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Gesundheit: Bitte tief durchatmen – warum sich Atemübungen lohnen können

Gesundheit

Bitte tief durchatmen – warum sich Atemübungen lohnen können

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    Atemtherapeutische Techniken haben sich beispielsweise im psychosomatischen Bereich bewährt. Sie können etwa bei Angststörungen gut wirksam sein. Foto: Christin Klose, dpa
    Atemtherapeutische Techniken haben sich beispielsweise im psychosomatischen Bereich bewährt. Sie können etwa bei Angststörungen gut wirksam sein. Foto: Christin Klose, dpa Foto: dpa-tmn / Christin Klose / Christin Klose

    Zuerst waren es nur leichte Symptome, doch schnell kamen Atemnot und Lungenschmerzen hinzu. Und schließlich war da „das Gefühl, wie bei vollem Bewusstsein zu ertrinken“ – so beschrieb die Politikerin Karoline Preisler eindrücklich ihre schwere Corona-Infektion in der frühen Phase der Pandemie. Viele andere Menschen machten ähnliche Erfahrungen, da Atem- und Lungenbeschwerden zu den häufigsten Symptomen von Covid-19 gehören. Auch Gesunde, die unter ihren Schutzmasken ins Keuchen kamen, nahmen auf einmal ihr Atmen wahr.

    „Im Zug der Pandemie ist das Interesse an Atmung und Beatmung enorm gewachsen“, sagt Rainer Stange, Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZAEN). Solange keine Störungen entstehen, haben Menschen auch wenig Grund über die Atmung nachzudenken – schließlich funktioniert sie automatisch. Dabei ist ein Leben ohne Atem nicht denkbar: Er begleitet den Menschen vom ersten Schrei bis zu letzten Seufzer und hat daher mehr Aufmerksamkeit verdient.

    Ein durchschnittlicher Erwachsener atmet 10.000 Liter Luft pro Tag

    Im Schnitt macht ein Erwachsener rund 20.000 Atemzüge täglich und atmet dabei mehr als 10.000 Liter Luft ein, um den Körper mit lebensnotwendigem Sauerstoff zu versorgen. Gesteuert wird die Atmung vom Atemzentrum im Gehirn. Es erhält Signale über den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt des Blutes und passt daran die Atemfrequenz an. Beim Einatmen spannen das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln sich an und dehnen den Brustkorb bauchwärts nach unten, sodass die Lungenflügel sich weiten und mit Luft befüllen können. Im Ausatmen lösen diese Muskeln die Spannung, sodass Zwerchfell und Brustkorb wieder in die Ausgangslage zurückschwingen und die Luft wieder aus der Lunge herausgedrückt wird.

    Oft wird behauptet, viele Menschen würden heute „falsch“ atmen. Experten sind bei solchen Bewertungen jedoch vorsichtig. „Man atmet so, wie die Bedingungen im Organismus gerade gegeben sind“, sagt etwa Annechien Ihnen vom Berufsverband für Atempädagogik, Atemtherapie sowie Atempsychotherapie, ATEM. „Ist zum Beispiel das Zwerchfell verspannt, kann nicht tief in den Bauch geatmet werden.“ Verspannungen dieser Art kommen ihrer Beobachtung nach häufig vor – oft deshalb, weil Durchschnittsbürger heute viel Zeit sitzend verbringen. Wer stundenlang zusammengesunken auf dem Stuhl verharrt, vielleicht noch übergewichtig ist und enge Kleidung trägt, kann nicht tief atmen. Auf Dauer hat dies zur Folge, dass der Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt und durchblutet wird, daher „auf Sparflamme“ läuft: „Uns geht dann Vitalität verloren.“ Als erste Gegenmaßnahme empfiehlt Ihnen unter anderem: öfter mal die Position wechseln, im Sitzen das Gewicht verlagern, mit den Füßen Bodenkontakt halten, manchmal durchdehnen, auch mal gähnen oder seufzen. „Grundsätzlich gilt: Jegliche Muskeltätigkeit ist besser als keine.“

    Atemübungen werden positive Effekte zugeschrieben

    Wenn irgend möglich, sollte man durch die Nase atmen. Die Therapeutin betont: „Das ist die natürliche, normale Atmung.“ Sie hat gleich mehrere Vorteile: Zum einen filtert die Nase Keime und schädliche Stoffe aus der eingeatmeten Luft. Zum anderen sei Nasenatmung wegen des größeren Luftwiderstands bereits „ein regelmäßiges Training für das Zwerchfell“, sagt Ihnen. Mundatmung dagegen macht unter anderem anfälliger für Atemwegsinfekte, Karies und Zahnfleischentzündungen.

    Ansonsten ist das Thema Atmung ein weites Feld: Diversen Atemtechniken werden viele verschiedene positive Wirkungen zugeschrieben – angefangen von der Stärkung des Immunsystems über eine bessere Darmtätigkeit bis hin zu Schmerzlinderung, Stimmungsaufhellung und Konzentrationsförderung. „Es liegen allerdings nicht viele handfeste Studien vor“, sagt Stange. Zudem macht es die große Vielfalt an atemtherapeutischen Angeboten schwer, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Neben physiotherapeutischen Methoden gibt es verschiedene Ansätze, bei denen stärker die Körpererfahrung und psychovegetative Regulation im Vordergrund steht. In Deutschland verbreitet ist zum Beispiel die Atemlehre nach Ilse Middendorf (1910–2009), die den Begriff „erfahrbarer Atem“ prägte. Im Kern geht es darum, den eigenen, natürlichen Atemrhythmus bewusst zu erleben und so das innere Gleichgewicht herzustellen.

    Recht klar ist, dass Atemübungen bei Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD hilfreich sein können. Auch bei Covid und Long Covid spielen sie eine wichtige Rolle – auf die günstigen Effekte weisen bereits erste Studien hin. Schon die einfache „Lippenbremse“ kann bei Atemnot hilfreich sein: Dabei wird die Luft durch den gespitzten, leicht geöffneten Mund langsam ausgeatmet. So lässt sich Kontrolle über den Atem zurückgewinnen.

    Der Regensburger Psychosomatik-Professor Thomas Loew hat die „4711“-Methode entwickelt

    Daneben haben sich atemtherapeutische Techniken aber auch im psychosomatischen Bereich bewährt. „Zum Beispiel können sie bei Angststörungen erstaunlich wirksam sein“, sagt Stange. Angst und Stress aktivieren das sympathische Nervensystem, das wiederum Herzschlag und Atmung beschleunigt. Ursprünglich hatte das den Sinn, den Menschen auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. Durch gleichmäßiges, bewusstes Atmen lässt sich der Parasympathikus, der „Ruhenerv“ und damit Gegenspieler des Sympathikus, aktivieren, sodass der Stress nachlässt. „Eine goldene Regel ist, die Ausatmung zu verlängern“, sagt Ihnen. „Als Reflex darauf wird auch die Einatmung tiefer.“ Dieses Prinzip der verlängerten Ausatmung ist auch für die „4711“-Methode entscheidend, die der Regensburger Psychosomatik-Professor Thomas Loew entwickelt hat.

    Die Parfümmarke ist dabei nur eine Merkhilfe, hinter der sich Folgendes verbirgt: Vier Sekunden einatmen, sieben Sekunden ausatmen – und das Ganze elf Minuten lang. Die üblichen zwölf bis 15 Atemzüge, die ein Erwachsener pro Minute macht, werden so auf um die sechs reduziert. Auf diese Weise, argumentiert Loew, werde dem Körper vorgegaukelt zu schlafen, sodass er auf Regeneration umschaltet. „Es ist gut belegt, dass sich dadurch der Blutdruck signifikant senken lässt“, sagt er. Auch bei Panikstörungen, Konzentrationsproblemen, Schmerzen, Wechseljahrsbeschwerden und vielem mehr lässt sich „entschleunigtes Atmen“ sinnvoll einsetzen, wie Loew in seinem Buch „Langsamer atmen, besser leben“ schreibt. Generell, meint er, könne es als „Basistherapeutikum in der Psychosomatik“ verstanden werden, das man optimalerweise mehrmals täglich anwendet. Um nicht die ganze Zeit zählen zu müssen, empfiehlt Loew technische Hilfsmittel wie Apps oder Atemtakter, die genaue Atemzeiten signalisieren. Andererseits kann gerade das Zählen für Entspannung sorgen und sogar dazu führen, dass man in einen meditativen Zustand verfällt – vielleicht sogar einschläft wie beim Schäfchen zählen.

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