    Bio-Imker werden außerdem regelmäßig und deutlich häufiger als konventionelle Erzeuger kontrolliert. (AZ)

    Imker Gail will Wildbienen mit seinen Kästen keine Konkurrenz machen

    Zu seinem Verständnis gehört auch, nie mehr als acht Bienenkästen an einem Ort aufzustellen, „weil sonst meine Bienen den Wildbienen Konkurrenz machen und ihrem Bestand schaden könnten. Wildbienen sind genauso wichtig für die Natur, aber sie haben keine Lobby.“ Friedliche Koexistenz nennt man das.

    Etwa 140.000 Imker mit 870.000 Völkern gibt es in Deutschland. Weniger als ein Prozent der konventionellen Imker betreibt die Imkerei gewerbsmäßig und lebt davon, während 18 Prozent der Bio-Imker der Imkerei hauptberuflich nachgehen. Markus Gail lässt sich jedes Jahr von Bioland zertifizieren. Etwa 500 Imker haben dieses Bio-Zertifikat inne – 200 mehr als noch im Jahr 2013. Daneben gibt es noch andere Bio-Zertifikate mit eigenen Regeln wie etwa das von Demeter.

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