Herr Ulbricht, was ist dran an dem Gerücht, Sie seien ein Grilljunkie?
Stefan Ulbricht: Vielleicht weil ich in meiner aktivsten Zeit mal 14 Grills hatte?! Heute stehen in unserem Garten noch sechs: zwei Holzbacköfen, in denen man auch Brot backen kann. Eine Feuerplatte mit verschiedenen Hitzezonen, auf denen sich Gäste ihren Burger selbst zubereiten können. Zwei Keramikgrills, ein Gasgrill und natürlich viele Gusstöpfe, sogenannte Dutch Oven, die man direkt auf Kohlen oder in einen Grill hineinstellen kann. In diesen bereite ich gerne Schichtfleisch, Gulasch oder Kartoffelauflauf zu.
Was machen Sie mit so vielen Grills?
Ulbricht: Eigentlich alles: braten, schmoren, räuchern, backen. Bis auf Nudelwasser – das mache ich auf dem Herd in der Küche heiß! Jeder Grill erfüllt einen anderen Zweck. Außerdem hat Grillen bei mir immer Saison. Das war schon in meiner Kindheit so. Ich weiß noch, wie mein Vater im Winter draußen die Kartoffelröschen auf Holzkohle briet. Unter einer Lampe mit Bewegungsmelder, damit er auch Licht hatte, wenn es schon dunkel war. Übrigens: Meine Grills haben alle einen Deckel.
Okay, weshalb Deckel?
Ulbricht: Flachgrillen, also grillen „ohne“ ist eher etwas Traditionelles. Damit erreicht man schnell hohe Temperaturen bis zu 300 Grad. Reicht ohne Zweifel aus, um sein Nackensteak darauf zu braten. Wer aber mehr mit dem Grill anfangen möchte, braucht einen Deckel, um die Temperatur wie in einem Backofen kontrollieren zu können. Stichwort „low and slow“. Wenn Sie Fleisch bei 110 oder 120 Grad Niedrigtemperatur garen, schmelzen die Sehnen und das Kollagen darin nach und nach. Ihr Grillgut wird schön zart und saftig. Wichtig ist auch, dass Sie in Ihrem Grill Zonen mit unterschiedlichen Temperaturen einrichten, damit Sie direkt und indirekt braten können. Auch wer räuchern möchte, braucht einen Deckel, der gut schließt.
Was halten Sie als Fachmann eigentlich jeweils von Gas-, Elektro- und Keramikgrills?
Ulbricht: Bei Gasgrills, die manche so praktisch finden, sind bauartbedingt zu große Luftschlitze. Räuchern klappt deshalb leider nicht. Außerdem sind Gasgrills putzintensiv. Und mit einem „normalen“ Grill kriege ich die Temperatur fast genauso schnell hin wie mit Gas. Elektrogrills sind die Lösung für Leute, die auf dem Balkon kein offenes Feuer machen dürfen. Nachteil: Man bekommt damit nicht viel Hitze her, und meist ist es nicht möglich, direkt und indirekt zu grillen. Profis nutzen gern Keramikgrills. Sie erreichen hohe Temperaturen, die Temperatur lässt sich sehr gut regulieren. Keramikgrills werden nur mit Holzkohle befeuert, für sie gibt es, wie für Kugelgrills, sehr viel Zubehör.
Heißt Grillen für Sie automatisch Fleisch?
Ulbricht: Nein, auf dem Grill lassen sich auch Gemüse und Desserts super easy und schnell zubereiten. Legen Sie mal ganze Stangen Lauch in die Glut und lassen Sie sie drin liegen, bis sie auf Daumendruck nachgeben. Das schwarz Verkohlte wegschneiden: Innen ist der Lauch dann wunderbar weich und süß- ein Gedicht. Barbecue-Profis servieren Ihr Fleisch auch gerne auf einem Bett aus bunten Bete-Scheiben, mit einem Obst-Chutney oder mit gegrilltem wildem Brokkoli.
Was braucht der Griller außer seinem Grill?
Ulbricht: Absolutes Must ist ein Thermometer. In der Fachsprache ein Kerntemperaturfühler, mit dem man zuverlässig den Gar-Grad von Steaks und größeren Fleischstücken ermitteln kann. Weit genauer als beispielsweise mit einem Daumendruck, wie es Fernsehköche gelegentlich vormachen. Handschuhe und eine Grillzange sind ebenfalls basic. Schöne Extras sind ein Pizzastein oder ein Grill-Spieß- das Beste, um ein leckeres Grillhendl zu produzieren und ein Wok-Einsatz.
Was sind die Trends in der Grillszene?
Ulbricht: In der Barbecue-Szene ist fine dining angekommen. Statt nur ein Stück Fleisch oder Gemüse zu braten, macht man fein aromatisierte Päckchen oder baut Türmchen aus mehreren Zutaten. Das Auge isst schließlich mit. Und statt einem großen Burger brät man mehrere unterschiedliche kleine. Mein Favorit ist Bayerischer Burger mit Obatzda-Creme und Weißkrautsalat. Hierfür eignet sich sehr gut Kachelfleisch vom Schwein, manche kennen das Stück auch als „Fledermaus“ oder „Deckelchen“. Heutzutage landet es als „Special Cut“ auf dem Grill, statt wie früher in der Wurst.
Und noch ein Wort: Grillen ohne Grill – ist das überhaupt möglich?
Ulbricht: Ja, kennen Sie Aschebraten? Dazu buddelt man ein circa 50 cm tiefes Loch im Garten und lässt darin möglichst viel trockenes Laub oder kleines Holz verbrennen, sodass reichlich Asche entsteht. In diesen heißen Aschehaufen packen Sie Ihren Braten. Wildschwein eignet sich beispielsweise gut, auch ein Nackenstück. Es wird zuerst in Alufolie gewickelt, danach kommen noch fünf bis sechs Lagen feuchtes Zeitungspapier darum herum. Nach zwei bis drei Stunden in der Asche ist der Braten durch und zerfällt wie Pulled Pork in Stücke. Oberlecker! Vor den Gästen graben Sie dann Ihren Sonntagsbraten aus.
Zur Person: Stefan Ulbricht aus Unterbergen bei Mering ist Sprecher des Fleischerverbands Bayern und Geschäftsführer des Verbands der deutschen Fleischsommeliers. Vor zwei Jahren startete der 46-Jährige die Weiterbildung zum Zertifizierten Grillmeister in der Fleischerschule Augsburg. Hörenswert: sein 14-tägiger Metzger-Podcast „Jetzt gibt’s Beef!“ Sehenswert: seine Grillbilder auf Instagram unter „grillkraft“.